1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Globalisierung fast ohne Gegner

Markus Reher, Moskau27. Juni 2006

In gut zwei Wochen geht es los. Weltwirtschaftstreffen der G8 in Russlands Metropole St. Petersburg. Stadt und Staat sind längst vorbereitet auf das Großereignis. Allein die Gegner des Gipfels sind schlecht aufgestellt.

https://p.dw.com/p/8gh7

G8-Gipfel - das bedeutete in der Vergangenheit oft fliegende Flaschen und Steine, Leuchtraketen und Tränengas. Zehntausende vermummte Demonstranten gegen Hundertschaften mit Schilden und Schlagstöcken bewehrte Polizisten. Trauriger Höhepunkt: das Treffen in Genua 2001, als ein Polizist einen der jungen Demonstranten gegen den Gipfel der mächtigsten Männer der Welt erschoss.

Russland will mitspielen

All das soll es in Putins Russland nicht geben. Der Gipfel Mitte Juli soll tatsächlich als das informelle Treffen in entspannter Runde stattfinden, als das seine Initiatoren es einst vorgesehen hatten. Für Russland hat ein friedlicher Gipfel geopolitische Bedeutung: die gefallene Großmacht, will zeigen, dass sie längst in der Lage ist, wieder als vollwertiger gleichberechtigter Player auf internationalem Parkett mitzuspielen.

Putin und seine Helfer sind bereit, Proteste und Protestler um jeden Preis klein zu halten. Mit vorbeugender Einschüchterung, handfesten Drohungen oder politischer Umarmung. Putins politische Parallelorganisationen sind längst Legende. Sie sollen politische Vielfalt, also einwandfreies demokratisches Gebaren signalisieren. Da ist die vom Kreml lancierte Organisation "Naschi", "die Unseren". Die Vorzeigejugendlichen engagieren sich gegen Nationalismus und Faschismus und halten zugleich Wladimir Putin und einem stolzen Russland die Treue.

Kaum ernsthafte Kritiker

Nun, im Vorfeld von G8, taucht eine "Allrussische Alterglobalistische Liga" auf. Heimische Globalisierungsgegner, die sich den Kampf für die Rechte der im Baltikum lebenden russischen Minderheiten als Hautpanliegen auf die Fahnen geschrieben haben.

Die wenigen ernstzunehmenden Globalisierungskritiker, wie im Westen so auch in Russland zumeist alternative Linke, tun sich auch ohne Putins Repressionen schwer. Sie sind mindestens ebenso zerstritten über Weltanschauungsfragen, wie ihre westlichen Mitstreiter. Und sie finden in der breiten russischen Bevölkerung wenig Rückhalt. Proteste entzünden sich hierzulande an sozialen Problemen: Wohnungsmangel, Kürzung staatlicher Leistungen und geringe Löhne, die kaum zum Leben reichen. Die postsowjetischen Altkommunisten und neue Nationalbolschewisten kümmern sich bürgernah um diese Klientel.

Wenig Verständnis bei den Russen

Was es an den G8-Treffen auszusetzen gibt, versteht in Russland kaum jemand. Vorwürfe, die Gruppe der Acht – die sieben größten Industrienationen plus Russland - betreibe Neoimperialismus, beute die Entwicklungsländer aus und zerstörte die Umwelt, sind für die meisten Russen Probleme von einem anderen Planeten. Und dass die Entscheidungen der großen Acht nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind, stört in Putins "lupenrein gelenkter" Demokratie nur wenige.

Offiziell ist es den Globalisierungskritikern lediglich gestattet, ein so genanntes Sozialforum während des Gipfels abzuhalten. - In einem Stadion auf einer der Inseln der Stadt an der Newa, weit ab vom eigentlichen G8-Gipfel. Die Veranstalter erwarten weniger als 2000 Teilnehmer aus Russland. Ausländische Aktivisten halten sich diesmal zurück. Viele schrecken die Einreiseformalitäten ab, und die Angst vor hartem Durchgreifen der russischen Polizei ist groß.

Angst vor entschlossenem Polizeivorgehen

Bereits vor Monaten hatten die Petersburger Behörden die einheimischen Gipfelgegner zu informellen Gesprächen vorgeladen und unverblümt mit entschlossenem Vorgehen gegen "Gesetzesbrecher" gedroht. Die Gipfelgegner von St. Petersburg planen trotzdem zusätzliche Spontan-Kundgebungen und andere Events überall in der Stadt. "Wir werden unsere Aktionen nicht auf die Krestowsky-Insel beschränken, die uns die Behörden freundlicherweise zugewiesen haben", sagt Wladimir Soloweitschik, Organisator des genehmigten Anti-G8-Meetings.