1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Tsipras: Alles wird gut

Jannis Papadimitriou22. Mai 2016

Vor der Verabschiedung eines neuen Sparpakets zeigt sich Griechenlands Premierminister Tsipras demonstrativ hoffnungsvoll. Athen beschwört die Rückkehr an die Finanzmärkte. Ökonomen hingegen fürchten eine Rezession.

https://p.dw.com/p/1Is0M
Alexis Tsipras (Foto: REUTERS/ Francois Lenoir)
Bild: Reuters/F. Lenoir

Kaum hat Regierungschef Alexis Tsipras eine schmerzhafte Rentenreform verabschiedet, kommen schon weitere Lasten auf die Griechen zu: Rechtzeitig vor dem Euro-Finanzminister-Treffen am 24. Mai werden die Volksvertreter in Athen am Sonntag über weitere Steuererhöhungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro abstimmen. Laut Gesetzesentwurf soll die Mehrwertsteuer in Hellas auf 24 Prozent steigen; dazu kommen Sondersteuern auf Tabak, Zigaretten, Diesel, Heizöl, Kaffee, Bier, Pay-TV, Festnetz-Telefonanschlüsse und Hotelübernachtungen.

"Wir kriegen keine Luft", protestierte neulich die auflagenstärkste Athener Zeitung "Ta Nea". Da wollte Tsipras demonstrativ Zuversicht verbreiten: "Wenn wir am 24. Mai das erreichen, was wir vorhaben, dann kommen wir 2017 auf die Märkte zurück", versicherte der Linkspolitiker im Interview mit dem Wochenblatt "Real News".

Hohe Steuern, wachsende Schwarzarbeit

Was Tsipras für Dienstag "vorhat", ist eine Umschuldung für Griechenland oder zumindest die ausdrückliche Zusage von Schuldenerleichterungen - in Form von Stundungen, Zinssenkungen oder deutlich längeren Kreditlaufzeiten. Ob das krisengeplagte Land in diesem Fall tatsächlich an die Märkte zurückkehren könnte?

Demo in Athen gegen die Rentenreform (Foto: Reuters/A. Konstantinidis)
Schmerzhafte Einschnitte - Proteste gegen die Rentenreform der RegierungBild: Reuters/A. Konstantinidis

Für Panagiotis Petrakis, Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen, wäre das durchaus möglich, aber keine leichte Übung. "Dafür spricht, dass Griechenland immerhin schon einmal, im April 2014, nach vierjähriger Abstinenz an die Kapitalmärkte zurückkehrte und dann Papiere mit einer Rendite von knapp fünf Prozent versteigern konnte", stellt Petrakis fest.

Unbestritten sei auch, dass Griechenland seit Ausbruch der Schuldenkrise bei der Haushaltssanierung Fortschritte verzeichnet und vor allem sein Defizit deutlich verringert habe. Andererseits: Die politischen Verwicklungen der vergangenen zwei Jahre hätten das Land zurückgeworfen und für Unsicherheit gesorgt.

Und noch eine Gefahr sieht der Ökonom im Gespräch mit der DW: "Die neulich beschlossenen Steuererhöhungen sind derart drastisch, dass sie mitunter als Anreiz zur Schwarzarbeit wahrgenommen werden. Ich merke doch selbst, dass ich in Restaurants nicht mehr so oft einen Beleg bekomme."

Weiter in die Rezession?

Die politische Unsicherheit im Land bremst auch das Wachstumspotential. "Jeder ernsthafte Investor braucht eine fünf- bis zehnjährige Anlaufzeit, damit sein Kapital und seine Investition Früchte tragen. Doch in Griechenland kann man derzeit kaum längerfristig als für die nächsten drei Monate planen", klagt der Wirtschaftsanalyst Kostas Stoupas. Nicht zuletzt aus diesem Grund seien finanzkräftige Investoren nur in Geschäftsfeldern mit natürlichem Monopolcharakter tätig - etwa bei Häfen und Flughäfen.

Parlament in Athen (Foto: picture-alliance/dpa/W.Aswestopoulos)
Bei der Abstimmung über Steuererhöhungen am Sonntag wird im Parlament eine heftige Diskussion erwartetBild: picture-alliance/dpa/W.Aswestopoulos

Auf die Wirtschaft wirken auch die jüngsten Steuererhöhungen in Gesamthöhe von 5,4 Milliarden Euro wie ein Dämpfer. Durch sie könnte die griechische Wirtschaftsleistung um bis zu drei Prozent einknicken, mahnt Stoupas im Athener Wirtschaftsportal "Capital.gr". Zwar würden die Kreditinstitute in Hellas einen Teil ihrer möglichen Verluste durch Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) abfedern, doch diese Hilfen reichten kaum aus, um die Rezession zu bekämpfen, erläutert der Ökonom.

Allen Bedenken zum Trotz reiht sich auch der Wirtschaftsminister Jorgos Stathakis in den Chor der regierenden Optimisten ein. Die Regierung arbeite an einer Perspektive zur Lockerung der im Sommer 2015 eingeführten Kapitalverkehrskontrollen - so seine Zusicherung. Details wollte der Ökonom nicht verraten.

In der Vergangenheit lag Stathakis jedenfalls nicht immer richtig mit seinen ermutigenden Prognosen: Schon im vergangenen Juli versuchte er, die griechischen Anleger mit der Zusicherung zu beruhigen, Kapitalkontrollen würden möglicherweise innerhalb von zwei Monaten aufgehoben. Daraus wurde nichts.

Notwendige Kapitalkontrollen

"Auch wenn alles nach Plan läuft und die lang ersehnte Umschuldung zustande kommt, brauchen die Anleger doch ihre Zeit, um das nötige Vertrauen in die Regierung und in die Zukunft der griechischen Wirtschaft wieder herzustellen", urteilt Petrakis skeptisch. "Dieses Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen ihre Ersparnisse zurück aufs Bankkonto bringen." Erst danach sei eine Aufhebung der Kapitalverkehrskontrollen möglich.

Da krisenbedingt immer weniger Geld im Umlauf sei, kämen selbst im Idealfall nicht mehr als zehn oder zwanzig Milliarden Euro in die heimischen Banken zurück, gibt der Ökonom zu bedenken. Doch selbst diese Summe wäre ein enorm wichtiges Signal für die Wirtschaft und ein Zeichen des Vertrauens.

Als Beispiel diene Zypern: Dort seien die 2013 eingeführten Kapitalkontrollen erst aufgehoben worden, nachdem die Überprüfung der Reformfortschritte durch die Geldgeber erfolgreich abgeschlossen worden war, und die Bevölkerung ihre zurückgelegten Ersparnisse wieder den Banken anvertrauten, sagt Petrakis.

Griechenland: Der Hafen von Piräus (Foto: Milos Bicanski/Getty Images)
Im Zuge der Privatisierung wurde der Hafen von Piräus an einen chinesischen Investor verkauftBild: Getty Images/M. Bicanski

In diesem Sinne äußerte sich auch der Zentralbank-Präsident Jannis Stournaras: Kapitalkontrollen in Hellas würden erst aufgehoben, wenn die Einleger ihre Ersparnisse zurück aufs Bankkonto bringen, erklärte der Notenbankchef kürzlich bei einer Anhörung im Parlament. Eine verfahrene Situation, wenn man bedenkt, dass die Einleger genau anders herum denken: Sie erwarten, dass Kapitalkontrollen aufgehoben werden, bevor sie ihr Geld zurück aufs Konto bringen.