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Gipfel setzt Griechenland letzte Frist

Bernd Riegert8. Juli 2015

Die Euro-Zone gibt Griechenland noch nicht auf. Mit neuen Hilfen gegen neue Bedingungen soll der Grexit verhindert werden. Ob Tsipras mitspielt? Für Sonntag ist ein weiterer EU-Gipfel geplant. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Alexis Tsipras in Brüssel (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/L. Dubrule

Jetzt ist sie wirklich gesetzt, die allerallerletzte Frist für Griechenland. Das zumindest behauptete der Ratspräsident der Europäischen Union, Donald Tusk, nach dem Sondergipfel der 19 Euro-Staaten in Brüssel. "Griechenland hat noch fünf Tage Zeit", so Tusk. Am Sonntag wollen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten erneut treffen. Die übrigen Mitgliedsstaaten der EU sind gleich mit eingeladen, weil es "alle 28 Mitgliedsstaaten angeht", was am Sonntag möglicherweise beschlossen werden solle, sagte der Ratspräsident nach vier Stunden Beratung mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras (Artikelbild l., mit EZB-Präsident Draghi).

Eigentlich sollte die griechische Regierung am Dienstag den Finanzministern bereits konkrete Pläne vorlegen. Stattdessen haben die frustrierten Staats- und Regierungschefs erst einmal grundsätzlich über die mögliche Entwicklung in Griechenland und ein drittes Hilfspaket diskutiert, und zwar "ernsthaft", wie Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Pressekonferenz mehrfach hervorhob.

Euro-Gruppe will neues Hilfsprogramm aushandeln

Die Staats- und Regierungschefs haben der griechischen Seite vorgeschlagen, ein ganz neues, auf zwei Jahre angelegtes Programm für Griechenland aufzulegen, das die wirtschaftlichen Probleme des Landes beheben und die staatlichen Strukturen neu ordnen soll. Dieses Programm, das nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) mindestens 50 Milliarden Euro umfassen würde, soll vom Europäischen Rettungsfonds (ESM), also der gemeinschaftlichen Notfallkasse der Euro-Staaten finanziert und beaufsichtigt werden.

"Wenn wir jetzt über ein ESM-Programm verhandeln, dann müssen wir Gewissheit haben, dass Griechenland mitzieht", sagte Merkel nach den Beratungen. Deshalb erwartet sie am Mittwoch einen konkreten Antrag auf Hilfen aus Griechenland. "Der griechische Premier Tsipras hat versprochen, dass er bis Donnerstag dann einen detaillierten Plan über die nötigen Hilfen und möglichen Reformen vorlegt", erklärte die Kanzlerin weiter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Mikrofonen (Foto: Reuters/E.Vidal)
Merkel: Nicht sonderlich optimistischBild: Reuters/E. Vidal

Am Sonntag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU dann unter enormem Zeitdruck entscheiden, ob dieser Plan aus der Feder der Links-Rechts-Koalition in Athen den nötigen Kriterien entspricht. Das neue langfristige Programm habe nichts mehr mit dem zweiten Hilfsprogramm zu tun, das die Griechen am vergangenen Sonntag ja in einem Referendum mit großer Mehrheit zurückgewiesen hatten, so Merkel.

Was will Griechenland?

Kaum hatte die Bundeskanzlerin ihre Sicht der Dinge dargestellt, behauptete Alexis Tsipras beim Verlassen des Gipfelgebäudes vor Journalisten, Griechenland habe den Euro-Finanzministern und den Staats- und Regierungschefs die notwendigen Vorschläge bereits vorgelegt. Das sah der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, nach der Sitzung der Finanzminister allerdings anders.

Auch die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite bemängelte die Unzuverlässigkeit der griechischen Seite. "Erst sagt er, er legt heute etwas vor. Jetzt heißt es morgen. Für die Griechen ist es immer morgen, morgen, morgen", regte sich Frau Grybauskaite auf. Viele Regierungschefs hätten dem allerletzten Angebot an Alexis Tsipras nur zögerlich zugestimmt, berichten Beobachter der Sitzung.

Alexis Tsipras ließ nicht erkennen, ob er die Bedingungen für ein drittes Hilfsprogramm akzeptieren würde. Er triumphierte lieber: "Die griechische Seite wird ihre Bemühungen fortsetzen, mit der starken Waffe des Volkswillens ausgerüstet, der großen Mehrheit für eine lebensfähige Übereinkunft, um die Diskussion über einen Grexit zu beenden und einen Ausweg aus der Krise zu finden."

