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Politik

Griechenland: Bierbrauen gegen die Krise

Florian Schmitz Thessaloniki
4. August 2017

Hohe Steuern, Bürokratie, Krisenstimmung: Davon lassen sich junge griechische Bierbrauer wie Nikos Roidos nicht entmutigen. In Griechenland wird Craft-Bier aus Mikrobrauereien immer beliebter.

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Griechenland, Ladenbesitzer wie Jannis Sisis (rechts) schätzen Nikos Roidos' Craft-Bier und freuen sich über das wachsende Interesse der Kunden
Nikos Roidos (links) mit einem Ladenbesitzer, der sein Craft-Bier sehr schätzt Bild: DW/F.Schmidt

Wenn Nikos Roidos durch die vielen Feinkost- und Weinläden von Thessaloniki streift, gibt es kaum jemanden, der ihn nicht beim Namen kennt. Der 32-Jährige ist einer der vier Gründer von Ali-Bier, der ersten Mikrobrauerei der griechischen Großstadt. "Wir waren immer interessierte Konsumenten, haben aber früher nie ans professionelle Bierbrauen gedacht", erklärt er. Sein Handy klingelt immer wieder. Für Bierbrauer ist jetzt Hauptsaison, entschuldigt er sich: "Wir liefern selbst aus. Gerade jetzt, wo auch die Beachbars in den Urlaubsgebieten voll sind, arbeiten wir rund um die Uhr." In Zeiten, in denen griechische Einzelhändler mit der schwachen Binnenkonjunktur zu kämpfen haben, gehören Nikos Roidos und seine Freunde zu den wenigen, die sich mit einem neuen Produkt auf dem Markt behaupten können.      

Knapp 40 Mikrobrauereien konkurrieren in Griechenland mit den drei Marktführern Alfa, Mythos und Fix - griechischen Biersorten, die schon seit Jahren in der Hand internationaler Konzerne sind. Trotz der schwierigen Marktsituation steigt die Nachfrage nach neuen griechischen Bieren. Auch deshalb hat sich Nikos Roidos nach einem Auslandsstudium dazu entschieden, in die krisengebeutelte Heimat zurückzukehren.      

Griechenland, Für junge Bierbrauer spielen Design und Marketing eine entscheidende Rolle.
Für die jungen griechischen Bierbrauer spielen Design und Marketing eine entscheidende Rolle Bild: DW/F.Schmidt

Ali-Bier hat sich zu einem der beliebtesten Craft-Biere Thessalonikis entwickelt: Fast alle Wein- und Spirituosenläden führen es in ihrem Sortiment. Hinzu kommen zahlreiche Kneipen, Bars und Supermärkte. "Wir haben alle in den Niederlanden studiert und dort entdeckt, dass Bier ein sehr vielseitiges Getränk ist", sagt Nikos Roidos. "Dann hat sich die Idee entwickelt, ein eigenes Bier für den griechischen Markt zu brauen." Zunächst sei es schwierig gewesen, an das nötige Geld zu kommen. Erst mit einer Kombination aus viel Eigenkapital und europäischen Fördergeldern habe sich nach langem Suchen eine Bank dazu bereit erklärt, den jungen Bierbrauern einen Startkredit zu gewähren.   

Das zermürbende Warten auf amtliche Genehmigungen

Wie alle Unternehmer in Griechenland musste sich auch Nikos Roidos durch den griechischen Verwaltungsdschungel kämpfen. "2012 haben wir die Brauerei gekauft. Dann mussten wir auf die amtlichen Genehmigungen warten. Das erste Bier haben deshalb erst 2015 gebraut. Auf den laufenden Kosten bleibt man dann als Unternehmer sitzen und das können sich die Wenigsten leisten", beklagt er. Erst im letzten Jahr hätten er und seine Freunde mit ihrem Produkt überhaupt Geld verdient - trotz der hohen Nachfrage. Dabei ist es nicht nur der hohe Verwaltungsaufwand, der gerade kleinen Unternehmen zu schaffen macht, sondern auch die hohe Steuerlast. Erst 2016 hatte die griechische Regierung nach den Verhandlungen mit der Troika die Verbrauchsteuer auf Kaffee, Zigaretten und Alkohol deutlich erhöht.  

Dass Griechenland die vierthöchste Alkoholsteuer in ganz Europa habe, sei nicht einmal das Hauptproblem, meint Sofoklis Panagiotou, Besitzer der kleinen Brauerei Septem und stellvertretender Vorsitzender des Griechischen Brauereiverbandes EEZ. Seine Biersorten sind inzwischen auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und gewinnen Preise auf renommierten Wettbewerben. "Vor allem die hohe Unternehmenssteuer und die Pflichtversicherung für unsere Mitarbeiter machen uns zu schaffen. Allein dafür werden fast 27 Prozent des Profits fällig", sagt er. Auch habe die Regierung eine Solidaritätssteuer eingeführt, die zusätzliche Kosten verursache: "Darunter leiden natürlich alle, aber je kleiner das Unternehmen ist, desto größer die Last."

Impulse aus anderen europäischen Ländern 

Trotz all dieser Probleme verzeichnet der Einzelhandel ein wachsendes Interesse an neuen Biersorten. Das merkt auch Elina Petrou. Sie besitzt den Wein- und Spirituosenladen En Olo in Thessaloniki. Bewusst führt sie fast ausschließlich Produkte griechischer Hersteller: "Regionale Produkte in Griechenland sind sehr hochwertig. Hinzu kommt, dass sich während der Krise ein neues Bewusstsein entwickelt hat. Die Kunden schätzen es, wenn sich junge Unternehmer dazu entscheiden, Griechenland nicht den Rücken zu kehren, sondern Produkte für den heimischen Markt entwickeln."

Griechenland, Elina Petrous Kunden unterstützen bewusst Produkte von griechischen Produzenten.
Elina Petrou: Die Kunden unterstützen bewusst griechische Produkte Bild: DW/F.Schmidt

Dabei seien die neuen Biersorten Teil eines Trends, der sich durch das gesamte Feinkostsegment ziehe: "Die neuen Produkte basieren auf traditionellen Ideen und Rezepturen, sind dabei aber inspiriert von Geschmäckern und Herstellungsverfahren aus dem Ausland." Dies liege vor allem am engen Kontakt junger Griechen zu anderen europäischen Ländern. Dort lernen sie außerdem moderne Formen von Marketing und Unternehmensführung kennen. "Leider scheitern viele trotz guter Ideen und der richtigen Herangehensweise an den Finanz- oder Verwaltungshürden", bedauert Petrou. Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, hält sie für unwahrscheinlich.  

Porträt eines Mannes mit braunen Haaren und Bart
Florian Schmitz Reporter mit Schwerpunkt Griechenland