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Grünen-Mitgründer erklärt Piraten-Erfolg

7. Oktober 2011

Die Piratenpartei hat bei der Wahl in Berlin sensationelle 8,9 Prozent erreicht. Im Gespräch mit DW-WORLD.DE vergleicht Wilhelm Knabe den Beginn der Partei Die Grünen, die er mitbegründete, mit dem der Piraten heute.

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Ein Mann in Piratenpartei-T-Shirt verschränkt die Arme (Foto: DW)
Die Piraten mischen die deutsche Parteinlandschaft aufBild: DW

DW-WORLD.DE: Herr Knabe, Sie sind Gründungsmitglied der Grünen. Erinnern Sie die aktuellen Erfolge der Piratenpartei an Ihre eigenen damals?

Wilhelm Knabe: Natürlich fühlt man sich erinnert. Es ist das Aufkommen einer neuen Partei, die die herrschenden Parteistrukturen aufbricht. Aber natürlich gibt es auch große Unterschiede: Damals gab es wirklich eine verkrustete Struktur – in der Parteienlandschaft gab es nur drei Parteien – mit der CSU waren es vier. Man hatte keine Chance, gehört zu werden oder etwas einzubringen. Und das wurde mit den Grünen anders. Jetzt haben wir ja bereits fünf Parteien, die im Bundestag sitzen. Eine größere Vielfalt ist also schon vorhanden. Aber das ist jetzt eine Bereicherung, mal sehen was daraus wird.

Sie haben gerade von fünf Parteien gesprochen. Gibt es da tatsächlich noch Platz für noch eine Partei – für die Piraten nämlich?

Die beiden Grünen-Politiker Wilhelm Knabe (li.) und Thomas Ebermann (Foto:AP)
Aus den Anfängen der Grünen: Wilhelm Knabe (li.) mit Thomas EbermannBild: AP

Sie werden den anderen etwas wegnehmen – eindeutig. Auch von den Grünen werden sie etwas wegnehmen. Und von SPD und CDU auch. Vor allem aber von vielen Parteilosen, die sich bisher politisch nicht engagiert haben.

Kann man diese Partei denn wirklich ernst nehmen. Als Thema besetzen sie doch nur das Internet?

Sie besetzen im Moment nur das Internet, aber sie haben ja die Chance, sich in andere Themengebiete einzuarbeiten. Das ist den Grünen doch nicht anders gegangen. Aber die Grünen kamen aus der Friedens- und Frauenbewegung, das waren Anti-Atomkraft-Anhänger, das waren Hausbesetzer. Bei den Piraten sehe ich aber nur das Internet, momentan. Im Gegensatz zu den Piraten hatten die Grünen eine breitere Verankerung in verschiedenen sozialen Bereichen, in verschiedenen Milieus. Ich gebe jetzt kein Werturteil ab, sondern ich habe nur gesagt, es erinnert mich an die Entstehungszeit der Grünen, als eine neue Partei auftauchte und Ansprüche und Kritik anmeldete. Der Unterschied besteht darin, dass es sich bei den Piraten sehr stark auf das Internet fokussiert. Bei den Grünen war es die weltumspannende Idee der Ökologie und der Nachhaltigkeit für das Überleben der Menschheit und der Natur.

Sie nehmen die Piratenpartei ernst. Glauben Sie, dass alle Grüne so reagieren?

Nein, das werden nicht alle so machen. Es gibt sicher welche, die fürchten, dass ihnen Wähler abgezogen werden. Das sind wichtige Stimmen, die helfen, grüne Ideen umzusetzen. Es wird auch andere geben, die sehr aufgeschlossen sind. Die werden sagen: Ist doch prima, wenn jemand kommt, der unsere Ziele von Freiheitsrechten vertritt und wir da nicht mehr alleine stehen.

Nun haben die Piraten in Berlin unglaublich gepunktet, auch auf Bundesebene erreichen sie laut aktuellen Umfragen acht Prozent. Ist das ein Trend?

Das ist die große Frage. Ich bin kein Prophet. Zurzeit sind viele Junge bei den Piraten, aber auch einige Ältere haben sie gewählt. Wenn die Piraten in der Lage sind, zu Krieg und Frieden eine neue Lösung anzubieten oder die Umweltfrage ernst zu nehmen, so ernst wie es die Grüne gemacht haben, dann haben sie eine Chance zu überleben. Wenn sie sich auf das eine Kernanliegen "Freiheit des Internets" beschränken, ist das zu wenig, das reicht nicht.

Das Gespräch führte Petra Nicklis
Redaktion: Michael Borgers