Nach Darstellung von EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis hat Griechenland die kurzfristige Vorlage von Reformvorschlägen zugesichert. "Wir haben jetzt nach dem Gipfel Zeit bis zum Ende der Woche, um das dritte Hilfsprogramm zu entscheiden", sagte Dombrovskis am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin. Dazu müssten aber zunächst eben die Vorschläge aus Athen kommen, die belegen müssten, dass die dortige Regierung eine Finanzstrategie habe.

Der finnische Finanzminister Alexander Stubb blieb skeptisch. Er sagte der DW, viele Staaten, darunter Finnland und Deutschland, hätten noch parlamentarische Hürden vor sich, um neue Hilfen auf den Weg zu bringen.

Merkel: Kein Erlass der Schulden

Einer Forderung der griechischen Regierung will die deutsche Bundeskanzlerin auf keinen Fall nachgeben: Einen Schuldenerlass oder Schuldenschnitt für die Verbindlichkeiten gegenüber den europäischen Rettungstöpfen wird es mit ihr nicht geben. "Ein Haircut kommt nicht in Frage. Denn das ist verboten nach den Europäischen Verträgen", sagte Angela Merkel vor Journalisten.

Allerdings wolle man ganz am Ende des Verhandlungsprozesses, der nun folgen muss, auch über die Tragfähigkeit der Schulden sprechen. Kann Griechenland seine Gesamtverschuldung jemals wieder unter 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken, ist die Frage, die beantwortet werden müsste. Heute liegt sie bei über 180 Prozent.

"Nicht ausgesprochen optimistisch"

Auf die Frage, ob denn der griechischen Regierung nach fünf Monaten gescheiterter Verhandlungen noch zu trauen sei, sagte die Bundeskanzlerin: "Sie sehen mich nicht ausgesprochen optimistisch. Das waren sehr ernsthafte Beratungen, von denen ich hier berichte." Dass man sich bereits am Sonntag wieder treffen wolle zeige, dass die Situation ernst sei. EU-Ratspräsident Tusk sprach von der schwersten Prüfung für die Euro-Zone seit ihrem Bestehen.

Allen Gipfelteilnehmern war natürlich die katastrophale finanzielle Lage Griechenlands klar. Die Banken sind geschlossen. Das Wirtschaftsleben kommt langsam zum Stillstand. Dem Staat brechen die Einnahmen weg. Dieser Zustand kann nach Ansicht vieler Ökonomen nicht über Wochen andauern. So lange würden aber die Verhandlungen über das jetzt angestrebte dritte Hilfsprogramm für Griechenland mindestens dauern.

Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloom blickt auf griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos (Foto: picture alliance/dpa/L. Dubrule)
Griechenlands neuer Finanzminister Euklid Tsakalotos (r.) hatte keine neuen Pläne mitBild: picture-alliance/dpa/L. Dubrule

Bis dahin bräuchte Griechenland eine Art Zwischenfinanzierung. Wo diese herkommen soll, deutete Merkel nur an. "Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, hat uns gesagt, die EZB werde Entscheidungen nach dem neuerlichen Gipfel am Sonntag treffen." Das heißt übersetzt wohl, gibt es am Sonntag eine Einigung, wird die Zentralbank die Notfallkredite (ELA) für die griechischen Banken wieder aufstocken. So könnten sich die Banken über Wasser halten und vielleicht wieder mehr Bargeld ausgeben. Die Kapitalverkehrskontrollen könnten etwas gelockert werden. Am 20. Juli allerdings muss Griechenland 3,5 Milliarden Euro an die EZB überweisen.

Plan B liegt vor

Zum ersten Mal bestätigte der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, dass es detaillierte Pläne für den Fall gibt, dass Griechenland aus der Euro-Zone ausscheiden muss. "Wir haben ein Szenario, was die humanitäre Hilfe angeht. Und wir haben ein Szenario - und das ist auch mein Lieblingsplan - mit dem wir dem Problem Herr werden könnten und Griechenland im Euro-Währungsgebiet bleibt", sagte Juncker.

Bei ihrer Abreise nach Berlin rief die Bundeskanzlerin den Journalisten zu: "Wir sehen uns bald!" Das hatten viele befürchtet.