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Griechenland: Offshore-Gas statt Green-Energy-Projekte?

Kaki Bali (aus Athen)
3. Februar 2025

Die griechische Regierung revidiert ihre Energiepolitik des grünen Wandels und setzt auf die Förderung von Offshore-Gas im Ionischen Meer. Die dortigen Vorkommen sollen US-Firmen ausbeuten. Wie realistisch ist der Plan?

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Zu sehen sind gelbe Metallrohre, an denen Stellräder angebracht sind
Griechenland ist bereits Transitland für Gas aus Aserbaidschan: Hier die Verdichterstation im Kipoi, die zur Transadriatischen Gaspipeline TAP gehörtBild: Trans Adriatic Pipeline

Griechenland solle "eine führende Rolle auf dem globalen Energiemarkt spielen und in den kommenden Jahren zu einer dynamischen Exportwirtschaft im Energiesektor werden", meint Premierminister Kyriakos Mitsotakis, auch wenn dies die Gasförderung in den blauen Gewässern des Ionischen Meeres erfordert. Deshalb äußerte er am Sonntag, dem 26.01.2025, in seinem wöchentlichen Facebook-Post seine große Freude über das Interesse des US-amerikanischen Unternehmens Chevron, im Seegebiet südwestlich des Peloponnes nach Erdgas zu suchen. Fünf Jahre zuvor hatte ExxonMobil ein ähnliches Interesse gezeigt und eine Lizenz für erste Erkundungsbohrungen erworben.

Vorläufigen Schätzungen zufolge gibt es in dem Gebiet südwestlich des Peloponnes bis südlich von Kreta so viel Gas unter dem Meeresgrund wie im Offshore-Gasfeld Zor in Ägypten. Nach einer Studie des Energieinstituts für Südosteuropa verfügt dieses Gebiet potenziell über Erdgasreserven von zwei bis 2,5 Billionen Kubikmeter, genug, um 15 Prozent des EU-Jahresverbrauchs zu decken. Das stößt auf Interesse amerikanischer Ölgiganten. Und ihr Interesse ist größer geworden, seitdem Donald Trump wieder US-Präsident ist und sein Mantra "Drill, baby, drill!" offenbar andere Regierungschefs angesteckt hat - etwa Kyriakos Mitsotakis.

Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich Griechenlands Premier noch mit aller Kraft für eine Energiewende in seinem Land eingesetzt. In einer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2019, betonte er die enorme Bedeutung des Übergangs zur grünen Energien für Europa und Griechenland - und kündigte die Schließung der griechischen Braunkohlekraftwerke bis 2028 an. Ziel sei, so Mitsotakis damals, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromerzeugungsmix des Landes bis 2030 auf über 90 Prozent zu erhöhen. Auf der internationalen Ozean-Konferenz im vergangenen Jahr schloss er sogar jede neue Konzession für Öl- und Gas-Erkundung aus.

Aber dann wurde zum einen klar, dass die Energiekrise mit ihren steigenden Strom- und Gaspreisen länger dauern wird. Zum anderen gewann Trump die US-Präsidentschaftswahl. Der griechische Regierungschef begann seither, seine früheren offiziellen Erklärungen, der grüne Wandel sei eine Einbahnstraße, schrittweise zu revidieren. Mittlerweile ist er zum Befürworter von Erdgas mutiert - und die griechische Regierung ist bereit, immer mehr Lizenzen für Erkundungsbohrungen zu vergeben, am liebsten an amerikanische Ölkonzerne, so dass auch Donald Trump zufrieden gestellt wird. Symbolisch nicht unwichtig ist, dass Athen das Interesse von Chevron ausgerechnet am Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten offiziell verkündete.

Umweltschützer kritisieren Doppelmoral

Griechische Umweltorganisationen reagierten mit Kritik: Der zuvor proklamierte grüne Wandel sei nicht mit dem Tiefseebergbau vereinbar. "Das überstürzte Interesse des Ölgiganten Chevron, die Kohlenwasserstoffförderung in Griechenland fortzusetzen, in Verbindung mit der sofortigen positiven Reaktion Athens zeigt bestenfalls eine Doppelmoral der Regierung, die sich selbst als grün und als Vorreiter des grünen Übergangs präsentiert", kritisierte beispielsweise die griechische Sektion des World Wildlife Fund (WWF).

