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Politik

Bause: "Demokratie in Belarus unterstützen"

Vladimir Esipov
3. Juli 2020

Weißrussland steht kurz vor den Präsidentschaftswahlen. Die Bundestagsabgeordnete Margarete Bause fordert im DW-Interview die Freilassung politischer Gefangener und schließt neue Sanktionen gegen das Land nicht aus.

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Berlin I Abgeordnete Margarete Bause I B90/Grüne
Bild: DW/V. Esipov

DW: Frau Bause, wann waren Sie zuletzt in Weißrussland?

Margarete Bause: Ich war Anfang Februar dieses Jahres in Minsk und habe dort den Eindruck gehabt, dass es eine ganz große Erwartung und Hoffnung gegenüber Europa und auch gegenüber Deutschland gibt. Nicht nur, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sondern auch was demokratische Reformen, Einhaltung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit angeht.

Woher kommt diese Hoffnung?

Ich denke, die Quelle der Hoffnung liegt darin, dass man sieht, welche Freiheiten die Menschen im Westen genießen. Es gibt eine ganz starke und mutige Zivilgesellschaft, die sich nicht einschüchtern lassen will. Es gibt für sie auch internationale Unterstützung. Und es gibt die Hoffnung, dass die noch stärker wird. Dass gerade die EU, die auf Menschenrechten gründet, auf den gemeinsamen Werten der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dass die EU stärker in Erscheinung tritt, was Menschenrechtsverletzungen, Todesstrafe und die Rolle des Präsidenten Alexander Lukaschenko in Weißrussland angeht. Und ich glaube, wir haben eine Verpflichtung, diesen Hoffnungen gerecht zu werden.

"Wir müssen konsequenter für Menschenrechte in Weißrussland eintreten"

Vor diesem Hintergrund: Sind die Anfang des Jahres ausgehandelten Visa-Erleichterungen der EU für Bürger aus Weißrussland eine richtige Entscheidung?

Belarus Minsk | Protest gegen Verhaftung alternativer Wahlkandidaten
Demonstration in Minsk gegen die Verhaftung von PräsidentschaftskandidatenBild: DW/A. Boguslawskaja

Ich sehe das als falsches Signal. Denn der Deal war ja, dass dann auch wieder Abschiebungen nach Weißrussland stattfinden. Und wenn Menschen versuchen, sich hier im Westen vor Verfolgung in Sicherheit zu bringen, dann kann ich nicht sehen, dass das eine positive Entwicklung ist. Ich glaube, Deutschland und die EU müssen viel konsequenter auftreten, was die Einhaltung der Menschenrechtsstandards in Weißrussland angeht.

Was können und was müssen Deutschland und die EU dafür tun?

Das Allerwichtigste ist im Moment die Forderung nach freien und fairen Wahlen. Und auch die Freilassung der politischen Gefangenen und eine unabhängige Wahlbeobachtung durch die OSZE. Und falls alle diese Forderungen keinen Widerhall finden, denke ich, muss man die Aufkündigung des Visa-Abkommens in Erwägung ziehen und möglicherweise auch wieder Sanktionen gegen Weißrussland einführen.

Warum zögert die Bundesregierung so, was öffentliche Kritik an den Zuständen in Weißrussland angeht?

Es ist auch mein Eindruck, dass es da Zurückhaltung von Seiten des Auswärtigen Amtes gibt, was die Thematisierung der Menschenrechtsverletzungen und Einforderung von demokratischen Standards in Weißrussland angeht. Das hat sicher strategische Gründe, dass man versucht, Weißrussland als Player zwischen Russland und der EU nicht übermäßig unter Druck zu setzen. Aber angesichts der Hoffnungen in der weißrussischen Bevölkerung in Richtung der EU müssen wir sehr viel stärker dafür eintreten, dass unsere europäischen Standards eingehalten werden.

In gut einem Monat soll die Präsidentschaftswahl stattfinden. Bei der Registrierung unabhängiger Kandidaten hat die Wahlkommission offenbar viele Unterstützerunterschriften nicht anerkannt. Wie bewerten Sie die Situation? 

Das sind alles Mechanismen von Lukaschenko, die Wahl nicht nach fairen Regeln abhalten zu lassen, seinen Machtvorteil auszuspielen, auch Gegenkandidaten unter Druck zu setzen. Es sind ja auch Kandidaten inhaftiert worden. Und alle diese Verwirrspiele um die Unterschriften sind für mich ein weiteres Kapitel in dem Versuch, freie und faire Wahlen zu verhindern.

Weißrussland Minsk Präsidentschaftswahlen Unterschriftensammlung
Präsidentschaftskandidaten müssen mindestens 100.000 Unterschriften von Unterstützern sammelnBild: picture-alliance/dpa/V. Tolochko

Politische Beobachter in Deutschland meinen, dass eine faire Wahl so gut wie unmöglich ist und dass der Gewinner schon jetzt feststeht. Teilen Sie diese Einschätzung?

