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Thomas Manns Buddenbrooks im Kino

Das Interview führte Jochen Kürten16. Dezember 2008

Regisseur Heinrich Breloer hat sich an einen der größten Romane der Deutschen getraut: Thomas Manns Epos "Die Buddenbrooks". Zur Welturaufführung am 16. Dezember in Essen sprach Breloer mit der DW über seinen Film.

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Filmplakat zu den 'Buddenbrooks' mit Armin-Mueller-Stahl (r.) und Iris Berben
Filmplakat zu den 'Buddenbrooks' mit Armin-Mueller-Stahl (r.) und Iris Berben

DW-WORLD.DE: Herr Breloer, die "Buddenbrooks" beschäftigen Sie schon eine ganze Weile. Sie haben aber zunächst den Kinofilm von 1959 gesehen, bevor Sie das Buch gelesen haben!

Heinrich Breloer: Ja, das ist unvergeßlich, 1959, ich war in der Unterprima, unsere katholische Deutschlehrerin meinte, "Die Buddenbrooks" von Thomas Mann, so etwas lesen wir hier nicht. Das paßte nicht in die katholische Welt damals, dieser protestantische Freigeist Thomas Mann. Und dann lief der Film. Über den Film bin ich zum Buch gekommen, denn ich saß mit meinem Bruder im Kino und stellte fest: das ist meine Geschichte! Ich war der Sohn eines Mehlgroßhändlers, der in die Fußstapfen seines Vaters treten sollte, der wollte aber gar nicht, der kannte diese Härte nicht, die der Vater gezeigt hat, genau wie beim Thomas und beim Christian. Also, über den Film habe ich das Buch gelesen und eine Kette von Ereignissen bewirkte, dass ich mich ein Leben lang mit Thomas Mann beschäftigt habe.

Die Schauspieler Armin Mueller-Stahl (l.) und Iris Berben während des Drehs (Foto: dpa)
Die Schauspieler Armin Mueller-Stahl und Iris Berben während des DrehsBild: picture-alliance/ dpa

Theaterregisseure greifen bei der Inszenierung von alten Stücken oft zu modernen "Mätzchen". Hatten Sie auch mal die Idee, "Die Buddenbrooks" zu modernisieren oder haben Sie immer gesagt, der Stoff trägt auch über Jahrzehnte?

Er trägt über Jahrzehnte. So hat es ein Kritiker im Jahre 1902 gesagt, als das Buch erschien, es wird viele Leser finden, das Buch wird wachsen. Man kann bei einem so genialen Kunstwerk immer damit rechnen, dass es nie ausgelesen ist. Jede Generation wird sich und Anderes und Neues darin finden. Und ich habe sehr früh daran geglaubt, dass - wenn wir es in der historischen Distanziertheit lassen, in der Abstraktion mit Kostüm und Maske und Hansestadt - wir unsere Probleme um so leichter wieder erkennen, als wenn wir es in der Gegenwart spielen lassen.

In dem Buch geht es ja nicht nur um eine Familiengeschichte, sondern auch um das Thema Wirtschaft!

Ich habe die Wirtschaftsgeschichte in den Vordergrund gestellt und habe daran auch einen Teil der Aktualität gezeigt. Es war ja verwunderlich, dass ich vor Tagen im Radio die Sätze aus dem Drehbuch gehört habe, die ich vor drei Jahren geschrieben habe. "Faule Kredite, wir brauchen frisches Geld, lassen Sie mich nicht fallen, prolongieren Sie, ich zahle Ihnen morgen 20 Prozent". Das sind ja die Gespräche, die unter den Banken gerade hin und her gingen. Und der Betrüger Grünlich im Roman und sein betrügerischer Bankier Kesselmeier wirken wie die Lehman Brothers, die den Konsul mit gefälschten Büchern reingelegt haben, so dass der zu Grunde geht an dieser Welt.

Gruppenbild der Darsteller mit Regisseur
Gruppenbild mit Regisseur

Er hatte doch den Spruch seines Vaters weitergelebt "Sohn sei mit Lust bei den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, dass wir bei Nacht gut schlafen können". Dieser gute alte deutsche Handelsspruch, den unsere Banker und auch viele andere nicht mehr im Hause hängen hatten, hat uns ja auch in diese Krise geführt. Ich bin der Meinung, dass der Staat und Frau Merkel, die jetzt den deutschen Banken aushelfen, der Commerzbank und der Deutschen Bank, diesen alten Buddenbrook-Spruch dem Ackerman ins Foyer hängen sollten.

Es ist aber nicht nur ein Film über Wirtschaft, sondern auch ein Film über Liebe, wenn man die ersten Ausschnitte sieht, es sind auch rauschende Kinobilder, hatten Sie da Vorbilder in der Filmgeschichte? Bei dem Ball denkt man ja gleich an Luchino Viscontis "Der Leopard"!

Heinrich Breloer (Foto: DW-TV)
Heinrich Breloer

Wir haben versucht, die Stimmung des 19. Jahrhunderts, die der großen Bälle, der schönen Männer und Frauen, die dort auch einen Heiratsmarkt hatten, bei den "Buddenbrooks" vor allem mit den Kostümen nachzustellen. Wir haben Kostüme gefunden, in einer Garage aus der Zeit des "Leoparden", die haben wir gekauft und daraus Kleider gemacht. So sind wir schon unterwegs gewesen, um ein paar Verbindungslinien zu unseren großen bewunderten Vorbildern zu ziehen. Es ist eben auch ein Buch oder ein Film über das, woran wir Erfolg haben, womit wir glücklich sind, wovon wir leben, woran wir scheitern und was uns umbringt. Es ist ein Film über Menschen, über Erfolg und Untergang.