Glaubenssachen - Das Wunder von Heiligenstadt - Von Sturköpfen und Männerbünden
Das Corona Virus ist hartnäckiger als die Heiligenstädter. Aber Richard war schon im letzten Jahr Teil dieser Tradition und machte sich dran, die Aufgabe des Trägers vom Vater zu übernehmen. In Heiligenstadt bedeutet das fast schon Heiligenstatus. Dem Azubi ist die Bedeutung bewusst gewesen. Nicht, dass er sich als einer von zwölf Trägern die 320 Kilo schwere Darstellung des Grabes Jesu nicht zugetraut hätte - aber die Ehre wiegt schwer. Die Leidensprozession zeigt in sechs dramatischen Bildern den Leidensweg Jesu mit Kreuzigung und Tod. Die überlebensgroßen Holzstatuen werden von den Gläubigen mit Gebet und Gesang durch die Stadt getragen. Seit 1581 gibt es dieses Mysterienspiel, das von den Jesuiten ins Leben gerufen wurde. Es ist noch immer die größte Prozession Mitteldeutschlands mit alljährlich 8.000 Teilnehmern. Es gleicht einem Wunder, wie es den Heiligenstädtern gelungen ist, ihre Prozession über die Jahrhunderte hinweg stoisch zu verteidigen. und es gab Zeiten, in denen Mut dazu gehörte, sich den Gläubigen anzuschließen. Unter den Nazis wurden jugendliche Teilnehmer mit Straflager verwarnt. Zu DDR-Zeiten setzten Abiturienten ihren Studienplatz aufs Spiel. Doch die Prozession zu unterbinden, wagte niemand - noch nicht einmal die Genossen der SED. Hinter Gebet und Tradition stand und steht ein Bekenntnis: Für die Heimat, für den Glauben und gegen politisch auferlegte Doktrin. 2016 wurde die Palmsonntagsprozession ins bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO aufgenommen. Die Ehre schmeichelt den Eichsfeldern schon, aber eigentlich wollen sie eine Woche vor Ostern nur eines: Glaubensstark und andächtig miteinander und mit Jesus durch Heiligenstadt ziehen. Für Richard Spillner war es 2019 eine Premiere. Nächstes Jahr wird er hoffentlich als festes Mitglied im Team der zwölf Träger der Skulptur des Grabes Jesu dabei sein können.