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Guttenberg will Soldaten auf Probe

29. August 2010

Verteidigungsminister zu Guttenberg will die Bundeswehr komplett verändern. Sie soll wesentlich kleiner und effizienter werden. Seine neueste Idee: Wehrdienst auf Probe.

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Rektruten (Foto: AP)
Erst mal 'ne Runde testenBild: AP

Könnte er es allein entscheiden, wäre die Bundeswehr in wenigen Jahren eine ganz andere Armee. Kleiner, effizienter – und ohne Wehrpflichtige. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg will die Truppe von derzeit 250.000 auf etwa 170.000 Soldaten verkleinern und aus ihr eine (fast) reine Berufsarmee machen.

Fast rein, denn der Minister will jungen Leuten die Möglichkeit offen lassen, für überschaubare Zeit zu dienen - allerdings freiwillig. "Wir brauchen auch in Zukunft junge Männer und Frauen, die kürzer dienen, das heißt, zwischen zwölf und 23 Monaten. Denen werden wir ein hoch attraktives Angebot machen", sagte Guttenberg der "Bild am Sonntag".

"Ein attraktives Angebot"

DIHK-Präsident Driftmann (Foto: AP)
Hält die Bundeswehr für eine Gurkentruppe: DIHK-Präsident DriftmannBild: AP

Zu diesem Angebot soll eine Probezeit gehören: Angehende Soldaten sollen zunächst ein halbes Jahr lang unter Vorbehalt bei der Truppe anheuern können. "Wir können uns eine Probezeit beim Bund vorstellen. Nach sechs Monaten kann dann jeder sagen, Soldatsein ist nichts für mich. Und umgekehrt kann die Bundeswehr entscheiden: Dieser junge Mann passt nicht zu uns", so Guttenberg.

Die Maßnahme soll offenbar dazu dienen, dem befürchteten Mangel an Freiwilligen vorzubeugen, wenn die Wehrpflicht wie von Guttenberg geplant ausgesetzt werden würde. Zwischen 7.000 und 15.000 Freiwillige werden in Zukunft benötigt.

Keine Gammelzeit mehr

Diese Zeit sei nicht eine "Gammelzeit", sondern könne für Qualifikationen wie den Erwerb des Führerscheins genutzt werden. Guttenberg versprach außerdem eine "ordentliche Bezahlung, Anrechnung auf Rentenversicherung, Optionen auf Studienplätze und vieles mehr."

Die jetzige Struktur der Streitkräfte sorgt immer häufiger für Grundsatzkritik. Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, etwa hält die Armee für einen "Sanierungsfall". Der Tanker Bundeswehr sei zu schwerfällig und müsse schlanker werden, sagte er dem Magazin "Focus". Driftmann ist Vize-Vorsitzender der Reformkommission der Bundeswehr und hat vor seiner Tätigkeit in der Wirtschaft bei der Bundeswehr und im Verteidigungsministerium gearbeitet. Er kritisiert vor allem, dass von den auf dem Papier 250.000 Soldaten faktisch nur 8000 zur gleichen Zeit für Auslandseinsätze bereit seien.

Lammert, Guttenberg (Foto: AP)
Bundestagspräsident Lammert begleitet den MinisterBild: AP

Guttenberg im Kampfgebiet

Der Verteidigungsminister hat derweil seinen Afghanistan-Besuch fortgesetzt. Als erster hochrangiger Politiker hat er am Sonntag (29.8.2010) deutsche Soldaten im Kampfgebiet in Afghanistan besucht. Vom Bundeswehrfeldlager im nordafghanischen Kundus aus flog er mit einem Hubschrauber zu einem 70 Kilometer entfernten Außenposten in der Unruheprovinz Baghlan. Dort ist die "schnelle Eingreiftruppe" stationiert, die in der Region auch Operationen mit der afghanischen Armee ausführt. 15 Kilometer von dem Stützpunkt auf einer staubigen Anhöhe entfernt wurden im April vier deutsche Soldaten bei einem Angriff der Taliban getötet.

Guttenberg bedankte sich bei den Soldaten für ihren Einsatz. "Es ist ganz wichtig, dass man die Realitäten nicht nur vom Schreibtisch aus beurteilt, sondern sich die Realitäten auch dort ansieht, wo die Gefechte stattfinden", sagte der Minister. Der Besuch der Truppe im Kampfgebiet sei schon lange sein Wunsch gewesen. "Ich glaube, dass es sich gehört, dass sich der Minister bei seinen Soldaten auch mal blicken lässt, die hier über Wochen unter widrigen Bedingungen ihren Dienst tun". Guttenberg wollte den Stützpunkt in Baghlan bereits bei seiner letzten Afghanistan-Reise Mitte Juli besuchen. Damals musste er allerdings wegen eines Gefechts auf halbem Weg umkehren.

Guttenberg (Foto: AP)
Im Kampfanzug ins KampfgebietBild: AP

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der Guttenberg nach Afghanistan begleitet hat, flog unterdessen nach Kabul weiter. Dort wollte er mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und mit US-Oberbefehlshaber David Petraeus zusammentreffen.

Autor: Manfred Götzke (dpa, afp, apn)
Redaktion: Siegfried Scheithauer