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Politik

Kilic: "Die AKP stirbt politisch aus"

Hülya Topcu
12. September 2019

Dem Politiker Memet Kilic drohen in der Türkei wegen Präsidentenbeleidigung bis zu vier Jahre Haft. Die Anklage zeige, dass die Regierungspartei AKP einen "Todeskampf" führe, so der Bundestagsabgeordnete im DW-Interview.

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Memet Kilic
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Der Grünen-Politiker Memet Kilic aus Heidelberg muss sich im 17. Dezember in Anakara vor Gericht verantworten. Seines Wissens nach sei er der erste aktive deutsche Politiker, der in der Türkei angeklagt werde. Der Grund sei ein Interview vom Juli 2017. Dort hatte er mit Blick auf die Regierenden in der Türkei das Wort "Vaterlandsverräter" benutzt. Laut seinem Anwalt wurde Kilic vor der Erhebung der Anklage nicht angehört, so wie es üblich ist. Wegen Präsidentenbeleidigung drohten ihm in der Türkei zwischen einem und vier Jahren Haft, so sein Anwalt. Über die Anklage sei Kilic erst vor einem Monat informiert worden, eine Vorladung im Ermittlungsverfahren habe es nicht gegeben.

Deutsche Welle: Warum wussten Sie nichts von den Ermittlungen?

Memet Kilic: Nach den uns vorliegenden Informationen sollen die Ermittlungen im Jahr 2017 eröffnet worden sein. Dann gab es jedoch zwischen Ankara und Istanbul Uneinigkeiten über die Zuständigkeit für meinen Fall. Die Staatsanwaltschaft reichte dann schließlich beim 36. Strafgericht von Ankara eine Klage wegen Präsidentenbeleidigung ein und dann wurde der Termin für die Anhörung festgelegt. Das ist sowohl nach internationalem, als auch nach türkischem Recht kein legitimes Verfahren. Zumindest hätte eine Stellungnahme von mir eingeholt werden müssen. Das fand weder während der Ermittlungen noch während der Strafverfolgung statt. Zudem hätte man mich auch über die Adresse meiner Eltern über das Ermittlungsverfahren informieren können. Das ist aber nicht geschehen.

Werden sie bei ihrer Anhörung in der Türkei anwesend sein?

Bisher habe ich mich ehrlich gesagt noch nicht entschieden, ob ich zur Anhörung gehen soll. Mein Anwalt Veysel Ok hat mir davor klar abgeraten. Es gibt zwar keinen Haftbefehl, aber die Bedrohung bleibt. Er sagte mir, dass es nicht klar sei, ob wir die Türkei wieder verlassen können, wenn wir einmal eingereist sind. Ich würde also auf diese Weise mein Familienleben und meine Arbeit aufs Spiel setzen.

Was für Rückschlüsse ziehen sie aus dem Fall?

Meiner Meinung nach kann man drei Erkenntnisse aus meinem Fall gewinnen: Erstens, es ist erstaunlich, dass im türkischen Justizsystem bereits eine politische Diskussion als Beleidigung ausgelegt wird. Das ist der völlig falsche Weg.

Zweitens, mittlerweile werden nicht mehr nur Journalisten und Politiker aus der Türkei strafrechtlich verfolgt, sondern auch aktive Politiker im Ausland - es wird nun auch nach ausländischen Politikern mit türkischen Wurzeln gefahndet. Leider wird immer mehr klar, dass die türkische Justiz heutzutage ein Handlanger der türkischen Regierung ist. 

Drittens, und das ist für mich das wichtigste Erkenntnis: Die Regierungspartei AKP stirbt politisch aus. Dieser Todeskampf führt dazu, dass sie von links nach rechts schwankt und dabei unbewusst ihr eigenes Umfeld einreißt. In den folgenden Tagen werden sicher noch weitere Erkenntnisse öffentlich. 

Das Interview führte Hülya Topcu