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200 Jahre Verdi

Philip Hausmann14. Oktober 2013

Was wäre die Musikwelt nur ohne die Opern "La Traviata" oder "Aida"? Kein italienischer Komponist hat ein derart reiches musikalisches Erbe hinterlassen wie Giuseppe Verdi.

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Guiseppe Verdi auf einem Foto aus dem Jahr 1895. Verdi trägt einen schwarzen Hut und einen weißen Vollbart. (Bild: picture-alliance/akg-images)
Bild: picture-alliance/akg-images

Vor 200 Jahren, am 10. Oktober 1813, erblickte Giuseppe Verdi in einem kleinen norditalienischen Dorf names Le Roncole das Licht der Welt. Etliche seiner beeindruckenden und faszinierenden Opern sind bis heute von den Spielplänen der renommiertesten Opernhäuser der Welt nicht mehr wegzudenken.

Der Knabe auf der Orgelbank

Dass seine Eltern, einfache Wirtsleute und Kleinbauern, sich nur wenig für Musik interessierten, hielt den jungen Verdi nicht davon ab, sich voller Leidenschaft seiner früh entfachten Musikliebe hinzugeben. Der an sich scheue und ernste Giuseppe spielte nur wenig mit anderen Kindern. Er bevorzugte es, seine Zeit allein am heimischen Spinett oder oder unter Anleitung des Dorfschullehrers an der Orgel in der Dorfkirche San Michele zu verbringen.

Der Besuch des Gymnasiums brachte für Giuseppe im Jahr 1823 den Umzug in die Nachbarstadt Busseto mit sich. Nachdem sein Dorfschullehrer im gleichen Jahr verstorben war, nahm der zehnjährige Knabe jeden Sonn- und Feiertag einen Fußmarsch von fünf Kilometern auf sich, um nun voller Stolz an dessen Stelle auf der Orgelbank in San Michele Platz zu nehmen.

Frühe Niederlagen, Schicksalsschläge und Misserfolge

Die Aufnahmeprüfung am Mailänder Konservatorium bedeutete für Verdi im Jahr 1832 eine herbe und zu Lebzeiten nie überwundene Enttäuschung, denn er bestand diese Prüfung nicht - zu unbefriedigend war sein Klavierspiel. Dass Verdi anschließend erstmals fachmännischen Privatunterricht bei Vincenzo Lavigna bekam, wirkte sich schon nach wenigen Jahren äußerst positiv aus. So wurde ihm im Jahr 1834 das Amt des Organisten, im Jahr 1836 das des Musikdirektoren in Busseto übergeben.

Denkmal Guiseppe Verdis in der norditalienischen Stadt Buseto.
Das Verdi-Denkmal in BussetoBild: picture alliance/Bildagentur-online

Auch in Verdis Privatleben trat eine Neuerung ein: Er heiratete Margherita Barezzi, die Tochter seines langjährigen Mäzenen, und bekam mit ihr zwei Kinder. Doch nicht nur diese beiden, auch seine Ehefrau starben innerhalb kürzester Zeit. Auf die familiäre Katastrophe folgte die berufliche Ernüchterung: Seine frühe Oper "Un giorno di regno", ein im komischen Stil Rossinis gehaltenes Werk, wurde vom Publikum am Opernhaus La Scala in Mailand ausgepfiffen. Verdi war verzweifelt; im Alter von 27 Jahren sah er keine Perspektiven mehr für sein Leben.

Doch er überwand seine Depression, stürzte sich in die Arbeit. Zu Lebzeiten komponierte Verdi neben insgesamt fast 30 Opern auch ein weltbekanntes Requiem und ein viel geschätztes Streichquartett. Und er heiratete im Jahr 1858 ein zweites Mal. Zusammen mit Guiseppina Strepponi, einer ehemaligen Sängerin, verbrachte Verdi die meiste Zeit zurückgezogen in seinem Landhaus in Sant' Agata.

Opernreform

Zu behaupten, Verdi habe die italienische Oper im 19. Jahrhundert von Grund auf neu erfunden, ist schlicht falsch. Den Ausgangspunkt für seine frühesten Opernversuche bildete der "Belcanto", die Kunst des schönen Singens. Verdi stand also zweifelsohne in der Tradition Gioachino Rossinis, Gaetano Donizettis und Vincenzo Bellinis, allesamt italienische Komponisten von Rang.

Und dennoch modifizierte Verdi die italienische Oper: "Er steigerte musikalisch eigentlich alle Parameter in Richtung einer Intensivierung des Ausdrucks, um so etwas wie Wahrheit neu darstellen zu können auf der Opernbühne", erläutert der Dozent für Musikjournalismus und Verdi-Biograph Holger Noltze. Eine musikalische, szenische, dramatische Wahrheitsfindung, das sei das Neue gewesen.

Holger Noltze, Dozent für Musikjournalismus und Verdi-Biograph, blickt freundlich in die Kamera. (Bild: picture alliance/ZB)
Verdi-Kenner Holger NoltzeBild: picture alliance/ZB

Politische Musik

Konzentriert in den Opern zwischen 1840 und 1850, aber auch in späteren Musikdramen Verdis schimmert eine unverkennbare und umfassende politische Note hindurch. Die Oper "Nabucco", sein großer und ermutigender Durchbruch aus dem Jahr 1842 mit dem Gefangenenchor, stellt vielleicht das prägnanteste Beispiel für dieses Phänomen dar. Sie thematisiert das Streben des jüdischen Volkes nach Freiheit aus der babylonischen Gefangenschaft, doch eigentlich spielte der Komponist auf etwas anders an: "Die Oper steht im Zusammenhang mit der italienischen Einigungsbewegung. Die Hebräer sind natürlich biblische Hebräer, aber jeder wusste, es sind die Italiener unter österreichischer Fremdherrschaft", erklärt Holger Noltze.

Der Gefangenenchor aus der Oper "Nabucco" Die Akteure tragen Fackeln. (Bild: picture-alliance)
Der Gefangenenchor aus der Oper "Nabucco"Bild: picture-alliance/dpa

Die in einem engen Zeitraum von zwei Jahren, von 1851 bis 1853, entstandenen Opern "Rigoletto", "Il Trovatore" und schließlich "La Traviata" markieren den Karrierehöhepunkt Verdis. Hier meisterte er die Intensivierung des Ausdrucks und schuf wahre Musikdramen. Aber auch Verdis "Aida" aus dem Jahr 1871 sowie das ab 1881 einsetzende Spätwerk werden als theatralische Gesamtkunstwerke betrachtet.

"Casa Verdi"

Sein eigenes Denkmal errichtete sich Verdi im Jahre 1884, sechs Jahre vor seinem Tod, mit der Stiftung eines Seniorenheims in Mailand, der "Casa di Riposo per Musicisti". Seine Idee war es, dort ins Alter gekommenen Sängern oder Musikern einen möglichst komfortablen und vor allen Dingen auch musikalischen Lebensabend zu ermöglichen. Verdis Leichnam wurde mit dem Guiseppina Strepponis ebenfalls dort untergebracht.

Hinweis: Interessante Parallelen zwischen den beiden bedeutendsten Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts - Giuseppe Verdi und Richard Wagner - werden im Buch "Liebestod: Wagner, Verdi, Wir" von Holger Noltze aufgedeckt, das im Jubiläumsjahr bei Hoffmann und Campe erschienen ist.