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Frauenrechte

14. Oktober 2011

Vor 30 Jahren trat das UN-Frauenrechtsabkommen in Kraft. Im Interview mit DW-WORLD.DE spricht die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte über Erfolge in Deutschland - und darüber, was noch zu tun bleibt.

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Dr. Beate Rudolf, Deutsches Institut für Menschenrechte (Foto: S. Pietschmann)
Dr. Beate Rudolf, Deutsches Institut für MenschenrechteBild: Deutsches Institut für Menschenrechte/S. Pietschmann

DW-WORLD.DE: Hat das UN-Frauenrechtsabkommen CEDAW (Committee on the Elimination of Discrimination against Women) die Lage der Frauen in Deutschland verbessert?

Beate Rudolf: Dass wir heute unter Gleichheit von Frauen und Männern tatsächliche Gleichstellung verstehen, und nicht allein rechtliche Gleichbehandlung, ist auch und gerade auf CEDAW zurückzuführen. Wir verdanken CEDAW, dass solche Dinge gefordert werden wie starre Rollenbilder und diskriminierende Strukturen zu überwinden, das extreme Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu beseitigen, Frauenquoten für Führungspositionen in der Wirtschaft einzuführen; und das von einem breiten politischen Spektrum - all das verdanken wir CEDAW.

Ganz besonders zeigt sich der Einfluss von CEDAW bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt: für die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe, das Gewaltschutzgesetz, die Strafbarkeit von "Stalking" hat CEDAW den Weg frei gemacht. Denn die Frauenrechtskonvention überwindet die herkömmliche Trennung von "privat" und "öffentlich", indem sie die Pflicht des Staates zum Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Privatpersonen, und damit eben auch durch Familienmitglieder, anerkennt. Das war 1979 noch revolutionär - heute kann es nicht mehr ernsthaft bestritten werden.

Gibt es Rückschläge?

Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern ist kein Selbstläufer. Frauendiskriminierung wird oft immer noch bestritten, unterschiedliche Lebensverhältnisse von Männern und Frauen werden auf individuelle Entscheidungen zurückgeführt. Etwa auf die vermeintlich freie Entscheidung über das Ausscheiden aus dem Beruf, die in Wirklichkeit oftmals auf das Fehlen hinreichender Kinderbetreuung zurückzuführen ist oder auf ungleiche berufliche Karrierechancen beider Elternteile. Und die Debatte über Frauen in Führungspositionen zeigt: Dort, wo es um die die gleiche Teilhabe von Frauen an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen geht, bestehen Widerstände aus Angst vor eigenem Machtverlust. Dem ist mit CEDAW entgegenzusetzen: Eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer tatsächlich gleichberechtigt sind, ist besser für alle - weil alle mehr Freiheit für individuelle Entscheidungen und autonome Lebensgestaltung gewinnen.

Was sind die heutigen Hindernisse bei der Gleichstellung der Frau in Deutschland?

Die Lebenslagen von Frauen sind vielfältig. Gleichstellungspolitik muss daher noch differenzierter werden. Migrantinnen, Frauen mit Behinderung, Alleinerziehende, ältere Frauen - sie alle erfahren unterschiedliche Diskriminierungen, und die Benachteiligungen wandeln sich im Verlauf des Lebens. Das muss das Recht aufgreifen, etwa um die Bildungs- und Berufschancen von Migrantinnen und von behinderten Frauen und Mädchen zu erhöhen, im Rentenrecht Altersarmut zu vermeiden oder im Sozialrecht dem Armutsrisiko von Alleinerziehenden, zumeist Frauen, zu begegnen. Oft werden Reformen mit dem Hinweis auf die Kosten verweigert. Deshalb ist es wichtig, dass öffentliche Haushalte geschlechtergerecht geplant werden. Denn die Steuereinnahmen müssen Frauen und Männern gleichermaßen zu Gute kommen.

CEDAW ist in Deutschland nur wenig bekannt. Wie kann die Zivilgesellschaft das Menschenrechtsabkommen besser nutzen?

Die Zivilgesellschaft, insbesondere frauenpolitische Organisationen, stützen sich bereits in erfreulichem Maße auf CEDAW für ihre Forderungen an staatliche Gleichstellungspolitik und als Maßstab für deren Bewertung. Dies zeigt sich auch in ihrer regen Beteiligung an der Parallelberichterstattung an den CEDAW-Ausschuss. Wünschenswert wäre, dass die Zivilgesellschaft CEDAW stärker auch auf die Landes- und Kommunalpolitik bezieht. Außerdem sollten weitere zivilgesellschaftliche Organisationen das Potenzial der Konvention nutzen, insbesondere migrantische Selbstorganisationen und Behindertenorganisationen. Denn sie können die Diskriminierungserfahrungen ihrer Mitglieder authentisch formulieren. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sie für ihre Forderungen Solidarität erfahren und sie so im politischen Diskurs an Gewicht gewinnen werden. Denn so unterschiedlich die Lebenserfahrungen von Frauen sind - die Erfahrung von Diskriminierung verbindet sie. CEDAW wird deshalb auch in Zukunft ein wichtiges Instrument für gleiche Mitwirkung und autonome Lebensgestaltung aller Frauen bleiben.

Beate Rudolf ist Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin.

Das Interview führte Ulrike Mast-Kirschning.