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Gänse im Höhenflug

Lea Pötter19. April 2014

Streifengänse sind wahre Leistungssportler - sie überqueren den Himalaya, das höchste Gebirge der Erde, in gerade einmal acht Stunden. Das macht ihnen so schnell keiner nach, erst recht nicht der Mensch.

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Streifengänse (Foto: CC BY-NC-SA 2.0).
Bild: CC BY Tarique Sani

Streifengänse gehören zu den Zugvögeln. Also verlassen sie im Frühjahr ihr Winterquartier in Indien, und fliegen Richtung Norden, um schließlich in Zentralasien zu brüten. Auf ihrer Reise haben die Gänse eine anstrengende Strecke vor sich, denn das Himalaya-Gebirge kreuzt ihre Flugroute. Heißt: Die Vögel müssen wohl oder übel mehr als 7000 Höhenmeter überwinden.

Dabei wird die Luft dünn

In dieser Höhe ist der Luftdruck um mehr als die Hälfte geringer als auf Meereshöhe. Körper, die diesem Druck ausgesetzt sind, müssen deshalb mit halb so viel Sauerstoff auskommen wie sonst. Für die Streifengänse scheint das allerdings kein Problem zu sein.

Wie die Vögel sich unter diesen Extrembedingungen verhalten, haben Forscher um Lucy Hawkes von der University of Exeter deshalb getestet - sie unterzogen die Tiere einem Sporttest: In transparenten Plastikboxen ließen sie die Tiere im zügigen Gänseschritt auf Laufbändern rennen. Dabei senkten sie den Sauerstoffgehalt allmählich, bis die Bedingungen ähnlich denen im Himalaya waren.

Die Überraschung: Die Zugvögel hielten das Tempo ganze 15 Minuten. Selbst für trainierte Bergsteiger wäre das utopisch, sagt Stefan Nestler, Bergsteiger-Experte der Deutschen Welle. Er bestieg knapp 7200 Meter des Mount Everests - und kennt die Beschwerden, die die dünne Luft mit sich bringt, nur zu gut. Denn der menschliche Körper muss sich beim Erklimmen eines Berges Schritt für Schritt an den Sauerstoffmangel gewöhnen. Das kann schon mal mehrere Tage oder sogar Wochen dauern. "Zwischen den einzelnen Schlafhöhen sollten nicht mehr als 300 Höhenmeter liegen", sagt Nestler, "auf 7000 Metern Höhe war ich zum Beispiel schon nach fünf Schritten außer Atem."

Was ist aber nun der Trick der Streifengänse, die solch einen Kraftakt offensichtlich ohne körperliche Beschwerden meistern?

Himalaya-Gebirge (Foto: dpa)
Der Himalaya: ein Hochgebirgssystem in Asien, fast 9000 Meter hochBild: picture-alliance/dpa

Ausgefallene Muskulatur

Muskeln brauchen für die Arbeit Sauerstoff. Und der wird durch den Farbstoff Hämoglobin in den roten Blutkörperchen transportiert. Die Kraftwerke der Zellen - die sogenannten Mitochondrien - wandeln den Sauerstoff dann in Energie um. Der Vorteil der Streifengänse im Vergleich zu anderen Säugetieren - und auch zu anderen Gänsen: Ihre Muskeln enthalten viel mehr Blutgefäße. Sie werden dadurch besser durchblutet, vermuten die Wissenschaftler. Außerdem sollen sie eine besondere Variante des Blutfarbstoffs besitzen, der Sauerstoff fester bindet. So wird ausreichend Sauerstoff zum Muskel transportiert, obwohl wenig davon zur Verfügung steht.

Ein weiterer Trick der Vögel: Die Mitochondrien liegen ganz besonders dicht an den Blutgefäßen, so können sie möglichst schnell den Sauerstoff in Empfang nehmen und weiter zu Energie verwerten.

Diese sportliche Anpassungen ermöglichen den Streifengänsen die enormen Höhenmeter in solch beeindruckend kurzer Zeit zu überwinden - ein Vorbild für jeden Bergsteiger, der unter solchen Voraussetzungen sicherlich auf die ein oder andere Zwangspause beim Gipfelstürmen verzichten könnte.