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Ende mit Schrecken

Diana Peßler28. Februar 2013

Für den Opel-Standort Bochum kommt wohl doch nicht das frühe Aus: Bis mindestens 2016 sollen noch Autos vom Band laufen. Die Stimmung der Beschäftigten kann das nur wenig aufhellen.

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Werkshalle Opel neben Ortsausgangsschild Bochum (Foto: Johan von Mirbach)
Bild: Johan von Mirbach

Das gelbe Ortseingangsschild fliegt vorbei, direkt dahinter erhebt sich eine große graue Halle. Vier riesenhafte Buchstaben prangen darauf: OPEL. Auf der Straße überholt zur selben Zeit ein blauer Opel Corsa. Willkommen in Bochum. "Opel ist Bochum, und Bochum ist Opel. Es ist einfach eine Marke, wo die Leute sagen: Die gehören zu uns." Bernd Wolharn ist Pfarrer im Osten der Ruhrmetropole, seine Backsteinkirche liegt drei Autominuten vom Opelwerk entfernt. Zu seiner Gemeinde gehören viele Opelaner und deren Familien. Er selber fährt einen Opel, seit er 19 ist, und sagt, "vielleicht ist es Fügung, dass ich hierher gekommen bin".

Wolharn hat die Opelaner in seiner Gemeinde schon durch viele Krisen begleitet. Seit Jahren macht der Autobauer hohe Verluste. Zu Spitzenzeiten waren 20.000 Menschen bei Opel in Bochum beschäftigt. Nach einem ersten drastischen Sparplan 2004 blieben 9000 Mitarbeiter übrig. Mittlerweile sind es nur noch 3200. Zurzeit verhandeln die Opel-Geschäftsleitung und die Arbeitnehmer über einen neuen Sparplan.

Opel macht Druck

Das Unternehmen will offenbar die Nachtschicht in Bochum schon in den kommenden Monaten streichen, 700 Mitarbeiter wären davon betroffen. Nach Aussage des Betriebsrates drängt Opel darauf, dass die Arbeitnehmer betriebsbedingte Kündigungen akzeptieren, falls nicht genug Mitarbeiter eine Abfindung akzeptieren und freiwillig gehen. Insgesamt wolle das Unternehmen bis zum Jahr 2016, in dem die Autoproduktion ja ohnehin eingestellt wird, bis zu 3000 Arbeitsplätze abbauen. Und Opel machte zuletzt weiter Druck und setzte ein Ultimatum: Bis Donnerstag (28.02.2013) sollte der Sparplan stehen. Am Morgen dann die Entwarnung: Bis mindestens 2016 laufen in dem Werk noch Autos vom Band, erklärte Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug. Darauf hätten sich Unternehmen und Arbeitnehmervertreter im Grundsatz geeinigt. Bei einem Scheitern der Verhandlungen hätte noch früher Schluss sein können als gedacht. Opels amerikanischer Mutterkonzern GM hatte angekündigt, dass er sich dann nicht mehr an sein Angebot gebunden fühle, die Produktion in Bochum erst Ende 2016 einzustellen.

Pfarrer Wolharn macht es wütend, dass das Management immer neuen Druck aufbaut, selbst jetzt, wo das Aus für den Automobilbau in Bochum längst beschlossen ist. Bei vielen Opelanern sei die Wut aber inzwischen der Resignation gewichen. "Ich habe den Eindruck, dass die Luft raus ist. Und dass viele auch schon müde geworden sind zu kämpfen." Müde - so fühlt sich auch die Stimmung vor Tor 1 des Opelwerks an. Der Himmel ist grau in grau. Gerade ist Schichtwechsel, Arbeiter kommen und gehen. Sie wirken verloren, der Parkplatz ist völlig überdimensioniert für die geschrumpfte Belegschaft.

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Nichts mehr zu reden

Die meisten Opelaner winken nur ab, wenn sie gefragt werden, ob sie sich zur aktuellen Situation äußern wollen. "Da gibt's nichts mehr zu reden." Oder: "Sorry, ich hab echt keine Lust mehr." Nur wenige stoppen etwas länger, wie Peter Weber. Die Fältchen um seine Augen verraten, dass er viel und gerne lacht - trotz allem.

"Das ist jahrelange Übung, weil diese Hängepartie ja schon Jahre dauert. Und wir haben eigentlich immer auf das Gute gehofft. Aber alles, was uns gesagt wurde, 'Ihr müsst etwas abgeben, dann sind die Arbeitsplätze gesichert', all das wurde nie eingehalten."

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Ein paar Autos weiter steht Thomas Koller. Er zieht den Rauch seiner Zigarette tief in die Lunge - ein altgedienter Opelaner. "Ich bin jetzt 57. Bei mir könnte es sein, dass ich noch einigermaßen aus der Sache herauskomme. Aber ich denke da an die jüngeren Kollegen. Denn finde erstmal in der Gegend einen Arbeitsplatz, wo du das Geld verdienst, was du hier verdienst."

Drei Generationen Opel in einer Familie

Opel zahlte von Anfang an gutes Geld. Als das Werk in Bochum 1962 eröffnete, sprachen sich die Verdienstmöglichkeiten schnell herum. Jürgen Scherphausen stand auf der Matte, noch bevor der erste Wagen produziert war. Vorher war er Schreiner auf einer Zeche. "Nach dem ersten Monat bei Opel kam ich mir vor wie ein König. 400 Deutsche Mark auf der Lohnabrechnung - also das Doppelte wie davor auf einen Schlag." Noch einmal König war er, als er seine Frau Grete bei Opel kennen lernte, es folgte "eine sogenannte Opel-Ehe". Beide sind froh, längst in Rente zu sein, trotzdem ist Opel Dauerthema. Aus der Opel-Ehe ist nämlich eine ganze Opel-Familie hervorgegangen: Der Sohn ist Lackierer bei Opel, beide Enkelsöhne haben dort ihre Lehre gemacht. "Wo die anfingen, war das kein Thema, die dachten, sie machen ihre Lehrzeit und werden voll übernommen. Ist ja auch so passiert. Und dann ein paar Jahre später: alles vorbei." Einer der Enkel hat inzwischen eine Stelle bei der Feuerwehr, der andere ist noch bei Opel und sieht sich nach einem neuen Job um.

Die Familie hat schon viel erlebt mit Opel. Und auch wenn Scherphausens sauer sind auf die Manager, die "uns in die Knie zwingen", wollen sie Opel treu bleiben. Nachdem sie zwölf Jahre lang einen 300er Mercedes Turbodiesel gefahren haben, soll jetzt wieder ein Opel gekauft werden. Ein Opel Zafira würde Grete Scherphausen ganz gut gefallen, erzählt sie in ihrer kleinen Küche, in der es nach Wildschweinbraten riecht.

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Auf einer der typischen Bochumer Bandwurmstraßen geht es zurück Richtung Ortsausgang. Wieder die graue Halle mit den großen Buchstaben, daneben das Ortsausgangsschild, auf dem Bochum rot durchgestrichen ist. Irgendwie symbolisch. Tschüss Bochum. Tschüss Opel?