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Gipfeltreffen verschärft Krise der OSZE

2. Dezember 2010

Der erste OSZE-Gipfel seit elf Jahren sollte demonstrieren, dass die als angestaubt geltende Organisation fähig ist, sich zu reformieren. Am Ende zeigte sich in Kasachstans Hauptstadt Astana genau das Gegenteil.

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Das Veranstaltungsgelände des OSZE-Gipfels in Kasachstans Hauptstadt Astana (Foto: DW)
Imposant am OSZE-Gipfel war nur das VeranstaltungsgeländeBild: DW/M. Bushuev

„Die OSZE sucht verzweifelt nach einer Existenzberechtigung“, „Ohne Reformen ist die angestaubte Organisation überflüssig“ und „Das Risiko ist groß, dass die OSZE am Ende des Gipfels als Verliererin dasteht“. Drei Kommentare aus den Tageszeitungen vom Donnerstag (02.12.2010). Stimmen, deren Tenor schon vor Beginn des zweiten Gipfeltages in der kasachischen Hauptstadt Astana eindeutig war.

Die Skeptiker sollten am Ende Recht behalten. Der Gipfel ist gescheitert. Die 56 Teilnehmerstaaten konnten sich nur auf eine nichtssagende "Erklärung von Astana" einigen, nicht aber auf den angestrebten Aktionsplan zur Lösung internationaler Konflikte und zur Reform der OSZE. Insbesondere die russische Delegation verhinderte dem Vernehmen nach mit ihrem Widerstand gegen einzelne Formulierungen am Ende den Gipfelerfolg.

Streit um OSZE-Mission in Georgien

Hauptstreitpunkt im Palast der Unabhängigkeit: Der Südkaukasuskrieg zwischen Russland und Georgien im August 2008. Während mehrere Länder - darunter auch Deutschland und die USA - gefordert hatten, eine OSZE-Mission für ganz Georgien wiederherzustellen, weigerte sich Russland, das Thema überhaupt in das Abschlussdokument aufzunehmen. Russland hatte die von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien als unabhängig anerkannt und dort Soldaten stationiert.

Auch mehrere seit Jahren schwelende Konflikte in Osteuropa und Zentralasien sorgten für Streit - etwa die von Moldawien abtrünnige Region Transnistrien, die von Moskau kontrolliert wird, und die zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittene Region Berg-Karabach.

Tatsächlich sind Entscheidungsfindungen innerhalb der OSZE traditionell schwierig, denn es gilt das Einheitsprinzip. Wenn nur ein einziges Land einem Vorschlag nicht zustimmt, ist das ganze Vorhaben gescheitert. Das einzig erwähnenswerte Produkt des Treffens ist noch die Ankündigung Weißrusslands, auf alle seine waffenfähigen Plutoniumvorräte zu verzichten.


Mehr als zehn Stunden Tauziehen um Abschlusserklärung

US-Außenministerin Clinton und Kanzlerin Merkel auf dem OSZE-Gipfel in Astana (Foto: AP)
Politische Begeisterung sieht anders aus: US-Außenministerin Clinton und Kanzlerin Merkel in AstanaBild: AP

Dennoch: Die OSZE hat sich in Astana noch tiefer in ihre Krise hineinmanövriert. Stundenlang hatte Nursultan Nasarbajew, der autoritär herrschende Staatschef von Kasachstan, zuvor an die Vertreter der OSZE-Staaten appelliert, bestehende Differenzen zu überwinden. Mehr als zehn Stunden zog sich das Tauziehen hinsichtlich der Abschlusserklärung hin, immer und immer wieder musste die Pressekonferenz von Nasarbajew verschoben werden.

Die Appelle Nasarbajews konnten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Russlands Präsident Dimitri Medwedew oder US-Außenministerin Hillary Clinton ohnehin nicht mehr hören. Denn wie auch andere hochrangige Gipfel-Gäste waren sie bereits nach den Debatten am ersten Tag des Treffens wieder abgereist. Da hatte Angela Merkel sich noch verhalten optimistisch bezüglich des Gipfel-Ausgangs geäußert. „Es ist sehr wichtig, dass wir einen Aktionsplan haben, und dass wir dann auch ganz konkrete Schritte gehen“, so die Kanzlerin vor ihrem Abflug.

Höchst unterschiedliche Interessen der OSZE-Staaten

Journalisten im Pressezentrum im "Palast der Künste" (Foto: DW)
Journalisten im Pressezentrum im "Palast der Künste"Bild: DW/M. Bushuev

Von Anfang an hatte der Gipfel von Astana deutlich gemacht, wie sehr die Positionen und Interessen der Teilnehmer aufeinanderprallen. In der OSZE sind sämtliche Staaten Europas vertreten, daneben aber auch die USA, Kanada sowie viele Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Immer wieder zeigt sich in der Praxis, wie unterschiedlich die Interessen und Werte der verschiedenen Mitgliedstaaten sind.

Während die westlichen Staaten die Hauptaufgaben der Organisation vor allem in den Bereichen Friedenssicherung und Wiederaufbau nach Konflikten sehen, betrachtet beispielsweise Russland die OSZE vielmehr als eurasisches Sicherheitsinstrument. Über allem schwebt ein altes und ganz grundsätzliches Problem: die Frage nach der Daseinsberechtigung der noch zu Zeiten des Kalten Krieges gegründeten Organisation. Da sie nicht über militärische Instrumente verfügt, wird die OSZE oft als Papiertiger ohne Durchsetzungsfähigkeit bezeichnet und auch als Vermittler manchmal nicht ernst genommen. Seit langem kämpft die OSZE deshalb darum, ihr schlechtes Image aufzupolieren. Mit dem Gipfel von Astana ist ihr das jedoch definitiv nicht gelungen.

Autorin: Esther Broders
Redaktion: Stephan Stickelmann/Hajo Felten