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Griechen nehmen vorletzte Hürde

Bernd Riegert25. Februar 2015

Die griechischen Reformpläne stehen, das Hilfsprogramm der EU wird voraussichtlich bis Juni verlängert. Doch nun müssen schwierige Reformen umgesetzt werden.

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Symbolbild Schuldenkrise in Griechenland (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Y. Behrakis

Für die neue griechische Regierung ist der Weg zur ursprünglich ungewollten Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms ein wahrer Hürdenlauf. Nach der grundsätzlichen Einigung mit den Geldgebern in der Euro-Gruppe am vergangenen Freitag billigten die Vertreter der Troika und die Finanzminister der Euro-Gruppe an diesem Dienstag den gerade noch fristgerecht in Brüssel eingereichten Reformplan.

Die nächste Hindernisse bis zum Zieleinlauf Wochenende sind die notwendigen Zustimmungen in den Parlamenten einiger Euro-Staaten. Der Deutsche Bundestag soll am Freitag entscheiden. Wenn diese letzten Sprünge klappen, dann wird das bereits einmal verlängerte zweite Hilfsprogramm für Griechenland nochmals um vier Monate bis Ende Juni gestreckt.

Das Reformprogramm der radikalen Links-Rechts-Koalition nannte der Chef der Euro-Gruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, nur einen ersten Schritt. "Es muss noch viel getan werden", sagte er bei einer Anhörung des Europäischen Parlaments vor der Beschlussfassung mit den 18 übrigen Euro-Finanzministern. Griechenland müsse seine Wirtschaft jetzt wieder auf das richtige Gleis setzen und Vertrauen zurückgewinnen.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der für den Euro zuständig ist, nannte die Liste lediglich eine Ergänzung zum bestehenden Rettungsprogramm, aber noch keinen fertigen neuen Plan. "Das gibt uns jetzt Raum für Verhandlungen bis April", sagte Dombrovskis der Deutschen Welle.

Luftbuchungen in die Zukunft?

Die griechische Regierung hatte kurz vor Ablauf der Frist um Mitternacht einen sechs Seiten umfassenden Plan vorgelegt, der zuvor in Briefwechseln und e-mails mit der EU-Kommission in Brüssel abgestimmt worden war. Darin bekenne sich die Regierung zu einschneidenden und umfassenden Reformen, lobte Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem.

Die Einnahmen sollen durch Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Schmuggel und Korruption gesteigert werden. Wohlhabende Griechen sollen stärker zur Kasse gebeten werden als bisher. Diese Maßnahmen sollen nach Einschätzung von Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis fünf Milliarden Euro einbringen.

Allerdings werde es wohl einige Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis diese Einnahmen tatsächlich generiert werden können, kritisierte der Europa-Abgeordnete Markus Ferber gegenüber der DW. "Das sind Luftbuchungen in die Zukunft, denn auch vorige Regierungen in Griechenland haben es nicht geschafft, im Bereich der Mehrwertsteuer, im Bereich des Zigarettenschmuggels, im Bereich des Benzinschmuggels die Kontrollen so durchzuführen, dass sie funktionieren. Im Gegenteil: Die neue Regierung hat ja interne Verfahren gegen korrupte Beamte wieder abgeschafft." Er halte die Vorschläge für grob fahrlässig, sagte der konservative Abgeordnete Ferber weiter.

Die griechische Links-Rechts-Koalition will die Lage von sozial Bedürftigen verbessern und so wenigstens einen Teil ihrer Wahlversprechen umsetzen. Der griechische Finanzminister Varoufakis schlägt vor, kostenlose Mahlzeiten auszugeben und Stromrechnungen zu senken.

Valdis Dombrovski (Foto: Reuters)
Dombrovskis: Das ist noch kein fertiger PlanBild: Reuters

Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold findet es richtig, dass die griechische Regierung das bisherige Reformprogramm verändern will. "So zu tun, als müsse das Programm so bleiben, wie es ist, ist ein Fehler. Denn das Programm hat bisher nicht funktioniert. Ich finde es komisch, wenn das jetzt von manchen Kollegen der CDU/CSU quasi heilig gesprochen wird", sagte Giegold der DW.

Bei der jetzt gebilligten Liste handelt es sich erst einmal um Absichten. Bis Ende April sollen die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds, die Institutionen, vormals Troika genannt, die Umsetzung der Reformen prüfen. Auch der grüne Abgeordnete Sven Giegold mahnt die Griechen: "Die Änderung des Programms ist richtig, aber die neuen Reformversprechen müssen umgesetzt werden. Dafür haben die Griechen dann Zeit bis Ende April, bis das Geld fließt."