Ich würde nicht von vornherein jegliche Hoffnung aufgeben. Ich glaube, dass gerade jetzt, in den Wochen vor der Wahl, wichtig ist, dass Europa eine ganz klare Ansage macht und mit Konsequenzen droht, falls freie und faire Wahlen nicht stattfinden können. Und dass die Freilassung der politischen Gefangenen unmittelbar und unverzüglich erfolgen muss, und falls das alles nicht stattfindet, dann müssen tatsächlich Sanktionen erfolgen. Jetzt ist die Zeit, mit sehr klaren Forderungen anzutreten.

"Demokratiebewegung nicht nur in Hongkong, auch in Weißrussland unterstützen"

Und wie realistisch ist es, dass Europa mit klaren Forderungen antritt?

Deutschland hat ja ab dem 1. Juli die Ratspräsidentschaft übernommen, und ich sehe es als eine Aufgabe Deutschlands an, in diesem Rahmen für die Durchsetzung unserer gemeinsamen europäischen Werte einzutreten. Man sagt, Weißrussland sei die letzte Diktatur in Europa. Uns kann nicht egal sein, was in unserer unmittelbaren Nachbarschaft passiert. Wir sollten die Demokratiebewegung nicht nur in Hongkong, sondern auch in Weißrussland unterstützen.

Belarus Präsident Alexander Lukaschenko
Regiert Weißrussland (Belarus) seit 25 Jahren mit harter Hand: Alexander LukaschnekoBild: picture-alliance/AP/BelTA/N. Petrov

Die Bundesregierung hat gerade andere Sorgen, wie die Corona-Pandemie und die Wirtschaftskrise. Wie hoch sind die Chancen, dass ein solches Thema wie Menschenrechte in Weißrussland auf die Tagesordnung rückt?

Das Thema Menschenrechte ist die Grundlage unseres zivilisatorischen Zusammenlebens, egal in welchem Land. Und es darf nicht im Zusammenhang mit der Pandemie passieren, dass man sagt, wir müssen erstmal schauen, dass die Wirtschaft auf die Beine kommt und dass wir die Pandemie bekämpfen. Weil wir erleben, dass gerade im Zusammenhang mit der Pandemie Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Und gerade in Weißrussland haben wir eine verheerende Auswirkung der Pandemie und deswegen ist es um so wichtiger, dass Deutschland sich hier im Rahmen seiner Ratspräsidentschaft für die Einhaltung von demokratischen Standards einsetzt.

Der potentiell aussichtsreichste Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl, Viktor Babariko, ist ein ehemaliger Topmanager des weißrussischen Tochterunternehmens der russischen Gazprombank. Wie sehen Sie die Rolle Russlands bei dieser Wahl?

Wir haben auch in Deutschland erlebt, dass es von russischer Seite Versuche gab, die Wahl zu beeinflussen, insbesondere über die AfD. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch in anderen Ländern solche Versuche gibt. Aber es ist wichtig, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten in freien und fairen Wahlen auftreten können, dass sie ihre Programme präsentieren können. Und dann ist es an der Bevölkerung, selber zu entscheiden, welcher Person sie ihr Vertrauen schenken.

Weißrussland | Wiktor Babariko
Viktor Babariko gilt als der aussichtsreichste Herausforderer des weißrussischen Präsidenten LukaschenkoBild: DW

Halten Sie eine gewaltfreie Revolution, einen friedlichen Regimewechsel, in Weißrussland für möglich?

Ich glaube, dass es in der Bevölkerung sehr viel Hoffnung und Sehnsucht nach demokratischen Zuständen gibt. Ich hoffe, dass es einen evolutionären Übergang gibt. Dass es die Möglichkeit gibt, demokratische Reformen auch mit Unterstützung der EU durchzusetzen. Dass es eine Möglichkeit gibt, dass Vertreter des demokratischen Spektrums auftreten, und dass es einen evolutionären Übergang zu einem demokratischen System gibt.

"Lukaschenko merkt, dass er in der Bevölkerung keinen Rückhalt mehr hat"

Aber Sie würden schon begrüßen, dass nach dieser Wahl ein neues Gesicht an die Staatsspitze käme?

Ich würde begrüßen, dass an der Staatsspitze in Weißrussland eine Persönlichkeit steht, die integer ist, die sich für Menschenrechte einsetzt, die demokratische Reformen einleitet und die der Bevölkerung in Weißrussland eine gute Perspektive für die Zukunft, für Freiheit und wirtschaftliche Reformen gibt. Und das sollte bei dieser Wahl stattfinden können.

Warum ist Präsident Lukaschenko so nervös?

Er merkt, dass er keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung hat. Und um so autoritärer geht er vor. Um so aggressiver versucht er, jegliche demokratische Konkurrenz zu verhindern. Wir kennen das von anderen autoritären Herrschern: Je schwächer ihre Positionen sind, desto aggressiver treten sie auf. Es zeigt, dass die Ära Lukaschenko eigentlich längst vorbei ist, dass er in der Bevölkerung keinen Rückhalt mehr hat. Und umso wichtiger wäre es, dass die Demokratie-Bewegung von europäischer Seite unterstützt wird, damit die Menschen in Weißrussland über ihr Schicksal selbst entscheiden können.

Margarete Bause ist Sprecherin für Menschenrechtsfragen der Fraktion von Bündnis90/Grüne im Bundestag und Mitglied der deutsch-weißrussischen Parlamentariergruppe.

Das Interview führte Vladimir Esipov.