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Günstiger Tanken - doch zu welchem Preis?

Mischa Ehrhardt
1. Juni 2022

Zum 1. Juni sinken die Steuern auf Kraftstoffe deutlich. Das ist Teil der Entlastungspakete der Bundesregierung in Zeiten hoher Energiepreise. Die meisten Ökonomen allerdings sehen die Maßnahme kritisch.

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Tankstelle Zapfpistole
Für drei Monate kann man jetzt in Deutschland günstiger TankenBild: dapd

Die grobe Rechnung ist schnell geschrieben und sie sieht folgendermaßen aus: Vom heutigen 1. Juni an kostet Benzin inklusive Mehrwertsteuer gut 35 Cent weniger, Diesel verbilligt sich in Deutschland um knapp 17 Cent. Komplizierter ist allerdings die Antwort auf Frage, ob das die Autofahrerin und der Tankende an der Zapfsäule direkt merken wird. Denn die Steuersenkung schlägt sich beim Kauf von Kraftstoffen bei Raffinerien und Tanklagern nieder. Wenn Mittwochmorgen die ermäßigte Steuer gilt, ist noch kein Tropfen des verbilligten Kraftstoffes an irgendeiner Tankstelle eingetroffen.

Zudem gilt nach wie vor, dass die Preise an den Tankstellen ziemlich intransparent zu Stande kommen. Was Mineralölgesellschaften verlangen, und was Tankstellen als Marge veranschlagen, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Nicht umsonst steht das Oligopol der Mineralölkonzerne einmal mehr in Deutschland unter verschärfter Beobachtung des Bundeskartellamtes. Denn die mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine hochgeschossenen Ölpreise normalisierten sich an den Weltmärkten schnell wieder. Die Preise an den Tankstellen dagegen blieben noch deutlich länger hoch.

Symbolfoto Benzinpreis | Tankstelle Berlin
Hohe Spritpreise, hier Anfang März in Berlin, hielten die meisten Menschen nicht vom Autofahren abBild: Sebastian Gabsch/Geisler/picture alliance

"In höchstem Maße kontraproduktiv"

Jedenfalls feiert Bundesfinanzminister Christian Lindner die Steuersenkung als solidarische Maßnahme für die unter hohen Preisen leidende Bevölkerung. "Wir lassen die Menschen nicht allein, die auf das Auto angewiesen sind", twitterte Lindner. Ökonomisch allerdings sehen die meisten Volkswirte den Bundesfinanzminister mit dieser Einschätzung auf einsamen Posten.

"Das habe ich noch nie für sinnvoll gehalten", sagte Manuel Frondel gegenüber der DW. Der Energieökonom ist Professor am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. "Angesichts eines andauernden Klimaproblems ist das in höchstem Maß kontraproduktiv." Erst seit 2021 gilt in Deutschland eine CO2-Bepreisung, um den Treibhausgasausstoß ein Stück weit herunter zu regeln. Der Tankrabatt konterkariert diesen notwendigen Kampf in der Klimakrise.

Der Bundesfinanzminister unterstreicht zwar, dass alle Menschen mit Auto profitieren sollen. Vor allem aber profitieren von der Maßnahme nach dem Gießkannenprinzip einkommensstarke Haushalte. "Denn die fahren in der Regel mehr mit dem Auto, haben höhere Fahrleistungen und mehrere Autos. So profitieren diese Haushalte besonders stark von dem Tankrabatt", so Frondel. Einkommensschwache Haushalte dagegen fahren in der Regel kein Auto oder kleinere Fahrzeuge, die auch weniger Sprit verbrauchen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kommt in seinen Studien zu ähnlichen Ergebnissen. "Die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe ist problematisch, weil sie den Sparanreiz reduziert und Vielfahrer mit großen Autos und hohen Einkommen entlastet", sagte Stefan Bach vom DIW.

Deutschland Benzinmangel
Es könnte zu Engpässen kommen, wenn zu viele Autofahrer ihre Tanks leer gefahren habenBild: picture-alliance/dpa/R. Goldmann

"Hilft nicht weiter"

Hinzu kommt, dass die Steuersenkung zu Einnahmeausfällen im Haushalt führt und die Staatsschulden zusätzlich in die Höhe treibt. Die allerdings werden von allen Steuerzahlern finanziert und zurückgezahlt werden müssen. Auch beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sieht man die Subvention an der Tankstelle kritisch. "Vorschläge wie der Tankrabatt kommen zunächst vielleicht gut an, helfen aber nicht weiter", schrieben die IW-Ökonomen Martin Beznoska und Christoph Schröder in ihrer Analyse. Der Chef des IW, Michael Hüther, kritisierte den Tankrabatt auch aus ordnungspolitischer Sicht. "Im Sinne der Ordnungspolitik soll die Politik lediglich in den Markt eingreifen, wenn der Preisanstieg auf missbräuchliche Marktmacht zurückzuführen ist", sagte Hüther der Augsburger Allgemeinen. Grundsätzlich seien Gießkanneneffekte "schlecht und der Eingriff in die Preisbildung sollte immer die ultima ratio der Politik sein".

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace fährt eine solche Spitze gegen die Regelungen nach Plänen des FDP-Bundesfinanzministers: "Ausgerechnet die Partei, die Klimaschutz stets marktwirtschaftlich gestalten will, verfällt beim ersten Preissignal in Panik und greift mit dem milliardenschweren Tankrabatt in den Markt ein." Und selbst in der von den hohen Spritpreisen besonders betroffenen Transportbranche sieht man die Maßnahme kritisch. Sie gehe an der Branche vorbei, heißt es beim Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) in Frankfurt. Da die Preise an den Zapfsäulen um rund ein Drittel gestiegen seien, brächte die mögliche Diesel-Reduktion von 17 Cent "gar nichts".

Und dann steht wie gesagt noch die Frage im Raum, was von der Steuersenkung wann überhaupt an den Zapfsäulen zu sehen sein wird. Denn erst ab diesem Mittwoch können die Tankstellen den vergünstigten Sprit bestellen. Ihre Läger leeren sie bis dahin zu den bisherigen höheren Preisen. Und sollte es obendrein noch zu einem Ansturm an den Tankstellen kommen, weil Verbraucher in freudiger Erwartung des 1. Juni ihren Tank leergefahren haben, dürften die Preise auf Grund hoher Nachfrage ohnehin nicht sinken.