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Der Einsatz von Zyklon B

26. Mai 2015

Im Lüneburger Auschwitz-Prozess hat ein Rechtsmediziner die Wirkung des Giftes Zyklon B geschildert. Der Prozess gegen den früheren SS-Mann Gröning wird länger dauern als geplant.

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Deutschland Oskar Gröning Prozess in Lüneburg (Foto: picture-alliance/dpa/P. Schulze)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze

Im Auschwitz-Prozess vor dem Landgericht Lüneburg hat der Hamburger Rechtsmediziner Sven Anders die Wirkungsweise des in den Gaskammern von Auschwitz eingesetzten Giftgases Zyklon B geschildert. Innerhalb weniger Sekunden kann das Gas tödlich wirken. Bei geringerer Konzentration kann der Todeskampf laut Gutachter aber auch dreißig bis sechzig Minuten dauern. Es komme zu Atemnot, einem Druckgefühl in der Brust, Angstzuständen und Krampfanfällen, weil die Sauerstoffverwertung der Körperzellen blockiert werde.

Gröning wird Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen vorgeworfen. Dabei geht es um die Zeit der sogenannten Ungarn-Aktion. Zwischen dem 16. Mai und dem 11. Juli 1944 wurden rund 425.000 jüdische Menschen aus Ungarn nach Auschwitz deportiert, von denen mindestens 300.000 in den Gaskammern getötet wurden. Zu Beginn des Verfahrens hatte Gröning eine moralische Mitschuld übernommen. Der Prozess soll klären, ob der Mann aus der Lüneburger Heide an der Bahn-Rampe von Auschwitz-Birkenau Spuren der Massentötung verwischt hat, indem er half, das Gepäck der Deportierten wegzubringen.

Aussagen in früheren Prozessen gegen SS-Männer

Gröning selbst hat ausgesagt, nur wenige Male vertretungsweise an der Rampe eingesetzt gewesen zu sein. Gröning war für das Gepäck der verschleppten Menschen in Auschwitz mit zuständig und verbuchte das Geld, das sie bei sich hatten. Nach dem Rechtsmediziner wurde ein früherer Richter angehört, der zu Beginn der 1990er Jahre den angeklagten Oskar Gröning als Zeugen gehört hatte. Gröning habe schon damals betont, nur das Gepäck und keine Menschen beaufsichtigt zu haben. Wie häufig er an der Rampe eingesetzt war, sei damals nicht nachgefragt worden, sagte der ehemalige Duisburger Richter Dirk Struß, der immer wieder in seine alten Aufzeichnungen blickte.

Wie auch in Lüneburg habe Gröning bereits als Zeuge im Prozess vor dem Landgericht Duisburg angegeben, mehrfach seine Versetzung aus Auschwitz beantragt zu haben, sagte Struß. Gröning habe berichtet, bis zu 24 Stunden an der Rampe Dienst getan zu haben, sagte Struß. Gröning hatte Anfang der 1990er Jahre in dem Verfahren gegen einen SS-Mann ausgesagt, der in Auschwitz sein Stubenkamerad war. Dabei sei er "erstaunlich emotionsarm" gewesen, sagte Struß, so als würde "etwas heruntergespielt".

Verzögerungen im Prozess

Grönings Anwalt Hans Holtermann beantragte, weitere Zeugen zu früheren Aussagen Grönings zu hören. Im Prozess gegen den SS-Mann Gottfried Weise habe sich das Urteil auf die Angaben Grönings gestützt, sagte er. Andere SS-Leute hätten in dem Verfahren "eine schweigende Mauer" gebildet. Holtermanns Antrag machte ein grundsätzliches Problem des Prozesses deutlich, der nach Ansicht der Nebenkläger-Anwälte viel zu spät geführt wird: Mehrere Beteiligte früherer Vernehmungen Grönings sind bereits gestorben.

Den für Mittwoch angesetzten Verhandlungstermin strich das Gericht - auch mit Blick auf die angegriffene Gesundheit des 93-jährigen Gröning. "Es ist eine etwas schwankende Gesundheit bei Herrn Gröning festzustellen", sagte der Vorsitzende Richter Franz Kompisch. Das Gericht habe zur Sicherheit weitere Termine bis Ende November festgelegt. Ursprünglich sollte das Urteil bereits Ende Juli gesprochen werden. Gröning war zur Verhandlung erschienen, obwohl er nach eigenen Angaben noch bis zum Vortag im Krankenhaus gewesen war.

pab/stu (dpa, epd)