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Politik

Gut gepolstert: Abgeordnete in Afrika

Martina Schwikowski
17. August 2019

Abgeordnete in vielen afrikanischen Ländern erhalten hohe Gehälter. Das sei nötig, finden sie - ihre Wähler hingegen finden das unfair. Wenig Transparenz bei Diäten erhöht das Misstrauen.

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Uganda Parlament Debatte über Alter für Präsidialamt
Bild: DW/L. Emmanuel

In Uganda steigen die Lebenshaltungskosten: Mit dieser Begründung haben sich ugandische Parlamentarier in diesem Jahr eine saftige Zulagenerhöhung von knapp 40 Prozent genehmigt. Dabei verdienten sie laut Medienberichten schon vor der Erhöhung mehr als hundertmal so viel wie die Durchschnittsbürger im Land. Auch Politiker in anderen afrikanischen Ländern streichen regelmäßig hohe Gehälter ein.

Abgeordnetengehälter für Sozialleistungen

In Uganda kostet die jüngste Entscheidung den Steuerzahler laut Medienberichten zusätzliche 15,2 Millionen Euro. Das Parlamentsbudget musste deswegen auf 135 Millionen Euro erhöht werden. Der Abgeordnete Peter Ogwang gehört der Regierungspartei "Nationale Widerstandsbewegung" (NRM) an. Ogwang erklärte gegenüber örtlichen Zeitungen, die monatlichen Gehälter würden mitsamt den unversteuerten Zulagen verschlungen, weil die Politiker damit Investitionen in den Wahlkreisen und individuelle Forderungen der Wähler deckten. "Ich erwarte von der Öffentlichkeit, dass sie uns zuhört, wenn wir unsere Erhöhungen begründen. Die Menschen sollen uns nicht tadeln, wenn wir gut bezahlt werden."

Das Argument wird oft bemüht: Afrikanische Politiker zahlten in ihren Wahlkreisen soziale Leistungen aus eigener Tasche. Jeder der 459 ugandischen Abgeordneten verdient aber laut der Zeitung "Daily Monitor" zwischen 3500 und 7000 Euro im Monat, je nach Entfernung ihres Wahlkreises vom Regierungssitz in der Hauptstadt Kampala. Cissy Kagaba ist Anwältin und Leiterin einer unabhängigen Organisation, die in Uganda gegen Korruption kämpft. "Die Erhöhungen sind unfair", sagt sie im DW-Interview. "Die Abgeordneten und Minister werden gut entlohnt, aber die Qualität der Dienstleistungen in ihren Wahlkreisen ist sehr schlecht."

Mangelnde Transparenz

Es stimme schon, dass Bürger sich an die von ihnen gewählten Abgeordneten wendeten, wenn sie das Schulgeld nicht zahlen könnten oder Krankentransporte fehlten, bestätigt Kagaba. "Aber sie nehmen diese Ausgabe als Rechtfertigung für Erhöhungen, doch ihr eigener Lebensstil sagt etwas anderes aus. Es gibt keine Transparenz, welcher Politiker in welchem Umfang den Bürgern in Not hilft." Die Vertreter des Volkes sollten als Vorbild leben. Stattdessen missbrauchten sie ihre Ämter, kritisiert Kagaba. "Lebenshaltungskosten und Benzinpreise als Argument - das ist zynisch, denn wir leben alle in der gleichen Wirtschaftswelt und haben die gleichen Herausforderungen."

Wie nehmen die Menschen in Uganda solche Missverhältnisse auf? "Sie können nichts machen, denn Proteste sind nicht erlaubt", sagt die junge Anwältin. Aber in den sozialen Medien hagelt es unzufriedene Äußerungen, auch bei Radiosendungen rufen viele Wähler an und bemängeln die Gehaltspolitik des Parlaments, sagt Kagaba. Es fehle am politischen Willen, das zu ändern, betont sie.