Jeroen Dijsselbloem (Foto: Reuters)
Dijsselbloem: "Es muss noch viel getan werden."Bild: Reuters/F. Lenoir

Schon jetzt neue Geldsorgen für Griechenland

Giegold begrüßt die Absicht der neuen Regierung in Athen gegen Steuersünder verstärkt vorzugehen. "Für mich ist zentral, dass endlich im Bereich des Steuervollzugs etwas passiert. Es kann nicht sein, dass man auf der einen Seite Geld aus dem Ausland braucht und auf der anderen Seite im Inland seine Vermögendenden nicht besteuert. Das versteht kein Mensch", sagte der grüne Europa-Abgeordnete.

Der konservative Abgeordnete Markus Ferber dagegen kritisiert, dass die Syriza-Anel-Koalition nicht bereit sei, auch Staatsausgaben zu senken. "Auf der Ausgabenseite nichts tun zu wollen und Ausgabenprogramme zu erhöhen, das führt zwangsläufig in die Staatspleite, und dafür müssen die Europäer nicht den Kopf hinhalten."

Erst nach einem positiven Abschlussbericht der Institutionen (Troika) können nach einer weiteren Billigung durch die Euro-Gruppe im Mai und Juni die letzten Kreditraten des Hilfsprogramms ausgezahlt werden. Insgesamt stehen aus verschiedenen Quellen noch 7,2 Milliarden Euro bereit. Jeroen Dijisselbloem zeigte sich bei den Reformen in Griechenland zu einer gewissen Flexiblität bereit. "Man kann alle Maßnahmen austauschen, wenn am Ende die gleichen fiskalischen Ziele erreicht werden", sagte der Chef der Euro-Gruppe im Europäischen Parlament.

Er betonte noch einmal, dass der Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung Euro keine Option für ihn sei. "Das steht nicht an. Wir bleiben zusammen."

Sven Giegold (Foto: DW)
Giegold: Das alte Programm ist gescheitertBild: DW/M. Banchón

Da es frühestens Ende April Geld aus dem verlängerten Hilfsprogramm geben wird, plagen den griechischen Finanzminister bereits jetzt Geldsorgen. Ende März wird eine Kreditrate an den IWF fällig. Die Steuereinnahmen sind seit Jahresbeginn um 20 Prozent gesunken. Die Griechen heben ihr Geld massenhaft von den Banken ab. Deshalb ist Griechenland weiter dringend auf die Notkredite (ELA) der Europäischen Zentralbank an die griechischen Banken angewiesen.

Die Regierung in Athen hofft darauf, dass die EZB recht bald wieder die an sich wertlosen, kurz laufenden griechische Staatsanleihen, sogenannte T-Bills, als Sicherheiten entgegen nimmt. Dann könnten sich die griechischen Banken wieder einfacher Geld für den Staatshaushalt besorgen.

"Skandalöse Einmischung"

Bevor das jetzt verlängerte zweite Hilfsprogramm für Griechenland dann am 30. Juni endgültig ausläuft, müssen Griechenland und die internationalen Geldgeber über ein Anschlussprogramm verhandeln. Eine Rückkehr Griechenlands an die privaten Finanzmärkte wie ursprünglich vorgesehen, scheint aus heutiger Sicht unmöglich. Die Zinsen wären einfach zu hoch. Das räumt auch Jeroen Dijsselbloem indirekt ein.

Die griechische Regierung wird in diesen Verhandlungen sicher noch einmal das Thema Schuldenschnitt oder Schuldenkonferenz zur Sprache bringen, dem die Euro-Länder bislang ablehnend gegenüberstanden. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermanns, sieht künftigen Verhandlungen mit Griechenland zurückhaltend entgegen. "Wir müssen vorsichtig sein. Wir haben in den letzten Wochen gesehen, wie schwierig es war, mit den Griechen zu verhandeln", sagte Timmermans im ARD-Fernsehen. "Die harten Brocken kommen erst noch im Sommer", so EU-Diplomaten nach dem ersten "Hürdenlauf" der Griechen in Brüssel.

Konservative EU-Parlamentarier werfen unterdessen der EU-Kommission vor, sie stelle sich zu sehr auf die Seite der griechischen Regierung. "Ich bin entsetzt über die Rolle der Kommission. Es kann doch nicht sein, dass eine Institution, die prüfen soll, ob das Programm auch mit den Regeln übereinstimmt, den Griechen das Programm quasi aufschreibt", bemängelte Markus Ferber von der bayrischen CSU. EU-Kommissar Pierre Moscovici habe sich bereits letzte Woche zugunsten der Griechen eingemischt. Das sei skandalös, so Ferber gegenüber der DW. Für den Grünen-Politiker Giegold tut die EU-Kommission dagegen genau das, wozu sie da ist: Sich mit Griechenland abstimmen, Hilfestellung leisten und Kompromisse ermöglichen.