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"Mehr Empathie"

Silke Wünsch2. Juni 2014

Das frühere Bloggertreffen re:publica hat sich längst zu einer Gesellschaftskonferenz entwickelt, deren Bedeutung über die drei Konferenztage im Mai hinausgeht. Ein Gespräch mit re:publica-Mitbegründer Johnny Haeusler.

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Johnny Haeusler, Mitbegründer der Digitalkonferenz re:publica
Bild: republica/Gregor Fischer, 08.05.2014 CC-BY-SA 2.0

DW: Johnny, dieses Jahr waren 6000 Besucher bei der re:publica, in den Medien wird die Konferenz längst nicht mehr als Blogger-Klassentreffen bezeichnet, und immer mehr wichtige Leute sagen dort wichtige Dinge. Was aber wird wirklich von der re:publica nach "draußen" getragen?

Johnny Haeusler: Es bleibt ganz viel. Es dauert nur, bis es sich bemerkbar macht. Mir persönlich reicht es erst mal, wenn die Leute, die da sind, Spaß haben, ihren Kopf füttern und inspiriert da rausgehen. Ich glaube aber auch, dass es einen Einfluss auf "draußen" hat. Begriffe wie "Digitale Gesellschaft" haben sich längst etabliert. Es wird auch ganz genau beobachtet, welche Themen auf der re:publica verhandelt werden. Dass daraus jetzt nicht sofort eine politische Aktion entsteht, das mag wohl sein, aber das waren immer Prozesse, die gedauert haben. Dazu gehört auch, dass sich das Publikum auf der re:publica verändert, es wird immer vielschichtiger. Also, ich glaube schon, dass es eine Auswirkung hat, aber wir werden mit einer Konferenz nicht die Welt verändern.

Warum gibt es eigentlich nicht DIE Message, die die re:publica-Besucher "draußen" weiterverbreiten können? Etwa sowas wie "Freies Netz bewahren", oder "gemeinsam gegen Überwachung"?

Weil es ein richtiges Wir auf der re:publica nicht wirklich gibt. Es gibt ja ganz viele Gruppen mit verschiedenen Interessen. Die haben eben auch ihre eigenen Facebookgruppen, ihre Blogs, wo es beispielsweise nur um Bildung geht. Dann die netzpolitischen Leute, und dann die Leute, die eher für den Fun im Netz zuständig sind. Die teilen sich vielleicht alle den Lebensraum Internet. Aber das heißt ja nicht, dass die alle der gleichen Meinung sind und die gleichen Ziele haben. Ich bin mir auch sicher, dass es Leute gibt, die hinsichtlich der NSA und anderen Geheimdiensten viel radikaler denken als andere. Und deswegen fällt es schwer zusagen, DAS ist es jetzt, das alle von der re:publica mitnehmen. Wenn überhaupt etwas die Leute eint, dann ist es die Erkenntnis, dass dieses Internet ein Lebensraum ist, und dass man an bestimmten Punkten darüber nachdenken muss, wo braucht es Regeln, wo braucht es keine und welche Räume gilt es zu verteidigen.

republica 2014
Das Mekka der Netzgemeinde in BerlinBild: DW/S. Wünsch

An die 500 Speaker waren bei der re:publica 2014 zu den verschiedensten Themen. Darunter wenig Politiker. Wünscht ihr euch mehr Leute aus der Politik?

Wenn sie sich einer öffentlichen Diskussion stellen würden, dann können sie gerne kommen, aber alles andere ist Quatsch. Wir hatten wirklich hochkarätige Politiker, die gerne sprechen wollten. Wir haben ihnen dann gesagt: "Ok, dann brauchen wir aber hinterher noch 30 Minuten für ein offenes Mikrofon für Fragen zur Netzpolitik Ihrer Partei". Und dann hieß es: "Dafür stehen wir nicht zur Verfügung." So haben wir sie wieder ausgeladen. Wir brauchen keine PR-Reden, weder von Politikern noch von Unternehmen. Wir brauchen offene Dialoge zwischen Unternehmen und Konsumenten, zwischen Politikern und Bürgerinnen und Bürgern. Und wenn das stattfindet, dann kann auch jeder dabei sein.

In nur acht Jahren hat sich die Besucherzahl fast verzehnfacht, ihr musstet mehrmals in größere Räumlichkeiten umziehen und die Teilnehmer werden immer noch mehr. Wie sieht die re:publica in Zukunft aus?

Das ist völlig offen. Die gibt es so lange wie sie funktioniert, so lange die finanziellen Mittel ausreichen, so lange die Leute auch kommen. Es kann auch sein, dass sie wieder kleiner wird. Da hätte ich auch kein Problem mit. Und ich wünsche mir noch viel mehr Gesellschaftskonferenz. Die re:publica ist eben einfach viel mehr als nur ein Bloggertreffen. Hier sollte es um ganz viele gesellschaftliche Themen der modernen Welt gehen. Und dafür brauchen wir natürlich noch viel mehr Leute aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten, Professionen, Branchen und mit unterschiedlichen Lebensentwürfen. Dann kann es nochmal sehr spannend werden.

Brauchen wir insgesamt mehr Gesellschaftskonferenzen?

Ich denke, die Welt braucht mehr Kommunikation. Die Leute müssen sich viel mehr miteinander unterhalten. Es herrscht so wahnsinnig viel Zynismus und so wahnsinnig viel Separation. Ich bin ja auch nicht anders, wenn ich zum Beispiel im Auto sitze, dann kann ich mich über andere Menschen aufregen, weil die natürlich alle total unfähig sind Auto zu fahren. Aber deswegen sind sie doch nicht alle schlecht. Ich weiß doch nicht, warum ein Mensch unfreundlich zu mir ist. Vielleicht ist ja gerade seine Mutter gestorben. Danach darf ich niemanden beurteilen. Sowas aber schaukelt das Netz ja teilweise hoch. Ich finde schon, dass man eine Haltung, einen Standpunkt haben muss, den man auch verteidigen kann, aber das Niveau ist manchmal wirklich unterirdisch. Ich wünsche mir einfach, dass mehr Austausch stattfindet und mehr Empathie herrscht.

Johnny Haeusler ist Autor, Betreiber des Grimme-Online-geschmückten Blogs "Spreeblick" und Musiker. Zusammen mit seiner Frau Tanja, Markus Beckedahl und Andreas Gebhard hat er 2007 die re:publica ins Leben gerufen. Sie findet jedes Jahr drei Tage im Mai in Berlin statt. Die Planungen für die re:publica 15 laufen bereits.