Frauen in traditionellen griechischen Trachten halten Banner, auf denen auf Englisch "Warum ein Paradies in eine Hölle verwandeln" und andere Parolen stehen
Protest gegen Gasförder-Pläne vor dem griechischen Parlament in Athen im Mai 2020Bild: Petros Giannakouris/AP Photo/picture alliance

Dazu kommen die Sorgen der Menschen in der von den Vorhaben betroffenen Region, die hauptsächlich vom Tourismus und der Fischerei leben, vor einer Umweltkatastrophe. Schon früher hatten sie sich gegen Bohrungen gewehrt. Möglicherweise werden sie versuchen, eine vorübergehende Einstellung der entsprechenden Vorarbeiten gerichtlich zu erzwingen.

Ministerin verspricht Risikofreiheit

Die zuständige Staatsministerin für Umwelt und Energie, Alexandra Sdoukou, versuchte, direkt Betroffene im Voraus zu beruhigen. Im öffentlichen Fernsehen ERT behaupte sie, dass "Unternehmen mit einer solche langjährigen weltweiten Erfahrung niemals riskieren würden, Verfahren zur Kohlenwasserstoffgewinnung auszuprobieren, bei denen auch nur das geringste Risiko eines Auslaufens ins Meer besteht, was zu einer großen Umweltkatastrophe führen würde".

Eine junge Frau in einer weißen Bluse sitzt an einem Tisch und blickt in die Kamera, vor ihr steht ein Glas Wasser, hinter ihr an der Wand sind die Fahnen Griechenlands und der EU zu erkennen
Alexandra Sdoukou ist Griechenlands Staatsministerin für Umwelt und Energie Bild: Giannis Panagopoulos/ANE Edition/IMAGO

Die Ministerin betonte ihr großes Vertrauen in Chevron und andere Öl- und Gas-Konzerne - und dass Umweltschutz das Wichtigste für ihre Regierung sei. Zudem verfüge ihr Ministerium über Kontrollmechanismen. "Da die Kohlenwasserstoffgewinnung mit anderen Aktivitäten wie der Fischerei oder dem Tourismus koexistiert, ist es offensichtlich, dass wir unsere Augen hundertmal offener halten müssen, um sicherzustellen, dass dies funktioniert", versprach Sdoukou.

Frühestens in zehn Jahren

Die Bürgerinnen und Bürger in Griechenland haben indes kein großes Vertrauen in die staatlichen Kontrollmechanismen. Allerdings glauben viele auch nicht, dass das Bohren im Ionischen Meer bald beginnt. Zu Recht, wie Harry Tzimitras vom unabhängigen Recherchedienst PRIO Cyprus Centre (PCC)der DW erklärt. Der Experte für Konfliktlösung, Energiesicherheit und Geopolitik ist davon überzeugt, dass - wenn überhaupt - frühestens in zehn Jahren gebohrt wird, weil die Ölgesellschaften erst entscheiden müssen, ob es sich auch wirklich lohnt.

Aus dem schäumenden Meer ragen zwei Delphinschnauzen auf
Vor den griechischen Inseln sind Delfine zuhause, ihr Lebensraum könnte von Offshore-Bohrungen bedroht seinBild: Aris Messinis/AFP

Zuerst müssen Erkundungsbohrungen herausfinden, wie viel Gas es tatsächlich gibt. Zweitens müssen für diese Gasvorräte Käufer gefunden werden - denn keine Ölgesellschaft tätigt gewaltige Investitionen, bevor sie Verträge mit zukünftigen Abnehmern abgeschlossen hat. Drittens müssen Banken davon überzeugt werden, das für die Bohrungen nötige Geld zu investieren. Laut Tzimitras, bringen die Ölgesellschaften maximal 30 Prozent des Investitionskapitals ein, den Rest steuern Banken bei.

"Falls Chevron und Co. sich entscheiden, im Ionischen Meer zu bohren und falls die Menschen in der Region nicht erfolgreich dagegen klagen, sprechen wir über einen Zeithorizont von zehn Jahren," so der Fachmann. Heute jedoch wisse niemand, welche Zustände im Jahr 2035 politisch, wirtschaftlich und ökologisch herrschen werden.

Tzimitras erinnert daran, dass Ölgesellschaften zwar seit 2011 Interesse für Bohrungen in und um Griechenland und Zypern bekunden - aber bisher kein einziger Tropfen Gas an die Oberfläche gebracht wurde.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland