1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Höchstes NRW-Gericht kippt Nachtragsetat

15. März 2011

Das Landesverfassungsgericht hat den Nachtragshaushalt der rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen für nichtig erklärt. Die Verschuldung von 7,1 Milliarden Euro widerspricht den Verfassungsgrundsätzen.

https://p.dw.com/p/10ZKq
Der Verfassungrichter Michael Bertrams (l.) verkündet das Urteil (Foto: dpa)
Das Urteil könnte zu Neuwahlen führenBild: picture alliance/dpa

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihre rot-grüne Regierungsmannschaft in Nordrhein-Westfalen müssen eine schwere Niederlage verkraften. Die milliardenschwere Neuverschuldung im Jahr 2010 war rechtswidrig. So lautet das Urteil des Verfassungsgerichts am Dienstag (15.03.2011). Das höchste Gericht von NRW gab damit einer Klage der Landtagsfraktionen von CDU und FDP statt.

Keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts

Norbert Walter-Borjans sitzt im Gerichtssaal, im Hintergrund die Verfassungsrichter (Foto: dapd)
Der Nachtragsetat von Finanzminister Walter-Borjans (r.) ist nichtigBild: dapd

Noch im Dezember hatten SPD und Grüne mit der Unterstützung der Linken im Landtag durch den Nachtragshaushalt die Neuverschuldung um rund 2,8 Milliarden Euro erhöht. Das Gericht beanstandete jedoch, dass der Gesetzgeber keine plausible Erklärung geliefert habe, warum diese zusätzlichen Schulden zur "Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" nötig sei. Nur unter dieser Bedingung wäre die weitere Schuldenaufnahme erlaubt gewesen.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) widersprach inhaltlich dem Gericht und stellte fest: "Wir haben ein gestörtes Gleichgewicht der wirtschaftlichen Lage." Walter-Borjans kündigte nach der Urteilsverkündung an, dass die Landesregierung prüfen müsse, ob die aktuelle Entscheidung Auswirkungen auf den Haushalt 2011 haben werde. Dieser soll im Mai mit einer Rekordneuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro verabschiedet werden. Eigentlich geht die Landesregierung von einer Fortsetzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts aus. Somit wäre eine Neuverschuldung 2011 erlaubt.

"Glücksfall für das Land NRW"

Der CDU-Landesvorsitzende, Bundesumweltminister Norbert Röttgen, verlangte umgehend einen verfassungskonformen Haushalt für dieses Jahr. "Mit seinem heutigen Urteil hat das Verfassungsgericht die massive Verletzung der Interessen unserer Kinder und Enkelkinder durch die Schuldenpolitik von Frau Kraft für verfassungswidrig erklärt. Damit ist die rot-grüne Landesregierung des Verfassungsbruchs überführt", erklärte Röttgen unmittelbar nach der Urteilsverkündung.

Der Fraktionschef der CDU im Düsseldorfer Landtag, Karl-Josef Laumann, nannte das Urteil einen "Glücksfall für das Land NRW". Ob die CDU jetzt Neuwahlen beantragen werde, hänge von der Reaktion der Landesregierung auf das Urteil ab. Der Vorsitzende der FDP im Landtag, Gerhard Papke, forderte Ministerpräsidentin Kraft auf, "ihren Marsch in den Verschuldungsstaat zu stoppen".

Neuwahlen sind möglich

Der Verfassungsgerichtshof in Münster von außen (Archivbild: dpa)
Das höchste NRW-Gericht hatte viele rechtliche BedenkenBild: picture-alliance/dpa

Das Urteil vom Dienstag dürfte die Debatte über Neuwahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland neu anheizen. SPD und CDU hatten sich vor der Entscheidung des Verfassungsgerichts gegenseitig mit der Auflösung des Landtags gedroht. Die CDU brachte bereits den 17. Juli als Termin für Neuwahlen ins Spiel. Das Landesparlament kann sich jederzeit mit absoluter Mehrheit auflösen.

In der mündlichen Urteilsbegründung sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs unter anderem, dass eine so hohe Neuverschuldung "nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ möglich wäre. "Nach gefestigter Rechtsprechung müsse die Störungslage ernsthaft und nachhaltig sein." Vor allem die Rücklagen von 1,3 Milliarden Euro für die angeschlagene WestLB, die über Kredite finanziert wurden, seien nach diesen Kriterien nicht notwendig und "als verfassungsrechtlich bedenklich zu qualifizieren."

Autorin: Marion Linnenbrink (dpa, afp)
Redaktion: Annamaria Sigrist