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Grippemittel im Höhenflug

Andreas Leixnering19. Oktober 2005

Die Vogelgrippe hält Europa in Atem. Der Pharma-Industrie beschert die Angst vor einer Ansteckung hohe Umsätze. Obwohl ihre Medikamente gar nicht für die Tierseuche konzipiert sind.

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Das Grippemittel Tamiflu - zurzeit Verkaufshit des Pharma-Konzerns RocheBild: picture-alliance/dpa

Als der Schweizer Pharma-Konzern Roche 1999 sein Grippe-Medikament Tamiflu auf den Markt brachte, war der Absatz bescheiden. Wer mit der tückischen Krankheit im Bett lag, half sich meist weiterhin mit Kräutertee und Aspirin. Mit 39 Millionen Euro war der Tamiflu-Umsatz im Jahr der Markteinführung nicht mehr als ein nettes Zubrot für den Arznei-Riesen. Aber seit zwei Jahren geht der Virenhemmer weg wie warme Semmeln. In den ersten neun Monaten des Jahres 2005 stieg der Verkauf von Tamiflu um 263 Prozent auf rund 553 Millionen Euro. Auch der britische Pharma-Konkurrent Glaxo Smith Kline profitiert von der Sorge vor einer Grippe-Pandemie, das heißt einer weltweiten Epidemie. Auch wenn sein Medikament Relenza inhaliert werden muss und deshalb nicht ganz so populär ist.

Grippemittel gegen Tierseuche?

Glaxo-Verwaltung Großbritannien GlaxoSmithKline
Die Glaxo-Smith-Kline-Zentrale: Zusammen mit Roche haben die Briten das Monopol auf GrippemittelBild: dpa

Ihre enormen Absatzsteigerungen verdanken die zwei Unternehmen nicht zuletzt der Panik vor einer Ausbreitung der Vogelgrippe. Am Dienstag (18.10.2005) stoppte das Internet-Aktionshaus Ebay eine Versteigerung von Tamiflu wegen des verbotenen Handels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Angebote waren da bereits über das Dreifache des Apotheken-Preises geklettert, der für Privatpersonen sonst zwischen 36 und 44 Euro liegt.

Die aggressive Variante der Vogelgrippe, H5N1, hat an sich nichts mit einer herkömmlichen Influenza zu tun. Dennoch sind Tamiflu und Relenza die einzigen akuten Grippe-Mittel, die die Weltgesundheitsorganisation WHO als mögliche Therapie bei einer Infektion anrät, angesichts fehlender Impfstoffe: "Bei Menschen, die sich mit H5N1 infiziert haben, könnten die Medikamente die Überlebenschancen verbessern", heißt es vorsichtig auf der WHO-Internetseite.

World Health Organization - WHO, Logo
Die WHO empfiehlt Grippe-Arzneien auf Vorrat zu kaufenBild: AP

Bereits im August 2004 legte die WHO den Regierungen weltweit deshalb Vorratskäufe ans Herz. Und die haben die Botschaft vernommen. Nach Angaben des Roche-Konzerns wollen inzwischen 40 Länder bei den Schweizern Tabletten ordern. Die deutschen Bundesländer haben über acht Millionen Einheiten Tamiflu und Relenza bestellt. Das reicht für zehn Prozent der Bevölkerung. Die WHO empfiehlt Medikamente für ein Viertel der Bürger. Aber mehr war wegen der beschränkten Produktionskapazitäten der beiden Pharma-Firmen nicht drin. Inzwischen gibt es sogar Konflikte zwischen EU-Staaten. Einige Regierungen befürchten einen Mangel an Grippemitteln, weil andere bereits den Bestand leer geräumt hätten, wie EU-Verbraucherminister Makros Kyprianou berichtet.

Expansion, ja – Lizenzweitergabe, ungern

"Mehr und schneller produzieren!", lautet deshalb der Appell an die Hersteller. Eine Forderung, die sie sich gerne gefallen lassen. Am Dienstag (18.10.2005) sagte Roche den Bau einer weiteren Tamiflu-Produktionsstätte in den USA zu, über ein Dutzend gebe es bereits. Glaxo Smith Kline arbeitet bereits an einem Impfstoff gegen die Vogelgrippe.

Auf weniger Begeisterung stößt die Forderung, anderen Unternehmen die Herstellung ähnlicher Produkte, so genannter Generika, zu erlauben. Nach früheren Verweisen auf die lange Entwicklungsdauer und Produktionszeit von Tamiflu hat Roche jetzt scheinbar klein bei gegeben. Die Schweizer wollen mit Regierungen und Privatunternehmen über die Vergabe von Sublizenzen verhandeln - allerdings erst im Falle einer Vogelgrippe-Pandemie.