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Hamas besetzt Schlüsselposten in palästinensischem Kabinett

20. März 2006

Die radikal-islamische Hamas will die Schlüsselressorts der palästinensischen Regierung mit eigenen Leuten besetzen. Die EU rief die Hamas zu einer Wende in ihrer Politik auf.

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Ministerpräsident Ismail HanijaBild: AP
Neugewähltes Parlament in Ramallah tagt
Das neu gewählte palästinensische ParlamentBild: AP

Die Kabinettsliste, welche die Hamas hat am Montag (20.3.2006) offenlegte, entsprach den Erwartungen der meisten Beobachter: Die Gruppe besetzt die Schlüsselressorts mit Hamas-Aktivisten. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hatte die Liste bereits am Sonntagabend vom designierten Ministerpräsidenten Ismail Hanija erhalten. Neben führenden Hamas-Mitgliedern sind auf der Liste auch einige unabhängige Kandidaten vertreten - ein Zeichen dafür, dass die internationalen Versuche Wirkung zeigten, die Hamas zu isolieren. Unter den 24 Kabinettsmitgliedern sind eine Frau und ein Christ.

Eine Frau und ein Christ

Nach der Kabinettsliste soll der Hamas-Anführer aus dem Gaza-Streifen, Mahmud Sahar, Außenminister werden. Israel hatte in der Vergangenheit versucht, Sahar zu töten, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Mit Said Sejam soll ein weiterer Hamas-Anführer Innenminister werden und damit verschiedene palästinensische Sicherheitsdienste kontrollieren. Der Volkswirt Omar Abdel-Rasek aus dem Westjordanland ist für das Amt des Finanzministers nominiert. Fatah-Funktionäre erklärten, Abbas werde das Parlament bald über die Ministerriege abstimmen lassen. Allerdings wolle er in einem Brief seine Vorbehalte gegen die Hamas-Regierung formulieren.

Sondierungen mit anderen Parteien, vor allem mit der bislang regierenden Fatah, waren erfolglos verlaufen. Fatah hatte das Programm der Hamas kritisiert, die am bewaffneten Kampf gegen Israel festhält. Zu den gescheiterten Koalitionsverhandlungen sagte Hanija, der zur Einrichtung einer möglichst breiten Regierung aufgerufen hatte, am Samstag: "Wir hätten uns gewünscht, dass unser Dialog fruchtbar ist." Am Sonntagnachmittag entschied sich als letzte Gruppierung auch die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) gegen einen Einstieg in eine Koalition. Hamas hatte bei den palästinensischen Parlamentswahlen am 25. Januar eine absolute Mehrheit von 74 der 132 Sitze gewonnen.

Olmert kündigt einseitige Grenzziehung an

Der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas übte erneut scharfe Kritik an der palästinensischen Regierung. Mofas sagte nach israelischen Medienangaben vom späten Sonntagabend, wenn Palästinenserpräsident Mahmud Abbas weiterhin eine wichtige Rolle spielen wolle, müsse er die Regierung der Hamas ablehnen. Diese Regierung verwandele die Autonomiebehörde in eine "Terrorbehörde". Der israelische Übergangs-Regierungschef Ehud Olmert kündigte unterdessen an, im Falle seines Sieges bei der Parlamentswahl Ende März die Grenzen Israels einseitig festlegen zu wollen. "Die dauerhaften Grenzen Israels müssen festgelegt werden", sagte Olmert am Montag dem israelischen Militärrundfunk. Er wolle in dieser Frage einen Konsens über "einen inneren Dialog" erreichen.

Die Hamas sprach von einer Kriegserklärung. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat hatte der israelischen Regierung bereits am Samstag vorgeworfen, sie betreibe eine gezielte Zerstörung der palästinensischen Autonomiebehörde. Erekat sagte dem Sender Stimme Palästinas, damit wolle Israel einseitige Schritte vorbereiten, die einer weiteren Landnahme im besetzten Westjordanland dienten. Israel lehne Friedensverhandlungen ab und suche nur nach einem palästinensischen Partner, der eine Annexion Jerusalems und des Jordan-Tals und eine Beschlagnahme der Wasserressourcen akzeptiere.

EU erwartet Umdenken

Die EU erwartet von der Hamas ein Umdenken im Umgang mit Israel. Am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen am Montag sagte die österreichische Außenministerin und EU-Ratspräsidentin Ursula Plassnik: "Hamas muss sich entscheiden, welchen Weg sie geht und wie sie ihre künftige Verantwortung wahrnimmt." Wie die EU mit der millionenschweren Aufbauhilfe für die Palästinensergebiete umgehen werde, sei auch Thema beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende dieser Woche in Brüssel. Die EU hat bisher die Palästinenser mit rund 500 Millionen Euro jährlich unterstützt. Deutschland ist daran mit rund 100 Millionen Euro beteiligt. (stu)