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"Gutes Gerät gibt es nicht beim Discounter"

4. Juni 2011

Im Interview mit DW-WORLD hat der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus, die mangelhafte Ausrüstung der deutschen Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan kritisiert. Aber er sieht auch erste Erfolge.

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Hellmut Königshaus (Foto: AP)
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hellmut Königshaus (FDP)Bild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Königshaus, an welchen Ausrüstungsgegenständen fehlt es den deutschen Soldaten in Afghanistan denn am dringendsten?

Hellmut Königshaus: Grundsätzlich fehlt es an Fahrzeugen, wie die Amerikaner sie haben. Die haben ein sogenanntes "Road Clearance Package". Das sind mehrere Fahrzeuge, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen und aus denen heraus die Soldaten ihre Aufgaben geschützt wahrnehmen können. Die können solche Sprengsätze entdecken, ausgraben und gegebenenfalls auch entschärfen. Das ist deutlich besser als das, was wir mit unseren Soldaten im Moment machen: Dass wir sie nämlich sozusagen zu Fuß rausschicken, wo sie einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt sind.

Welche Ausrüstung hätte denn den Soldaten davor bewahrt, bei einem Anschlag wie am vergangenen Donnerstag (2.6.2011) zu Tode zu kommen?

Bei diesem Anschlag hätte die Soldaten nichts schützen können, denn das war eine so enorme Sprengwirkung. Ich will dazu sagen, dass ich meine Kritik, die sie zitieren, vor dem letzten tödlichen Anschlag gemacht habe. Wenn einer sagt, bei diesem Anschlag hätte das alles nicht genutzt, dann stimmt das. Das hat aber mit der grundsätzlichen Thematik nichts zu tun. Bei all den anderen Anschlagsopfern spielt das sehr wohl eine Rolle.

Wenn die Amerikaner das Gerät haben, das auch die Bundeswehr braucht, aber nicht hat: Kann man das denn nicht ausleihen?

Gepanzerte Bundeswehrfahrzeuge vom Typ 'Dingo' (Foto: dpa)
Gepanzerte Fahrzeuge der Bundeswehr vom Typ "Dingo"Bild: AP

Ich weiß, dass man solche Geräte natürlich nicht an der nächsten Ecke beim Discounter kaufen kann. Aber es ist eben so, dass auch lange Lieferfristen erst dann zu laufen beginnen, wenn das Gerät bestellt worden ist. Und wer nicht bestellt, der bekommt nichts. Egal, wie lang die Lieferfristen sind und wir sind ja schon eine ganze Weile in Afghanistan. Wir sind ja bis 2009 davon ausgegangen, jedenfalls die Verantwortlichen, dass an solchen Geräten kein Bedarf besteht. Ich habe das gleich bei meinem Amtsantritt angesprochen, neben vielen anderen Sachen, die meistens inzwischen auch erfüllt sind. Viele kann man aber eben nicht so kurzfristig beschaffen. Und die Amerikaner nutzen ihre "Road Clearance Packages" für ihren eigenen Bedarf. Sie helfen gerne, aber nur wenn sie sie entbehren können. Und deshalb ist es wichtig, dass wir eigene Kräfte und eigene Ausrüstung dafür haben.

Liegt der Grund, dass die Bundeswehr so wichtiges Gerät noch nicht hat, vielleicht daran, dass sie noch nicht ausreichend für ihre Aufgabe als Kriseninterventionsarmee eingerichtet ist?

Das kann schon sein. Ich kann jetzt nicht beurteilen, was konkret dazu geführt hat, dass man gemeint hat, man brauche so was nicht. Sie wissen, dass der Norden Afghanistans in der Vergangenheit lange Zeit als ruhig galt, und wahrscheinlich ging man davon aus, dass man dort so was nicht braucht. Wir sind ja durch die Realität leider eines Anderen belehrt worden.

Als Wehrbeauftragter haben sie einen besonderen Blick auf und in die Truppe. Können Sie dabei feststellen, dass sich die Ausrüstungsmängel auf die Moral der Soldaten auswirken?

In der Vergangenheit war das schon so, obwohl die Moral der Truppe nach wie vor sehr stabil ist. Aber es ist ja auch im vergangenen Jahr sehr, sehr viel passiert. Ich habe vor einem Jahr eine ganze Reihe von Ausrüstungsdefiziten beschrieben, für diese Kritik bin ich ja auch gescholten worden. Aber die meisten dieser Forderungen, die ich damals erhoben hatte, sind ja inzwischen erfüllt und darüber sind die Soldaten auch froh.

Ist es nicht frustrierend, wenn Sie auf Ausrüstungsmängel hinweisen und dann sterben Soldaten eben gerade wegen solcher Mängel der Ausrüstung?

Dazu muß man jetzt auch mal sagen: Ich habe vor einem Jahr, und zwar losgelöst von irgendwelchen konkreten Vorgängen, dem Parlament eine Defizitanalyse zugeleitet. Das hat erhebliche Auswirkungen gehabt. Das hat auch ganz erheblich dazu beigetragen, dass viele der Mängel inzwischen abgestellt sind. Mein Anliegen war, und wird in diesem Jahr auch sein, dem Deutschen Bundestag, den zuständigen Ausschüssen von Verteidigung und Haushalt aber auch dem Kabinett mitzuteilen, bevor sie ihre Haushaltsberatungen beginnen, wo es fehlt und wo nach meiner Meinung Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Weil ja doch ein politischer Konsens besteht, dass wir an der Sicherheit der Soldaten und Soldatinnen nicht sparen. Und das fordere ich immer wieder ein.

Hellmut Königshaus ist der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages und vertritt die Belange der Soldatinnen und Soldaten. Seit seinem Amtsantritt im Mai 2010 hat er wiederholt auch die Ausrüstung der Truppe kritisiert und darauf hingewiesen, wo es nach seiner Ansicht, und der Meinung der Soldaten nach, fehlt.

Die Fragen stellte Dirk Kaufmann
Redaktion: Arne Lichtenberg