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Zeichne ein Blatt, zeichne die Welt

Tamsin Walker /ke4. März 2015

Margareta Pertl ist seit 20 Jahren botanische Illustratorin. Sie lebt zwischen Wien und Dublin, ist aber auch viel unterwegs, um die Vielfalt der Pflanzenwelt ganz genau festzuhalten.

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Bild: Margareta Perl

Sie zeichnen seit gut 20 Jahren, wie hat es alles angefangen?

Wir lebten damals in Irland, in der Nähe des botanischen Gartens. Und ich bin zu einem Vortrag des Chef-Gärnters dort gegangen, zum Thema Orchideen. Das hat mich fasziniert, also habe ich mir näher angeschaut, wie die Pflanzen aussehen, wie sie sich vermehren und wie sie aufgebaut sind. So habe ich mit botanischer Illustration angefangen. Ich habe die Orchideen gezeichnet mit dem Ziel, 50 Aquarelle fertig zu bekommen, um sie zu meinem 50. Geburtstag auszustellen.

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich bin gerade mitten in einem Projekt, bei dem ich die Orchideen suche und zeichne, die nach Frederick Moore benannt wurden. Er war Direktor des botanischen Gartens in Dublin um 1900.

Wie kommen Sie voran?

Ziemlich gut. Es ist sehr interessant. Mein Ziel ist es, alle zu finden. Und da führt mich mein Weg nach Deutschland, nach Holland und jetzt auch nach Madagaskar.

Madagaskar hat sicher einiges zu bieten für eine botanische Illustratorin, oder?

Ja. Ich bin mit Anton Sieder vom Botanischen Garten in Wien hingefahren. Er recherchiert Vanillepflanzen dort seit 11 Jahren. Ich versuche alle Vanillearten die es in Madagaskar gibt, zu zeichnen.

Nicht jeder weiß, dass Vanille eine Orchidee ist...

Genau, sie ist eine Orchidee. Und es gibt eine ganze Reihe von Vanillearten, die es nur in Madagaskar gibt. An der Ostküste gibt es beispielsweise Regenwälder. Dort wachsen zwei Arten von Vanillen, die wir noch nie blühen gesehen haben. Die wollte ich unbedingt zeichnen.

Haben Sie das geschafft?

Nur teilweise, denn wir haben sie gefunden und wissen dass sie dort sind. Aber wir haben sie nicht blühend gesehen.

Welche Rolle spielt botanische Illustration noch in Zeiten, in denen alles fotografisch schnell festgehalten werden kann?

Ich nutze alle Möglichkeiten die es heute gibt, inklusive Digitalkamera und Scanner, um diese Pflanze zu illustrieren. Aber selbst der beste Scan hat nicht überall die gleiche Tiefe. Außerdem kann ich durch das Zeichnen Pflanzen zu verschiedenen Blühstadien oder in verschiedenen Wachstumsstadien zeigen und kann die Wurzel bis ins letzte Härchen darstellen. Ich habe alles von der Pflanze, die Schnitte, die Vergrößerungen und die Blüten von allen Seiten auf einem Blatt.

Bei einem Foto und sei es auch noch so gut, es ist doch nur in einem kleinen Teil Tiefenscharf. Die Technik muss noch ein bisschen besser werden. Selbst heute, habe ich mir sagen lassen, muss man hunderte von Digitalfotos machen und die dann zusammensetzten, um die gleiche Tiefenschärfe zu bekommen, die ich mit einer Zeichnung habe.

John Ruskin (ein britischer Maler und Schriftsteller) hat mal gesagt: "Wenn man ein Blatt malen kann, kann man die Welt malen". Das ist sehr bezeichnend, der ganze Kosmos eröffnet sich. Also, wenn ich mir das Blatt genau anschaue und auch in die Tiefe gehe, erst dann eröffnet sich mir die ganze Vielfalt der Natur.

Schauen wir in die Zukunft, inwieweit ist Ihre Kunst auch für kommen Generationen wichtig?

Ganz wichtig: Erstens geht es um Dokumentation. In Madagaskar zum Beispiel werden die Regenwälder so dezimiert, dass es diese Pflanzen wahrscheinlich bald nicht mehr geben wird. Aber auch hier bei uns verschwinden täglich fünf bis sechs Arten die man teilweise gar nicht kennt.

In dem ich Zeichnungen mache, oder Zeichenkurse gebe, indem wir uns mit den bedrohten Pflanzen beschäftigen, schaffen wir ein Bewusstsein. Das Sehen wird geschärft und damit das Verständnis von der Natur. Über die Wahrnehmung wird ein profundes Wissen über unsere Umwelt geschaffen.

Wenn man einen Baum zeichnet, die Blätter presst oder seine Rinde berührt, dann bleibt einem der Baum gewissermaßen ein Leben lang erhalten. Es ist nicht so wichtig, wie gut die Zeichnung ist. Es geht vor allem um das Bewusstsein, was da um uns herum existiert. Man zerstört nicht einfach so etwas, das man gut kennt.