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Es lebe der Unterschied

7. November 2009

Im Kölner Stadtteil Ehrenfeld wurde jetzt der Grundstein für die umstrittene Zentralmoschee gelegt. Der Sakralbau sorgt noch immer für Diskussionen – nicht nur unter Rechtspopulisten.

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Grundsteinlegung (Foto: AP)
Jahrelang wurde diskutiert - jetzt beginnt der Bau an der Kölner MoscheeBild: AP

Den Niedergang Kölns aufhalten will die Partei, die sich "Pro Köln" nennt. Die Rechtspopulisten hatten schon seit Wochen zum Protest gegen die Grundsteinlegung der Moschee im Stadtteil Ehrenfeld aufgerufen. Dem Aufruf folgten am Samstagmorgen (7.11.2009) aber nur ein paar Dutzend Demonstranten. Umkreist von deutlich mehr Polizei applaudieren sie bei nasskaltem Herbstwetter Rednern wie dem Elsässer Politiker Robert Spieler, der lautstark fordert: "Die Türken sollen wieder zurück in die Türkei gehen."

Die Türken selber bringt das nicht aus der Fassung. Unbeeindruckt lassen sie die Anfeindungen rechts liegen und ziehen direkt in das Fußballfeld große Festzelt, vorbei an der noch größeren Baugrube. Hier, wo sie 2011 die Eröffnung ihrer Moschee feiern wollen. Zur Grundsteinlegung sind zahlreiche Gäste gekommen: Mitglieder der muslimischen Gemeinde, Repräsentanten aus der Türkei, deutsche Politiker wie der neue Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters und sein Vorgänger Fritz Schramma, Vertreter der christlichen Kirchen. Erste Rednerin ist Ayşe Aydın. Als "historischen Prozess" bezeichnet sie den Bau der Moschee in Köln. Und ergänzt: "Ein historischer Prozess für uns."

Baugrube (Foto: AP)
2011 soll hier die Moschee stehenBild: AP

Offen, transparent, einladend

Ayşe Aydın ist Sprecherin der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, in Köln. In Ihrem Büro steht unter einer Glasscheibe ein zweimal zwei Meter großes Architektenmodell. Es zeigt, wie der Gebäudekomplex an der Venloer Straße einmal ausschauen und in die Umgebung einpassen soll. Der Gewinnerentwurf habe das, was viele andere nicht hatten, sagt sie: "Eine sehr klare Struktur die aussagt: offen, transparent, einladend und nicht abgeschlossen." Auch deshalb habe man sich für diesen Entwurf der Architekten Paul und Gottfried Böhm entschieden.

Er transportiere die Idee einer Einladung an alle Menschen. "Dort sind viele Komponenten, die mir über ihre Architektursprache sagen: Komm rein, sei willkommen, wage den Schritt, habe keine Angst." 2007 machte die Ditib die Pläne öffentlich, Kritiker formierten sich schnell, allen voran "Pro Köln". Die Partei schürte Ängste. Mit dem Gebetshaus der Muslime entstehe ein "Zufluchtsort für Extremisten". Zudem drohten Verkehrschaos, Parkplatznot und Lärmbelästigung - etwa durch stündliche Muezzin-Rufe.

Anspruch und Wirklichkeit 2009

Karl-Heinz Iffland ist seit mehr als 30 Jahren evangelischer Pfarrer in Ehrenfeld. Auch in seiner "Versöhnungskirche" wurde in den vergangenen zwei Jahren viel diskutiert, sagt er. Zum Beispiel darüber, dass neben Gebetsraum auch Flächen für Gewerbe und Handel entstehen. Der Basar soll etwa zehn Geschäftseinheiten fassen. Karl-Heinz Iffland sieht die Gefahr eines islamischen Ghettos. "Wenn eine Moschee immer mehr Rückzugsraum wird, sind Möglichkeiten verbaut." Die Möglichkeit, aufeinander zuzugehen.

Der Theologe hätte gerne, dass Christen und Muslime, Deutsche und Türken einander besser kennen lernen. Unter die Debatte um den Moscheebau wünscht er sich einen Schlussstrich. Die Bürger Kölns müssten lernen, nicht nur davon zu sprechen, eine weltoffene Stadt zu sein. "Die Menschen müssen auch akzeptieren, dass das dann gelebt wird. Und an dem Punkt sind wir jetzt 2009." Auch die Mitglieder seiner Gemeinde sähen das inzwischen so.

"Die Zuwanderer haben das Viertel positiv belebt"

Jede Glaubensgemeinschaft verdiene einen würdigen Versammlungsort, findet auch Günter Wallraff. Der Journalist wurde für seine Undercover-Reportagen berühmt. Anfang der 80er Jahre arbeitete er zwei Jahre lang als türkischer Gastarbeiter bei verschiedenen Unternehmen. Seit mehr Mitte der 60er Jahre lebt er in Ehrenfeld, im Schatten der geplanten Moschee. Der Stadtteil, in dem seine Großeltern noch eine Klavierfabrik führten, habe sich seitdem sehr verändert - zum Besseren. "Die Zuwanderer, die hier sind, haben das Viertel positiv belebt." Ehrenfeld sei ein Beispiel für gelungene Integration, sagt Günter Wallraff. Hier lebten Deutsche, Türken und Menschen anderer Nationalität friedlich mit- und nebeneinander. Auf die neue Moschee freut sich der Schriftsteller. "Ehrenfeld ist nicht gerade reich an Sehenswürdigkeiten."

Von der Moschee würden Viele profitieren: allen voran die muslimische Gemeinde, aber auch die Geschäftsleute, von den Touristen, die in Zukunft nicht mehr nur den Kölner Dom besichtigen würden. Die Debatte um Größe des Geländes und Höhe der Minarette hält der Schriftsteller für zweitrangig. Viel entscheidender sei, das was im Gebetshaus stattfindet. "Dass da auch Toleranz und nicht, eine Geschlechtertrennung abläuft, die unserem Grundgesetz widerspricht" Darauf solle die Öffentlichkeit achten.

Bei der Grundsteinlegung spricht der Ditib-Vorsitzende Sadi Arslan in seiner Rede von einer Brücke zwischen gestern und morgen und eine Investition in eine gemeinsame Zukunft. Vor der geplanten Moschee hetzt derweil noch immer Pro Köln. Islam sei ausschließlich Islamismus, so eine Parole. Nur noch die Polizisten hören zu, selbst die Gegendemonstranten sind inzwischen weg.

Autor: Michael Borgers

Redaktion: Manfred Götzke