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Journalisten machen Wahlkampf

Jannis Papadimitriou22. Januar 2015

Über 50 zum Teil namhafte Journalisten kandidieren bei den griechischen Parlamentswahlen am kommenden Sonntag. Das zeigt eine traditionell starke Verzahnung von Medien und Politik.

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Griechenland Wahlen Januar 2015 Nea Dimokratia Griechenland Wahlen Januar 2015 (Foto: REUTERS/Marko Djurica )
Bild: Reuters/M. Djurica

Wie ein "Who Is Who" des griechischen Journalismus lesen sich die Kandidatenlisten bei dieser Wahl: Jannis Michelakis, einst Chef des populärsten Fernsehsenders "Antenna", engagiert sich bei der konservativen Regierungspartei "Neue Demokratie" und hat es schon mal bis zum Innenminister gebracht. Nikos Xydakis, der vielleicht beste Feuilletonist griechischer Sprache, kandidiert für die Linkspartei Syriza. Pantelis Kapsis, einst Chef der auflagenstärksten Athener Zeitung "Ta Nea", zog es zur sozialdemokratischen PASOK. Top-Moderator Terence Quick gibt den Ton bei den Rechtspopulisten an, während der engagierte Kriegsreporter Jannis Kanellakis seine politische Heimat in der sozialistischen Splitterpartei von Ex-Regierungschef Papandreou findet.

Betreiben sie Politik aus Leidenschaft oder Drehtür-Journalismus als Karrieresprungbrett? Eindeutig ersteres, erklärt Maria Antoniadou, Vorsitzende der größten Journalistengewerkschaft ESIEA, im Gespräch mit der DW. "Traditionell zeigen die Journalisten in Griechenland ein hohes Maß an politischem Engagement, das ist verankert in unserer Mentalität", weiß Antoniadou. Gleichgültigkeit gegenüber dem Gemeinwesen sei verpönt. Das sei vergleichbar mit der Stellung der Journalisten in Frankreich: Auch dort verstehe sich der Medienvertreter als streitbarer Meinungsmacher, der Stellung beziehen müsse und nicht als stiller Beobachter im Hintergrund stehe. Sie selber ist ein gutes Beispiel: Die resolute Medienmacherin hat sich einen Namen als Kirchenreporterin gemacht, bevor sie 2013 als erste Frau an die Spitze der Journalistengewerkschaft gewählt wurde.

Griechenland, Pressestand (Foto:Thanassis Stavrakis/AP/dapd)
In Griechenland verstehen sich Medienvertreter als streitbarer MeinungsmacherBild: dapd

Gepflegt wird diese Kultur des Sich-Eimischens auch in der eigenen Gewerkschaft, die ihr hundertjähriges Bestehen feiert und Höhepunkte des politischen Engagements geradezu zelebriert. "Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir gedenken heute noch des Mutes, den unser damaliger Gewerkschaftsvorsitzender hatte, als er im Zweiten Weltkrieg öffentlich und gemeinsam mit dem orthodoxen Erzbischof Damaschinos gegen die Judenverfolgung protestierte", erläutert Antoniadou.

Politik stützt Medienunternehmen

Ist gesellschaftliches Engagement also der einzige Grund für Journalisten, in die Politik zu wechseln? Giorgos Plios, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Athen, vertritt eine differenzierte Auffassung: In Griechenland finde die politische Auseinandersetzung fast ausschließlich über die Medien statt und das sei eben der wichtigste Grund dafür, dass Journalisten oft die Seiten wechselten, sagt er im DW-Gespräch. Davon hätten letztlich beide Seiten etwas: "Wenn Top-Journalisten für das Parlament kandidieren, profitieren sie selbst von ihrer überregionalen Bekanntheit. Und die Politiker, die sie aufgestellt haben, profitieren gleich mit, da ihre Partei insgesamt mehr Stimmen bekommt."

Griechenland Staatsfernsehen (Foto: dpa/EDT EPA/ORESTIS PANAGIOTOU)
Medien als die Bühne für politische AuseinandersetzungenBild: picture-alliance/dpa

Zudem sei die Verflechtung zwischen Medien und Politik in Griechenland insgesamt stark. Schließlich überlebten sämtliche Medien dank staatlicher Werbung oder günstiger Kredite, für die letzten Endes auch die Politik bürgt. Natürlich sei diese Verflechtung nicht nur in Griechenland, sondern im ganzen südlichen Europa der Fall, klagt Plios, der über Berufsethik des Journalismus forscht. Er schlägt eine Karenzzeit für Journalisten vor, die den Beruf verlassen wollen; innerhalb dieser Übergangszeit dürften sie dann keine politische Tätigkeit aufnehmen, erläutert der Medienexperte. Er sagt aber auch: "Ich befürchte, dass dieser Vorschlag nicht realistisch ist, wir sind wohl weit davon entfernt."

"Kein Zurück mehr nach dem Seitenwechsel"

Ein geläufiger Spruch unter Medienprofis in Griechenland besagt: "Der Journalismus bringt dich überall hin, vorausgesetzt du verlässt ihn rechtzeitig." Freilich gilt diese Lebensphilosophie nur für Pressevertreter, die ihren Beruf als Sprungbrett sehen. Aber was treibt diese Menschen an? "Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass Journalisten im Auftrag einer politischen Partei handeln", betont Plios. Üblicherweise träten die Parteien auf der Suche nach bekannten Gesichtern an die Journalisten heran. Das Ganze bekäme einen Beigeschmack nach Filz vor allem dann, wenn ein Journalist jahrelang nur über eine bestimmte Partei berichtet, das Vertrauen der Zuhörer oder Zuschauer gewinnt und bei der Parlamentswahl dann ausgerechnet für diese Partei kandidiert.

Doch der Seitenwechsel kann sich durchaus rächen, warnt der Professor. "Wer einmal unter einer Decke mit der Politik steckt, hat seine Glaubwürdigkeit beschädigt. Viele Ex-Journalisten haben nach ihrem Wechsel in die Politik irgendwann mal versucht, erneut durch die Drehtür zu gehen und journalistisch zu arbeiten. Es hat noch nie geklappt."