Guatemala: "Man muss sehr, sehr hartnäckig sein, um an Informationen zu gelangen" | Lateinamerika | DW | 08.03.2016
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Lateinamerika

Guatemala: "Man muss sehr, sehr hartnäckig sein, um an Informationen zu gelangen"

Korruption, Unwissen und kaum vorhandene Daten: Für Guatemalas Bevölkerung ist es schwer, an Informationen zu gelangen. Ángel Ramírez von Congreso Transparente möchte mehr Transparenz schaffen und Dialog fördern.

Guatemala Ideaton Veranstaltung

Der studierte Politikwissenschaftler Ángel Ramírez war früher selbst für den Kongress tätig

Congreso Transparente ist eine guatemaltekische Nichtregierungsorganisation, die sich für die Prinzipien von "Open Government" einsetzt, also die Öffnung von Regierung und Verwaltung gegenüber der Bevölkerung. Congreso Transparente möchte die Bevölkerung über das Geschehen im Kongress informieren, zum Beispiel wie Abgeordnete gewählt haben oder welcher Abgeordnete sich für oder gegen ein Gesetz ausgesprochen hat. Geschäftsführer Ángel Ramírez hat vor seiner Zeit bei Congreso Transparente selbst als Berater eines Abgeordneten im Kongress gearbeitet.


Congreso Transparente möchte eine "Brücke zwischen dem Kongress und der Bevölkerung" schaffen. Wie ist das zu verstehen?
Wir wollen eine Art "Brücke der Information" sein, damit die Menschen den Kongress und das aktuelle politische Geschehen verstehen können. Sie sollen sich zudem auch eine Meinung darüber bilden können. Deswegen gehen wir bei der Bereitstellung der Information sehr objektiv vor. Das heißt, wir beeinflussen die Leute nicht, für oder gegen etwas zu sein. Diese Brücke zu sein heißt nicht, dass wir für die Wahrheit garantieren können. Vielmehr schaffen wir auf diese Weise einen Raum, in dem sich die Bevölkerung mit den Themen des Kongresses nachhaltig auseinandersetzen kann.

Warum ist der Zugang zu Information wichtig?

Guatemala Ideaton Veranstaltung

Wie steht es um den Zugang zu Information? Antworten beim "Idéathon"- Event

Zum einen, weil es eine Aufgabe öffentlicher Institutionen ist, offenzulegen, welche Gelder zu welchem Zweck genutzt werden. Immerhin finanziert der Bürger dieses System. Zum anderen glaube ich, dass der Bürger verstehen muss, dass Informationen viel dazu beitragen können, sein Leben zu verändern.

Welches sind die größten Hindernisse, wenn es darum geht, Informationen anzufragen?
Es fängt damit an, dass viele überhaupt nicht wissen, wo sie Informationen anfragen können und dass die Institutionen dafür auch überhaupt keine Anlaufstelle haben. Angst spielt bei diesem Prozess auch eine große Rolle. Viele trauen sich nicht, aus Angst vor Bedrohungen.
Im Kongress ist die Information sehr zerstreut und der Zugang zu ihr ist sehr kompliziert, weil die unterschiedlichen Einheiten nicht effizient arbeiten. Außerdem gibt es gewisse politische Themen, die überhaupt nicht erfragt werden können, weil sie Informationen über weitreichende Korruptionsaffären enthalten und deswegen unter Verschluss bleiben.
Auf lokaler Regierungsebene gibt es noch weitere Probleme: Etwa, dass die Daten einfach gar nicht existieren, weil niemand sie erhoben oder abgespeichert hat. Und dann behindern auch noch kriminelle Strukturen in der Politik den Zugang zu Informationen.

Im Jahr 2008 wurde in Guatemala ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. Wie sieht es seither mit der Umsetzung aus?

Guatemala Ideaton Veranstaltung

Congreso Transparente und DW Akademie luden im Februar zu einem Austausch ein

Dieses Gesetz war von Anfang an mit vielen Emotionen verknüpft. Es wurde als Folge eines Korruptionsskandals verabschiedet, bei dem 82 Millionen Quetzales (umgerechnet knapp 9,6 Millionen Euro) im Kongress versickert waren. Auf einmal waren alle Institutionen dazu verpflichtet, Auskunft zu erteilen, hatten aber gar nicht die passenden Instrumente dazu.
Meiner Ansicht nach ist das Gesetz zum heutigen Zeitpunkt sehr schwach, denn allein die Menschenrechtsbeauftragte kann sich dafür stark machen, dass es eingehalten wird. Es gibt aber keine Einheit, die bei Verstoß gegen das Gesetz Sanktionen erheben kann. Die Menschenrechtsbeauftragte kann lediglich eine moralisches Urteil erheben, mehr jedoch nicht.

Wie groß ist das Interesse der Bevölkerung, Informationen anzufragen?
Bis vor kurzem war das Interesse nicht besonders groß. Das hat sich seit den Protesten gegen die Korruptionsaffäre der Regierung vor einem Jahr geändert. Das heißt aber nicht, dass die Bevölkerung die Prozesse bereits verinnerlicht hätten. Damals wollten die Demonstranten einfach nur sehr schnell und auf einfachsten Weg wissen, was passiert war.
Wenn wir aber wollen, dass das Gesetz eine Legitimation erhält, dann müssen wir auch den Weg dorthin legitimieren. Also dürfen wir nicht einfach nur hingehen und sagen: "Gebt mir diese oder jene Information!", sondern wir müssen uns auch an die einzelnen gesetzlichen Schritte halten, damit das Gesetz ein starkes Fundament bekommt.

Was muss passieren, damit sich der Zugang zu Informationen in Guatemala verbessert?

Guatemala Ideaton Veranstaltung

Kreative Ideen für mehr Meinungsfreiheit - Teilnehmer verschiedener NROs nahmen teil

Es muss eine Instanz geben, die die Situation nicht nur überwacht, sondern auch eingreift und Sanktionen erheben kann Außerdem müssen Einheiten geschaffen werden, an denen Information zu bestimmten Themen angefragt werden können. Und zuletzt muss auch die Bevölkerung verstehen, wie wertvoll der Zugang zu Informationen ist.

Welche Tipps können Sie denjenigen geben, die Informationen anfragen möchten?
Zunächst einmal, dass man wirklich sehr, sehr hartnäckig sein muss, um an Informationen zu gelangen. Denn Politiker halten sie oftmals zurück, sei es aus gutem Grund oder weil sie einfach keine Ahnung haben. Je mehr Bürger aber nach Informationen fragen, umso schneller kann das den Anstoß für Veränderung geben.
Ein weiterer Tipp ist, die Menschenrechtsbeauftragte mit ins Boot zu holen - sie ist eine wichtige Verbündete. Genauso die Medien. Sie zu kontaktieren und von ihnen einzufordern, über die Geschehnisse zu berichten, kann ebenfalls ein wichtiger Schritt sein. Denn am Ende sind es oftmals Journalisten die herausfinden, warum eine bestimmte Information unter Verschluss gehalten wurde.

Mit Unterstützung der DW Akademie will die NRO ihre Projekte künftig auf lokale Regierungen in Guatemala ausweiten. Das Projekt "Munis Abiertas" (Deutsch: "Offene bzw. transparente Gemeinden") startet 2016.

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