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Gewalt sät Gewalt im Irak

9. November 2004

Die Nachrichtenlage über den Großangriff auf Falludscha bleibt unklar. Agenturen berichten, US-Truppen hätten große Teile der Stadt unter Kontrolle. Fest steht jedoch: Die Gewalt eskaliert weiter - im ganzen Land.

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Aufständische Kämpfer in FalludschaBild: AP

Seit dem Beginn der Offensive gegen die Rebellenhochburg am Montag (8.11.2004) ist die Lage in Falludscha unübersichtlich. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) sollen US-Soldaten am Dienstag (9.11.) durch eine Bresche in der Nähe des Bahnhofs in Falludscha eingedrungen sein. Auf der Suche nach verschanzten Aufständischen gingen sie von Haus zu Haus. In der Nacht hatten immer wieder die Blitze von Luftangriffen den Himmel über Falludscha erhellt. Die Stadt wurde auch mit schwerer Artillerie beschossen. Am ersten Tag des Großangriffs wurden nach US-Angaben 42 Rebellen getötet.

Opfer unter Zivilisten

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte zu Beginn der Offensive versprochen, dass sich die US-Truppen "bemühen, die Opfer in der Zivilbevölkerung gering zu halten". Dass dieses Versprechen eingehalten werden kann, daran gibt es angesichts der eingesetzten Waffen berechtigte Zweifel. Ein Klinikarzt berichtet gegenüber AP, bisher seien zwölf Einwohner getötet und 17 verletzt worden. Unter den Verletzten seien auch ein fünfjähriges Mädchen und ein zehnjähriger Junge. Russland hat in einer öffentlichen Erklärung die amerikanischen Truppen im Irak gemahnt, bei ihrer Offensive in Falludscha Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen.

Auch über den Verlauf der Kämpfe gibt es unterschiedliche Angaben: Während die Nachrichtenagentur AP Militärquellen zitiert, der Widerstand sei geringer als erwartet, gibt es laut der Agentur Reuters heftige Gegenwehr. Es scheint aber so, dass irakische Aufständische im Land versuchten, die Verteidiger von Falludscha durch Anschläge und Überfälle in anderen Teilen des Irak zu entlasten: Bei Angriffen auf drei Polizeiwachen in der Stadt Bakuba wurden nach Angaben eines Leichenschauhauses mindestens 45 Menschen getötet und zahlreiche weitere verwundet. In Kirkuk explodierte eine Autobombe an einem Stützpunkt der Nationalgarde und tötete nach Angaben des Kommandeurs drei Menschen. Auch in Bagdad waren am Dienstag Explosionen zu hören.

Prekäre Lage für Bewohner von Falludscha

Für die in Falludscha verbliebenen Menschen wird die Situation inzwischen immer schwieriger. Die US-Streitkräfte haben die Stromversorgung der Stadt unterbrochen. Auch ein Großteil der Generatoren ist lahm gelegt. Einwohner berichten, dass sie kein Wasser mehr haben. Auch wächst die Sorge um die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Seit zwei Tagen sind die meisten Geschäfte in Falludscha geschlossen. "Jede Minute explodieren hunderte von Bomben und Granaten", berichtet ein Bewohner einem AP-Reporter. "Der Norden der Stadt steht in Flammen. Falludscha ist eine Hölle geworden."

Die US-Kommandeure schätzen, dass sich etwa 3000 Rebellen in Falludscha verbarrikadiert haben, mehr als die Hälfte der etwa 200.000 Einwohner seien geflohen. Eine Bestätigung dieser Angaben von anderer Seite gibt es nicht. An der Offensive sollen sich 10.000 bis 15.000 US-Soldaten beteiligen, unterstützt von einer kleineren Zahl irakischer Soldaten. Am Montag hatte der irakische Regierungschef Ijad Allawi den US-geführten Truppen die Erlaubnis zur Offensive gegen Falludscha erteilt. Ziel der Offensive sei es laut Allawi, "Falludscha von Terroristen zu säubern". "Ich erteile der multinationalen Truppe die Autorität dazu und befehle den irakischen Streitkräften, sie zu unterstützen", sagte er am Montag.

Allawis Kriegsrhetorik

Bei einem Besuch im US-Stützpunkt vor Falludscha fiel Allawi wie in den vergangenen Tagen mit drastischen Formulierungen auf. "Die Leute von Falludscha sind als Geiseln genommen worden und ihr müsst sie aus dem Griff der Rebellen befreien." Die Soldaten riefen: "Sollen sie zur Hölle gehen!" Allawi antwortete: "Zur Hölle werden sie gehen."

Gegen Allawis Aufruf stellten sich sowohl irakische Geistliche der Sunniten wie auch der Schiiten. Sie forderten die irakischen Soldaten auf, sich nicht an dem Sturm zu beteiligen. Es sei ein großer Fehler, unter der Fahne derer zu kämpfen, die weder Religion noch Menschenrechte respektierten, erklärte der Verband der sunnitischen Geistlichen. Die sunnitische Islamische Partei im Irak hat wegen der US-geführten Großoffensive in der Rebellenhochburg Falludscha ihren Rückzug aus der Bagdader Regierung angedroht. Die Offensive müsse sofort gestoppt werden und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zurückkehren, sagte ein Sprecher der Partei. (stl)