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Gewinner und Verlierer beraten in Berlin

Bettina Marx14. Mai 2012

Am Tag nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen haben die Spitzengremien der Parteien in Berlin das Wahlergebnis analysiert. Freude und Enttäuschung gehen dabei quer durch Regierung und Opposition.

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Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, grüßt die Bundespartei in Berlin am Tag nach ihrem Wahlerfolg. Foto. Reuters
Bild: Reuters

Mit lang anhaltendem Applaus wurde Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Willy-Brandt-Haus in Berlin empfangen. Ihr überzeugender Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen hat auch den Genossen in der Bundeshauptstadt wieder Auftrieb gegeben. 39,1 Prozent hat die beliebte Landesmutter in Düsseldorf für die SPD einfahren können. Damit liegt sie weit über den Zustimmungswerten, die die Sozialdemokraten landesweit in den Umfragen derzeit für sich verbuchen können. Mit Herz und Leidenschaft sei es Kraft gelungen, die Wähler im größten deutschen Bundesland von sich zu überzeugen, lobte der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, als er der strahlenden Ministerpräsidentin einen dicken roten Blumenstrauß überreichte. "Gestern haben wir erlebt, zu was Sozialdemokraten fähig sind", sagte er sichtlich erfreut. "SPD und Grüne haben gestern gezeigt, dass wir gemeinschaftlich Wahlen gewinnen können".

Zufriedenheit bei den Grünen

Auch bei den Grünen herrschte am Tag nach der NRW-Wahl angesichts des Wahlergebnisses von 11,3 Prozent Zufriedenheit. Der Wahlkampf im größten Bundesland sei schwer gewesen, resümierte Parteichefin Claudia Roth. Die Polarisierung zwischen Hannelore Kraft und ihrem CDU-Herausforderer Norbert Röttgen habe die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Daneben habe auch der Überlebenskampf der FDP unter ihrem Spitzenkandidaten Christian Lindner im Mittelpunkt des Interesses gestanden.

Infografik des vorläufigen emtlichen Wahlergebnisses in Nordrhein-Westfalen. (Grafik: DW)
Das Wahlergebnis in NRW

Vor diesem Hintergrund sei man zufrieden, dass man das hohe Ergebnis der Wahl aus dem Jahr 2010 (12,1%) fast wieder erreicht und im neuen Landtag sogar mehr Sitze habe, als zuvor. Das sei eine hohe Anerkennung der Wähler für die politischen Inhalte der Minderheitsregierung, "für eine Politik, die auf Kinder, auf Klima, auf Kommune setzt, aber auch für einen neuen politischen Stil".

Scharfe Kritik übte Roth an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mit der Niederlage in Nordrhein-Westfalen sei auch ihre Politik abgestraft worden. "Die Menschen wollen keine schwarz-gelbe Politik, die die Gesellschaft spaltet. Es ist auch eine Politik abgestraft worden, die auf reines Spardiktat in Europa setzt." Auch die Grünen setzten sich für Sparen ein. Sie forderten daneben aber auch Wachstumsimpulse, so Roth.

NRW-Wahl: Analysen am Tag danach

Angeschlagene Bundeskanzlerin

Merkel wies die Kritik an ihrem Kurs in der Europapolitik zurück. Sie setze auf Wachstum und Haushaltsstabilität, sagte sie. Dafür werbe sie um die Unterstützung der Oppositionsparteien.

Ihre Enttäuschung über das schlechte Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen konnte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende indes nicht verhehlen. Sie wirkte deprimiert und übernächtigt, als sie sich nach der Präsidiumssitzung der CDU im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin an der Seite von Bundesumweltminister Norbert Röttgen zeigte. Der Wahltag in Nordrhein-Westfalen sei ein bitterer Tag gewesen. Die Niederlage werde man der Tradition der CDU entsprechend gemeinsam tragen. Damit wandte sich Merkel gegen die scharfe Kritik an Röttgen aus der Schwesterpartei CSU. Deren Parteichef Horst Seehofer hatte nach dem Wahldebakel Röttgens weitere Eignung als Umweltminister in Frage gestellt. Der CDU-Spitzenkandidat im NRW-Wahlkampf selbst gestand seine Niederlage erneut ein. Gleichzeitig unterstrich er, dass er sein Ministeramt in Berlin bis zum Ende der Legislaturperiode beibehalten wolle. Auch danach wolle er sich nicht aus der Politik verabschieden, sondern Abgeordneter bleiben.

Bundeskanzlerin Merkel und Umweltminister Röttgen (Foto: Reuters)
Zwei enttäuschte Verlierer: Bundeskanzlerin Merkel und Umweltminister RöttgenBild: Reuters

Die FDP und die Piraten im Aufwind

Während die Stimmung bei der Union gedrückt war, herrschte bei ihrem Koalitionspartner FDP Stolz und Freude. Parteichef Philipp Rösler sagte, die Erfolge in Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein eine Woche zuvor seien eine absolute Ermutigung für die Liberalen. Wenn man eine überzeugende liberale Politik betreibe und auf Schuldenabbau setze, werde dies von den Wählern honoriert. Die Menschen wollten eine "Partei der Mitte" und eine liberale Stimme in den Landtagen. "Wir müssen das Vorschussvertrauen rechtfertigen. Das werden wir tun."

Flankiert wurde Rösler bei seinem Auftritt vor der Hauptstadtpresse in Berlin von Christian Lindner und dem schleswig-holsteinischen FDP-Vorsitzenden Wolfgang Kubicki. Lindner sagte, es gebe in Deutschland eine große Gruppe von Wählern, die politisch heimatlos und auf der Suche seien. Für sie habe die FDP in Düsseldorf und in Kiel ein Angebot gemacht.

Zufrieden zeigte sich auch die Piraten-Partei, die mit 7,8 Prozent der Stimmen in den Landtag eingezogen ist. Nach 60 Tagen Wahlkampf sei man erschöpft, sagte Julia Schramm, Mitglied im Bundesvorstand. Die Partei werde jetzt ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 erarbeiten. Der Bundesvorsitzende der Partei, Bernd Schlömer, sagte, nach den Erfolgen in vier Bundesländern sehe er der Wahl im kommenden Jahr optimistisch entgegen.

Enttäuschung bei der Linken

Tiefe Enttäuschung herrschte am Tag nach der Wahl bei der Linken, die den Wiedereinzug in den Landtag von Düsseldorf nicht geschafft hat. An der Niederlage gebe es nichts zu beschönigen, so Parteichef Klaus Ernst. Doch in den Parteigremien hat man kaum Zeit, um die Wunden zu lecken, die die letzten beiden Landtagswahlen geschlagen haben. Denn dort ist man derzeit mit Personalfragen beschäftigt. Am Dienstag will die Bundesspitze der Partei zusammen mit den Länderchefs über die personelle Neuausrichtung beraten. In Saarbrücken hat sich unterdessen Oskar Lafontaine bereit erklärt, unter bestimmten Umständen beim Parteitag im Juni wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren. Lafontaine hatte seine Spitzenämter in Bundestagsfraktion und Partei Im Jahr 2009 wegen einer Krebsoperation niedergelegt.

Oskar Lafontaine und seine Parteifreundin und Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht (Foto: dapd)
Wer übernimmt den Bundesvorsitz der Linken? Oskar lafontaine oder seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht?Bild: dapd