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Guinea vor Zerreißprobe

Katrin Matthaei10. Oktober 2013

Die Opposition erkennt die Parlamentswahl im westafrikanischen Guinea nicht an und droht mit einem Straßenkampf. Nun fordern UN und die westafrikanische Organisation ECOWAS eine schnelle Bekanntgabe der Ergebnisse.

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Pressekonferenz Oppositionspolitiker (Foto: CELLOU BINANI/AFP/Getty Images)
Bild: C.Binani/AFP/GettyImages

Unversöhnlich stehen sich Opposition und Regierungslager in Guinea gegenüber. Die Gegner von Präsident Alpha Condé erkennen die Parlamentswahl vom 28. September 2013 nicht an. Sie sprechen von "Wahlfälschung in großem Ausmaß" und fordern, die Abstimmung für ungültig zu erklären. "Keine Bedingung war erfüllt, um diese Wahl durchzuführen", sagt Sidya Touré, ehemaliger Premierminister, der mit seiner Union der Republikanischen Kräfte (UFR) eine der beiden stärksten Oppositionsparteien anführt, im Gespräch mit der DW. Ihm und seinen Mitstreitern ist die erste freie Präsidentschaftswahl von 2010 noch gut im Gedächtnis: Sie wurde ebenfalls von Manipulationsvorwürfen begleitet.

Guinea steht am Scheideweg: Lähmt sich das rohstoffreiche Land weiterhin selbst - möglicherweise begleitet von Gewalt - oder raufen sich seine Politiker zu einer politischen Lösung zusammen. "Ich hoffe, dass die Akteure die politische Reife besitzen, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren", sagt Saidou Diallo. Der Guineer lebt in Bonn. Er fürchtet, dass die Opposition ihre Drohung wahrmachen und ihre Anhänger mobilisieren könnte, um den Konflikt auf der Straße auszutragen.

Karte Guinea mit Hauptstadt Conakry

Angst vor Gewalt

Bei ähnlichen Protesten der Opposition waren im Vorfeld der Wahlen mehr als 50 Menschen getötet worden. Diallo hofft trotzdem auf einen gewissen Pragmatismus der Führung seines Landes: "Die Wahlen nun gar nicht anzuerkennen, wäre meiner Meinung nach zu viel verlangt - höchstens in den Wahlkreisen, in denen es zu massiver Fälschung gekommen ist."

Die Opposition fühlt sich in ihrem Protest von Aussagen internationaler Wahlbeobachter der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bestätigt: Bereits im Vorfeld der mehrfach verschobenen Abstimmung über die 114 Abgeordneten-Sitze hatten sie Unstimmigkeiten in den Wählerregistern festgestellt. Während der Wahl soll es zu Unregelmäßigkeiten in acht der 38 Wahlbezirke im Land gekommen sein. In einem Bericht kurz nach der Abstimmung hatten Wahlbeobachter der EU der Nationalen Wahlkommission (CENI) mangelnde Transparenz bescheinigt.

Aussage gegen Aussage

Nach der Wahl setzen sich die Probleme nun fort: Die CENI hält Wahlergebnisse einzelner Bezirke bislang zurück. So sind die Gewinner in zwei wichtigen Bezirken der Hauptstadt Conakry mit immerhin rund 700.000 Wählern noch nicht bekannt. Auch in der zweitgrößten Stadt Nzérékoré, wo die Opposition sehr stark ist, ist nicht klar, wer gewonnen hat. "Dort hat die Wahlkommission in ihrem veröffentlichten Ergebnis nur 30 Prozent der abgegebenen Stimmen berücksichtigt. Das ist ein Problem", sagt Tomas Caprioglio, stellvertretender Leiter der EU-Wahlbeobachter-Mission in Guinea, im Gespräch mit der DW. "Die Bevölkerung ist zur Wahl gegangen. Deshalb muss jetzt eine Lösung gefunden werden, um die Stimmen all derer einzubeziehen, die gewählt haben", so Caprioglio. Die gesetzliche Zehntagesfrist, nach der das Oberste Gericht Guineas das amtliche Wahlergebnis bestätigen muss, ist überdies längst verstrichen.

Die Regierungsseite reagiert gelassen auf die Vorwürfe. "Ich schenke all dem keine Aufmerksamkeit", sagte Präsident Condé am Dienstag (08.10.2013) der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Opposition nehme ihre Rolle wahr, sekundiert sein Regierungssprecher, Albert Damantang Camara, im Gespräch mit der DW: "In unseren Augen sprechen die Wahlergebnisse für sich. Die Bekanntmachung der Teilergebnisse zeigt, dass die Wahlkommission keine Fehler gemacht hat." Demnach liegt die Regierungspartei vor der Opposition - eine absolute Mehrheit hätte Alpha Condés Zusammenschluss des guineischen Volkes (RPG) aber nicht.

Guinea's President Alpha Conde poses during an interview in Conakry on October 8, 2013. Conde said he was 'neither impressed nor bothered' by the opposition's fraud accusations in the September 28 legislative elections excluding any risk of destabilization in the country. Conde became Guinea's first democratically elected president in 2010 but the country has since remained crippled by political deadlock, ethnic rivalries and recurring rumours of coup plots. AFP PHOTO / CELLOU BINANI (Photo credit should read CELLOU BINANI/AFP/Getty Images)
Guineas Präsident Alpha CondéBild: C.Binani/AFP/GettyImages

"Ich glaube, niemand ist in diese Wahl gegangen, ohne Probleme zu erwarten", sagt Vincent Foucher. Er ist Westafrika-Experte der International Crisis Group und verfolgt die Ereignisse in Guinea aus dem Nachbarland Senegal. "Man muss sehen, welchen langen Weg Guinea hinter sich hat, um überhaupt Wahlen durchzuführen", sagt Foucher. Das Land wurde bis 2003 autoritär regiert. Es folgte eine Übergangsphase, die von Putschen und blutigen Übergriffen der Sicherheitskräfte auf Oppositionelle geprägt war.

Hoffen auf eine politische Lösung

Nun ist die Frage, ob doch noch eine politische Lösung in dem Konflikt gefunden werden kann, die für beide Seiten akzeptabel ist. Am Dienstag (08.10.2013) stieg die Opposition aus Verhandlungen aus, die unter Vermittlung der Vereinten Nationen stattgefunden hatten. Die internationalen Wahlbeobachter drängen die Kontrahenten, den juristischen Weg zu beschreiten und den Obersten Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Wahl entscheiden zu lassen - und dessen Entscheidung dann auch anzuerkennen.

"Ich glaube, diese Sachen dürfen in einem demokratischen Staat nicht passieren", sagt Sylla Mamadou, ein ebenfalls in Bonn lebender Guineer. "Jeder guineische Politiker versucht, unter allen Umständen an die Macht zu gelangen, und das finde ich nicht gut."

Ausschreitungen bei Protesten (Foto: AP Photo/Youssouf Bah)
Ausschreitungen bei Protesten im Mai 2013Bild: picture-alliance/AP

Wie er wünschen sich viele der elf Millionen Guineer endlich eine Verbesserung ihrer Lebenssituation. Obwohl Guinea zu den rohstoffreichsten Staaten der Welt gehört, steht es auf dem UN-Entwicklungsindex nur auf Platz 178 von 187. Es gibt große Vorkommen des Erzes Bauxit, das zur Aluminiumherstellung in der Automobilindustrie gebraucht wird. Außerdem ist es reich an Diamanten und Gold.