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Gesundheitstest für EU-Agrarpolitik

Bernd Riegert22. September 2008

Europäische Bauern klagen über Bürokratie, Preise und die ungerechte EU-Kommission. Kurz vor dem jährlichen Kongress der europäischen Bauern in Brüssel beleuchtet eine Fokus Europa-Serie die Lage der europäischen Bauern.

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EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel (25.08.2008/AP)
Mariann Fischer Boel plädiert für den Gesundheitstest für die AgrarpolitikBild: AP

Von einer großen Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik möchte Mariann Fischer Boel nicht sprechen, denn dann hätte sie sofort die großen Agrarländer Frankreich und Deutschland im Nacken. Die EU-Kommissarin aus Dänemark, deren Familie selber einen Bauernhof besitzt, nennt die geplanten Veränderungen in der Agrarpolitik lieber einen Gesundheitstest.

Manchmal sei es ja auch für den Menschen wichtig, einen Gesundheitstest zu machen, um sicher zu sein, dass man wirklich fit sei, so die Kommissarin. „Wenn man ein paar Korrekturen braucht, warum nicht? Genau das ist der Gesundheitstest."

Ländliche Entwicklung immer wichtiger

Ein Landwirt faehrt Stroh von einem Getreidefeld (26.07.2004/AP)
Mit knapp der Hälfte des Haushaltes unterstützt die EU ihre BauernBild: AP

Der Gesundheitstest, der seit einem Jahr läuft, hat gezeigt, dass die EU-Agrarpolitik immer mehr von direkten Subventionen für einzelne Betriebe oder Produkte weggeht und stattdessen hinsteuert zur allgemeinen ländlichen Entwicklung, zur Landschaftspflege und zur Unterstützung von Infrastrukturprojekten.

„Ich denke, dass wir das Geld richtig ausgeben. Das versuchen wir durch das Umleiten der Gelder in die ländliche Entwicklung zu erreichen", so Fischer Boel. Wenn sie die Zukunft der Landwirtschaft vor Augen habe, dann sehe sie, dass ländliche Entwicklung immer wichtiger werde.

Beispiele für diese seien die bessere Wasserversorgung oder die Zucht von hitzeresistenten Pflanzen, die dem Klimawandel trotzen, so Mariann Fischer Boel. „Wir schlagen vor, acht Prozent der Direktbeihilfen zu kürzen, um sie für den Kampf gegen den Klimawandel zu verwenden. Wir brauchen Investitionen, um sicherzustellen, dass wir Nahrungsmittel so produzieren können, wie wir das bisher gewohnt sind."

Weniger Geld für Großbetriebe

Getreidefeld mit Kühen im Hintergrund
Kleinbauern, die in Umweltschutz investieren, sollen weiter gefördert werdenBild: AP

Rund 50 Milliarden Euro gibt die Europäische Union für die Unterstützung ihrer 13 Millionen Bauern aus. Das ist knapp die Hälfte des gesamten Haushalts - Tendenz allerdings fallend: Das Budget für den Agrarbereich werde von 2003 bis 2013 schrumpfen, so Fischer Boel.

Abgeben sollen vor allem Großbetriebe, denn bislang wird nach Größe der Anbaufläche subventioniert. Kleinbauern, die sich im Landschaftsschutz engagieren, sollen weiter gefördert werden. Heute bekommen 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent des Geldes. Die EU-Landwirtschaftskommissarin rechnet mit scharfem Gegenwind.

„Natürlich sind die Großbetriebe nicht glücklich. Aber wenn wir versuchen zu erklären, warum wir das machen, kann man doch Verständnis wecken", hofft die Kommissarin. Denn sie muss versuchen, die Interessen der mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bekommen. Entworfen wurde die derzeitige Landwirtschaftspolitik bereits 2003 und zwar für nur 15 Mitgliedsstaaten. „Wenn man sich die Meinungen der Bauern im Norden, Süden, Westen oder Osten der EU anschaut, dann stellt man enorme Unterschiede fest. Deshalb muss man als verantwortliche Politikerin hart genug sein, die Vorschläge zu machen, die man für notwendig hält."

Produktion nach den Gesetzen des Marktes

Ein Bauer legt ein Stück Butter auf einen gestapelten Butterberg (29.04.2004/dpa
Bauern protestierten schon 2004 gegen den Verfall der MilchpreiseBild: AP

Oberstes Ziel der Landwirtschaftspolitik müsse sein, dass die Bauern flexibel für die Märkte produzieren können. Die Zeiten von Dirigismus und Planwirtschaft, die in den 1970er- und 1980er-Jahren zu grotesker Überproduktion, Butterbergen und Milchseen geführt haben, seien endgültig vorbei, so Fischer Boel.

„Wegen des Preisanstiegs haben wir keine Interventionskäufe, keine Exportsubventionen und keine Lagerhaltung mehr." Den Bauern in Europa gehe es nach Einschätzung der EU-Kommissarin im Moment recht gut. Die Erzeugerpreise seien hoch und die Ernte in diesem Jahr werde gut ausfallen. Landwirtschaft sei gerade wegen der steigenden Preise für Nahrungsmittel und der weltweit steigenden Nachfrage wieder ein zentrales Thema. Bis zum Ende des Jahres soll der Gesundheitstest der gemeinsamen EU-Agrarpolitik abgeschlossen sein.