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Golfstaaten befürchten Machtverlust

Kersten Knipp10. Dezember 2013

Die Annäherung zwischen USA und Iran im Atomstreit könnte den politischen Einfluss der Golfstaaten in der Region verringern. Über diese neuen Herausforderungen debattiert der Golfkooperationsrat in Kuwait.

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Gastgeber des Golfkooperationsrates: der kuwaitische Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah,, 19.11. 2013 (Foto: Reuters)
Gastgeber des Golfkooperationsrates: der kuwaitische Scheich Sabah al-Ahmad al-SabahBild: Reuters

Mehr als ein halbes Jahrhundert waren die USA und die Staaten der Arabischen Halbinsel enge Partner. Werden sie es auch weiterhin sein? Diese Frage beschäftigt die Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates (GKR), die bis Mittwoch (11.12.2013) in Kuwait zusammenkommen, um über die neue Annäherung zwischen den USA, den übrigen westlichen Staaten und dem Iran zu beraten, die durch das Interim-Abkommen zum iranischen Atomprogramm dokumentiert wird.

Turki bin Faisal al Saud, Mitglied der saudischen Königsfamilie und ehemaliger Direktor des saudischen Geheimdienstes, deutete schon am Montag an, für wie dramatisch das Abkommen und seine potenziellen Folgen gehalten werden: Es genüge nicht mehr, dass die Mitglieder des Golfkooperationsrates - dem Namen entsprechend - bislang bloß zusammenarbeiteten. Sie müssten vielmehr eine "Einheit" bilden, erklärte er einem Bericht der Zeitung "Al Quds" zufolge. Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende saudische Außenminister Nizar Madani: "Die Golfstaaten sollten nicht weiterhin von anderen abhängig sein, um ihre Sicherheit zu wahren", erklärte er am Rande des Manama-Sicherheitsdialogs in Bahrain. "Sie müssen selbst über ihre Zukunft entscheiden."

Beunruhigt sind die sechs Staaten des Golfkooperationsrates (GKR) - Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Oman, Bahrain, Kuwait - insbesondere über zwei Entscheidungen der US-Regierung: zunächst über den Verzicht auf eine Militär-Intervention gegen das syrische Regime als Reaktion auf dessen Giftgaseinsatz. Dazu kommt das Interim-Abkommen mit dem Iran, das den jahrelangen Streit um dessen Atomprogramm zumindest für ein halbes Jahr beendet.

Turki Al Faisal Bin Abdulaziz Al Saud, 25.9. 2013 (Foto: AFP/Getty) (Foto: AFP)
"Zusammenarbeit allein genügt nicht mehr": Prinz Turki bin Faisal al SaudBild: MANDEL NGAN/AFP/GettyImages

Neues Kräfteverhältnis in der Region bahnt sich an

Die Annäherung zwischen den westlichen Staaten und dem Iran könnte grundlegende Veränderungen in der Region einleiten, schreibt die politische Analystin Raghida Dergham in einem Kommentar für die arabischsprachige Zeitung "Al Hayat", die in London veröffentlicht wird. "Im Kontext der jüngsten amerikanisch-russischen Beziehungen hat der Iran ein neues, gewichtiger gewordenes Verhältnis zum Westen. Das hat das Kräfteverhältnis in der Region erschüttert."

Zwar bemühe sich Washington, seine bisherigen Partner davon zu überzeugen, dass es den Kreis seiner Verbündeten nur erweitern, nicht aber grundsätzlich verändern wolle. Vor Ort werde das aber anders wahrgenommen: "In der arabischen Öffentlichkeit kommt die Botschaft an, dass arabisches Öl und Israel nicht mehr die einzigen Schwerpunkte amerikanischer Allianzen und Interessen im Nahen Osten sind", so Dergham.

Neue Großmacht Iran?

Zwar begrüße der Golfkooperationsrat das Atom-Abkommen mit dem Iran, da dieses die Gefahr eines israelisch-amerikanischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen mindere, erklärt Omar al-Hassan, Direktor des der Regierung von Bahrain nahestehenden "Gulf Center for Strategic Studies", im Gespräch mit der DW. Auch würden die Golfstaaten das Recht des Iran auf eine friedliche Nutzung der Kernenergie anerkennen - nicht aber auf eine militärische Nutzung. Problematisch sei zudem, dass die GKR-Staaten in die Verhandlungen nicht einbezogen würden: "Vor oder während der Verhandlungen hat niemand mit den GKR-Staaten gesprochen. Sie würden aber sehr gerne wissen, was derzeit passiert", gibt al Hassan zu bedenken.

Kurzstreckenraketen Iran Test 2012 (Foto: EPA)
Demonstration der Macht: Test der iranischen Rakete Qiam 1Bild: picture-alliance/dpa

Die Skepsis der GKR-Staaten hat aber noch einen anderen Grund: Sie befürchten, der Iran könne das Atomabkommen nutzen, um ein neues Verhältnis zum Westen aufzubauen - und auf dieser Grundlage dann seinen Einfluss in der Region stärken. "Der Iran versucht, eine regionale Großmacht zu werden. Und darum sollten die GKR-Staaten darauf vorbereit sein, ein Gegengewicht zum Iran zu bilden", sagt Omar al-Hassan. "Syrien, die Hisbollah, Iran und der Irak könnten in der Region eine starke Allianz bilden."

Neue Allianz gegen Al-Kaida

Der Iran ist für die USA und deren westliche Partner vor allem aus einem Grund wichtig geworden, vermutet Raghida Dergham: "Der amerikanische Präsident ist nun Teil der de facto-Allianz mit dem Iran und Russland gegen den sunnitischen Terrorismus. In dieser Hinsicht setzt Barack Obama die Politik der Regierung von George W. Bush fort. Diese bestand darin, Iran im Krieg gegen Al-Kaida und ähnliche Gruppen als Partner ins Boot zu holen - nur dass Obama sich dabei nun auch mit Russland und China verständigt."

Kommt dieses neue Bündnis zustande, laufen Saudi-Arabien und die übrigen Golfstaaten Gefahr, einen Teil ihres bisherigen politischen Gewichts einzubüßen. Könnte die amerikanisch-iranische Annäherung für die GKR-Staaten aber nicht eine Gelegenheit sein, ihr schwieriges Verhältnis zum Iran zu verbessern? Omar al-Hassan bezweifelt das: "Die Staaten des Golfkooperationsrates haben im Grunde kein Vertrauen zum iranischen Regime." Zwar habe der neue iranische Präsident Hassan Rohani bekundet, ein vertrauensvolles Verhältnis zu den GKR-Staaten aufbauen zu wollen. "Doch sein Außenminister hat während seines letzten Besuchs keine Vorschläge gemacht, wie das schwierige Verhältnis verbessert werden soll."

Beerdigung der über 50 Todesopfer des Anschlags im Jemen Anfang Dezember, 9.12. 2013 (Foto: Reuters)
Al-Kaidas blutige Spur: Beerdigung der über 50 Todesopfer des Anschlags im Jemen Anfang DezemberBild: Reuters

In den strittigen Fragen hat sich nichts Neues ergeben, und darum seien die GKR-Staaten weiterhin skeptisch. "Der iranische Präsident ist ein anderer. Aber die Strategie ist dieselbe. Nur die Taktik hat sich geändert", sagt al-Hassan.