Wenig Bewegung

Versuche, die Diäten zu kürzen, bleiben die Ausnahme. Mit gutem Beispiel sind vor einigen Jahren die Abgeordneten von Burkina Faso vorangegangen. Mehrheitlich stimmten sie im Parlament dafür, ihr damaliges Monatsgehalt von rund 2500 Euro zu halbieren. Auch Kenias Präsident Uhuru Kenyatta kündigte nach seiner Wiederwahl 2017 eine Einsparung bei den Abgeordnetendiäten um 15 Prozent an, das solle auch für sein eigenes Gehalt gelten. Doch die Initiative geriet zur Farce: Die Parlamentarier gingen auf die Barrikaden, schließlich blieb alles beim Alten.

Kenia Uhuru Kenyatta
Kenias Präsident Uhuru Kenyatta: Seine Reform verlief im SandeBild: imago/i Images

Im afrikanischen Vergleich gehören Kenias Parlamentarier damit weiterhin zu den Bestverdienern - neben den Kollegen aus Südafrika und hinter denen aus Nigeria, die laut Zahlen der Weltbank deutlich vorne liegen.

Das Parlament - ein Selbstbedienungsladen?

Ohnehin können derartige Sparbemühungen Afrika-Kenner Heinrich Bergstresser gar nicht beeindrucken. "Die Kürzungen sagen nichts über die tatsächlichen Einkommen aus, die Parlamentarier erhalten und was sie für ihre Bevölkerung tun. Da kommt man schnell an die Grenze und stellt fest, dass es sich bei den Parlamenten eher um einen Selbstbedienungsladen oder Abnick-Verein für die Staatsführung handelt", sagt der Nigeria-Experte und Journalist im DW-Interview. "Dabei ist es egal, über welches Land in Afrika wir reden - von Nigeria ganz zu schweigen."

Das Land stehe seit Jahren an der Spitze der Politikereinkünfte. Bergstresser stellt die Gehälter der Parlamentarier den Pro-Kopf-Einkommen in den Ländern gegenüber und kommt zu dem Ergebnis: "Die Relationen haben den Rahmen gesprengt." Das ölreiche Nigeria habe ein Pro-Kopf-Einkommen von rund 4500 Euro - Parlamentarier verdienten aber knapp eine halbe Million Euro pro Jahr - also etwa das Hundertfache vom Normalbürger. Laut der Weltbank sind die Abgeordnetengehälter in Nigeria und der Zentralafrikanischen Republik sogar mehr als 120-mal höher als das Durchschnittseinkommen. Ähnlich sieht es in Uganda aus.

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In kaum einem afrikanischen Land sind die Einkommensunterschiede so groß wie in NigeriaBild: DW/Z. Umar

"Fassaden-Demokratie" als Strategie

Im armen Königreich Lesotho im südlichen Afrika verdienten Abgeordnete monatlich 1800 Euro, aber das Einkommen pro Kopf liegt laut Bergstresser bei 2700 Euro im Jahr. Das kleine, diamantenreiche Botswana habe zwar ein hohes Einkommen mit 13.400 Euro pro Person und Politiker erhielten auch dort nur rund 1800 Euro monatlich. "Aber die Zulagen bleiben wie so oft versteckt", kritisiert er.

Bergstresser gibt sich überzeugt, die Diskrepanz zwischen den "Herrschern und Beherrschten" sei in den letzten 30 Jahren vielerorts gewachsen. Die Entwicklung der Demokratie in Afrika sei relativ jung, sagt er: "Der Wunsch nach mehr Freiheit hat nach außen zu demokratischen Strukturen geführt, was sich aber bislang als Fassaden-Demokratie herausgestellt hat, die gegenüber dem Ausland als Prozess der Demokratisierung verkauft wird." Das sorge für weitere finanzielle Unterstützungen aus dem Ausland, aber die afrikanischen Eliten sorgten nicht für eine Umverteilung in ihren Ländern.