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Giftwasser bedroht Johannesburg

21. Februar 2011

Afrikas wirtschaftliches Zugpferd, Johannesburg, droht mit Giftwasser überschwemmt zu werden. Umweltexperten warnen vor einem Ökodesaster für die Millionenstadt. Das Giftwasser hat die ersten Einwohner bereits erreicht.

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Landschaft bei Johannesburg mit giftigem Wasserfluss (Foto: DW)
Täglich fließen etliche Liter giftiges, radioaktives Wasser unkontrolliert in die LandschaftBild: Wittek

Es ist ein Alptraumszenario: Johannesburgs Trinkwasser könnte von Giftwasser verseucht und die Hochhäuser der Innenstadt könnten "angefressen" und dadurch destabilisiert werden. Südafrikas Wirtschaftsmetropole sitzt auf den weltweit größten Goldreserven, doch die könnten die Stadt nun teuer zu stehen kommen. Seit über 120 Jahren werden unter der etwa acht Millionen Einwohner zählenden Metropole Gold, Kohle und Uran abgebaut. Die meisten Minen liegen heute still und dennoch geht von ihnen eine ökologische Gefahr aus.

Giftiges Wasser

Giftiges Wasser fließt durch die Wiesen bei Johannesburg (Foto: DW)
Die giftige Wasser schadet dem Ökosystem der GegendBild: Wittek

In den unter der Stadt gelegenen alten Minen steigt das Wasser. Umweltexperten warnen seit Monaten vor dem nach oben drängenden Giftgemisch. Die stillgelegten Schächte laufen mit Wasser voll, Eisenpyrit oder sogenanntes Katzengold oxidiert und löst sich mit Schwermetallen sowie radioaktiven Stoffen im Wasser. Und durch die vielen Regenfälle der vergangenen zwei Monate hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Eine halbe Stunde westlich der Stadt quillt das Giftgebräu bereits an die Erdoberfläche. Rotbraunes Wasser schießt gurgelnd, schäumend und stinkend durch meterhohes Gebüsch. "Diese hochgiftige Brühe ist zu nichts zu gebrauchen", erklärt die Umweltaktivistin Mariette Liefferink. Doch jeden Tag fließen bei Krugersdorp 40 bis 50 Millionen Liter dieses giftigen, radioaktiven Wasser unkontrolliert in die Landschaft.

Verseuchtes Naturschutzgebiet

Die Folgen: weit und breit lebt hier kein Fisch, Frosch oder Vogel mehr, denn das Ökosystem ist tot. Liefferink ist empört: "Da sind lauter Stoffe drin, die Krebs verursachen können", erläutert sie, während sie kopfschüttelnd beobachtet wie Kinder mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch das Wasser waten, um den Weg zu ihren unweit des Bachlaufs gelegenen Hütten, abzukürzen.

Kinder spielen im Giftwasser

Einige Hütten eines Slums nahe Johannesburg (Foto: DW)
Bei den ersten Anwohnern sind bereits Krankheiten aufgetretenBild: Wittek

In unmittelbarer Nähe, in einem Slum auf einer Deponie bestätigt Jeffrey Supinga, der Sprecher der Wellblechhüttenbewohner, dass die Kinder häufig in dem Wasser spielen und es selbstverständlich auch trinken. Viele der hier lebenden würden die Folgen schon zu spüren bekommen, erklärt er: "Wir werden schneller krank, bekommen Erkältungs- und Lungenkrankheiten." Seitdem Wissenschaftler und Umweltaktivisten ihm erklärt haben, dass die Gegend gesundheitsgefährdend sei, kann Supinga nicht mehr ruhig schlafen. Denn er ist arbeitslos und weiß nicht wo er sonst leben soll.

Regierung beruhigt

Marius Keet vom Ministerium für Wasserwirtschaft kennt das Problem, ist aber bemüht die Brisanz der Lage herunterzuspielen: "Es handelt sich nur um eine kleine Siedlung, die von dem austretenden Giftwasser betroffen ist. Und nach seinen Informationen trinke auch kaum jemand direkt aus den Flussläufen, so der Beamte. Diese "Krisensituation" sei räumlich beschränkt auf Johannesburgs Westrand, wo das hochgiftige Wasser schon an die Erdoberfläche tritt. Für den restlichen Großraum Johannesburg bestehe jedoch kein Grund zur Panik, versichert der Ministeriumssprecher.

Er erläutert, dass der unterirdische Giftwasserspiegel im Schnitt noch 508 Meter unter der Erdoberfläche sei. Ökologisch vertretbar, da ohne Folgen für Menschen sei es, wenn das Giftwasser bis auf 250 Meter steige. Nach den Berechnungen des Ministeriums steige der Pegel derzeit täglich um etwa 50 Zentimeter an und das bedeute: "Wir haben noch 500 Tage Zeit, um alles Notwendige in die Wege zu leiten."

Staatliche Fehlentscheidung

Nilpferde schwimmen in rotgefärbten, giftigen Wasser (Foto: DW)
Auch Tiere und Pflanzen kommen direkt mit dem giftigen Schlamm und Wasser in BerührungBild: Wittek

Die ersten Schritte hat die Regierung bereits eingeleitet. Für umgerechnet rund 650.000 Euro wurde dem Wasser, das an die Oberfläche schießt und kurz darauf durch ein Naturschutzgebiet fließt, Kalk beigemischt. Eine Schnappsidee, die alles verschlimmert, schimpft Mariette Liefferink jedoch. "Das Ergebnis ist, dass der See im Schutzgebiet heute eine einzige radioaktive Schlammbrühe ist." Zudem sei das Wasser völlig versalzen, so die Umweltschützerin weiter.

Die Regierung habe mit ihrer Maßnahme gehofft, dass sich Schwermetalle und radioaktive Stoffe als Schlammsediment absetzten. Nur: die Becken seien voll und keiner wisse, wohin mit dem radioaktiven Schlamm. Außerdem würde immer mehr Giftwasser an die Oberfläche drängen und sämtliche Giftstoffe in die Wasserläufe spülen, die Johannesburg mit Trinkwasser versorgen. Der Umweltverband ´"Federation for a sustainable environment" (FSE) wirft den Entscheidungsträgern Untätigkeit vor und will nun vor Gericht ziehen. Denn spätestens ab 2014, so die Berechnungen des Verbands, ist die Trinkwasserversorgung für ganz Johannesburg bedroht.

Autorin: Dagmar Wittek

Redaktion: Stephanie Gebert