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Glaubenskrieg in Nigeria

28. August 2009

In Afrikas bevölkerungsreichstem Land kommt es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen. Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch will nun vermitteln. Keine einfache Mission.

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Religiöse Gewalt in Nigeria (Foto: picture-alliance/dpa)
Gewalt zwischen Christen und MuslimenBild: picture-alliance/ dpa

Später Nachmittag in Idi-Araba, einem Stadtteil der Millionenstadt Lagos. Hier, im christlichen Süden Nigerias, gehen die Menschen nicht nur zum Gottesdienst in die Kirche. Immer mehr Bewohner des Viertels folgen mittlerweile dem Ruf des Muezzin und beten in der Moschee. Die meisten von ihnen gehören zur Volksgruppe der Hausa. Ihre muslimische Heimat im Norden des Landes haben sie verlassen, denn dort herrscht bittere Armut. Doch mit der Ankunft der Muslime im Süden seien die Probleme nun auch in Idi Araba angekommen, klagt Ladenbesitzer Ayodele Adegoke:

Gegenseitige Vorurteile

"Hier wollte vor kurzem ein Moslem eine junge Christin heiraten. Er hat sie gezwungen, die Bibel wegzulegen und den Koran zu lesen, aber sie lehnte ab. Danach hat er ihr soviele Probleme gemacht, dass die Polizei sie in Sicherheit bringen musste", erzählt Adegoke. Zum ersten Mal kam es in Idi-Araba im Februar 2002 zu schweren Zusammenstößen zwischen den Hausa und den in Lagos einheimischen Yoruba, die stark christlich geprägt sind. Über 100 Menschen wurden getötet, hunderte Häuser zerstört, darunter Moscheen und Kirchen. Die Vorurteile der Christen gegenüber den Muslimen sitzen tief. Auch bei Ladenbesitzer Adegoke: "Stell Dir vor, Idi-Araba ist jetzt von den Hausa dominiert. Trotzdem gehört das Land den Yoruba. Das Problem mit den Hausa ist, dass sie aus jeder Mücke einen Elefanten machen und Konflikte dann sofort eskalieren." Wahrscheinlich liege das daran, dass die meisten von ihnen einfach ungebildet seien, spekuliert Adegoke.

Erzbischof Robert Zollitsch ist Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (Foto: picture-alliance/dpa)
Erzbischof Robert Zollitsch will in Nigeria vermittelnBild: picture-alliance/ dpa

Schneller Griff zur Waffe

Probleme löst man in Nigeria allzu oft mit Waffengewalt. In den letzten Jahren sind bei blutigen Kämpfen zwischen Christen und Muslimen Tausende Menschen getötet worden. Wie stark das bevölkerungsreichste Land Afrikas entlang der Religionslinien gespalten zu sein scheint, zeigt die Situation in Kaduna State, im Herzen Nigerias. Dort gab es vor einigen Jahren bis zu 2000 Tote, als radikale Muslime die Scharia einführen wollten, das strenge islamische Recht. Seitdem ist die Hauptstadt Kaduna geteilt – die Muslime leben im Norden, die Christen im Süden. Im benachbarten Plateau State gingen Mitglieder beider Religionen im letzten Jahr nach einer Kommunalwahl aufeinander los - in der Hauptstadt Jos starben hunderte Menschen.

"Keine Alternative zum Dialog"

Auf seiner ersten Nigeria-Reise lernt der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch nun ein Land kennen, in dem Religion wie kaum anderswo einen tiefen Keil in die Gesellschaft getrieben hat. Umso wichtiger sei es, offen darüber zu reden: "Es gibt keine Alternative zum Dialog, und es ist für mich natürlich immer ein Schrecken, wenn Religionen zum Hass und zum Krieg beitragen. Religionen sollen zu Frieden und Völkerverständigung beitragen." Zollitsch will mit Nigerias Bischöfen sprechen, aber auch mit muslimischen Geistlichen wie dem Emir von Wase in Plateau State, er will Vorträge zur Religionsfreiheit halten – und dabei keine heißen Themen aussparen. Weder die Christenverfolgung, noch die Einführung der Scharia in vielen nördlichen Bundesstaaten. Die eigentliche Ursache der Konflikte sieht der Erzbischof allerdings nicht im Streit zwischen Bibel und Koran.

Kranker Staat

Soziale Gegensätze würden politisch ausgenutzt und dabei spielten dann auch die religiösen Unterschiede eine Rolle. Die Emotionen ließen sich dann schnell vereinnahmen, so der Erzbischof. Religiöse Radikalisierung sei nichts anderes als das Symptom eines kranken Staates, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft. Gute Wirtschaftspolitik sei eben der beste Beitrag zum Frieden und auch zur Versöhnung zwischen den Religionen. "Es ist sicher eine der großen Aufgaben Nigerias: Wie verteilt man den ungeheuren Reichtum, der dank des Öls eigentlich da ist, so, dass es doch einigermaßen gerecht ist?"

Vielleicht sollte sich der Erzbischof auf seiner Reise mit Menschen wie Malik Sukumi zusammentun – denn der sieht das genauso. Malik ist Verkäufer in einem Elektrogeschäft in "Idi-Araba", dem christlich-muslimischen Schmelztiegel von Lagos. Maliks Vater ist Moslem, seine Mutter Christin, und er will gar nicht einsehen, dass das Experiment des Viel-Religionen-Staates Nigeria nicht funktionieren könnte – trotz aller Hindernisse. "Es ist derselbe Gott, den wir anbeten. Jesus hat gesagt, dass nach ihm noch einer kommen wird. Also ist Mohammed eben sein letzter Prophet. Wo liegt das Problem? So muss man das sehen, ich weiß wovon ich rede." Und Malik beweist, dass es geht – jeden Tag.

Autor: Alexander Göbel

Redaktion: Katrin Ogunsade