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Russland entscheidet sich für Putin

4. März 2012

Der neue Präsident Russlands heißt wieder Wladimir Putin. Seine Wahl wird jedoch von Fälschungsvorwürfen begleitet. Oppositionelle Bewegungen wollen am Montag in Moskau demonstrieren.

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Ein Bildschirm mit den Wahlergebnissen der Kandidaten. Putin führt mit deutlichem Abstand (Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin)
Putin führt mit deutlichem AbstandBild: Reuters

Wladimir Putin hat die Präsidentenwahl in Russland haushoch gewonnen, doch wirklich sicher fühlt er sich offenbar nicht. Die Innenstadt von Moskau glich am Wahlsonntag (04.03.2012) einer belagerten Festung. Tausende Polizisten riegelten den Kreml, den Roten Platz und einige Nebenstraßen komplett ab, wo sich Putin am späten Abend vor Zehntausenden Anhängern wie ein Superstar feiern ließ. Von schweren Militärfahrzeugen wurde auch die Zentrale Wahlkommission umstellt, in der das vorläufige amtliche Wahlergebnis verkündet wurde.

Wie sauber war Putins Sieg?

Zwei Drittel der rund 110 Millionen stimmberechtigten Russen sollen für Putin gestimmt haben. Sein Image eines Machers gefällt offenbar vielen Russen, wie dieser älteren Frau aus Moskau: "Ich habe für ihn gestimmt, weil er ein starker Anführer ist." Niemand in Russland bezweifelt, dass Putin mit Abstand der beliebteste Politiker im Land ist. Doch war diese Wahl wirklich frei, fair und sauber, wie Putin vor seinen jubelnden Anhängern in Moskau sagte?

Der russische KP-Vorsitzende Gennadi Sjuganow erhebt bei einer Demonstration in Moskau die Faust (Foto: dpa)
Gennadij Sjuganow: "Präsidentenwahl nicht legitim"Bild: picture-alliance/dpa

Die Opposition hat da berechtigte Zweifel. Die Präsidentenwahl sei nicht legitim, erklärte am Wahlabend etwa Kommunistenchef Gennadij Sjuganow, auf den nach offiziellen Angaben rund 20 Prozent der Stimmen entfallen. Der ganze Staatsapparat habe nur für einen Kandidaten gearbeitet - Wladimir Putin. Sjuganow und seine Anhänger berichten über zahlreiche Verstöße und berufen sich auf Beobachter.

Zehntausende Russen engagierten sich als Wahlbeobachter, wie der 24-jährige Unternehmer Jakow Lifschiz aus Moskau. Gewissenhaft ging er seiner Arbeit nach und stellte gleich nach der Eröffnung des Wahllokals in einer Moskauer Schule Unregelmäßigkeiten fest. "In der Wählerliste gab es einige Markierungen bei bestimmten Namen. Wir haben den Kommissionsleiter darauf angesprochen und die Markierungen wurden entfernt", berichtet Lifschiz, der den Vorgang mit seinem Smartphone gefilmt hatte.

Tausende Verstöße gemeldet

Es sind Wahlbeobachter wie Lifschiz, auf die sich nun mehrere Nichtregierungsorganisationen berufen, wenn sie über Verstöße bei der Präsidentenwahl berichten. Tausende sollen es sein. Unklare Markierungen in Wählerlisten scheinen dabei harmlos zu sein im Verglich zu Fällen, die aus anderen Wahllokalen gemeldet werden. Noch vor der Abstimmung sollen die bei dieser Wahl erstmals aufgestellten Web-Kameras festgehalten haben, wie Stimmzettel in die Wahlurnen geworfen wurden. Das teilte am Sonntag in Moskau Elena Bytschkowa vom Bündnis "Für faire Wahlen" mit.

Jakow Lifschiz, Wahlbeobachter in Moskau (Foto: DW)
Jakow Lifschiz stellte Unregelmäßigkeiten in einem Wahllokal festBild: DW/R.Goncharenko

Auch Beobachter der Nichtregierungsorganisation "Golos" stellten wiederholt Unregelmäßigkeiten fest. Die Wahlfälschungen seien im Vergleich zur Parlamentswahl im Dezember 2011 raffinierter, meinten die "Golos"-Experten in Moskau. Besonders oft ist von so genannten "Karussellen" die Rede - von Fällen, bei denen ganze Wählergruppen mehrfach abstimmen konnten.

Bei der Zentralen Wahlkommission ist man jedoch skeptisch. Es werde viel über Fälschungen geredet, doch die Beweise ließen auf sich warten, so der stellvertretende Wahlleiter Stanislaw Wawilow. "Man will nur Eigenwerbung und Lärm machen", sagte er mit einem Seitenhieb auf kremlkritische NGOs.

Proteste am Montag

Nach der Wahl steigt die Spannung in Moskau. Für Montag (05.03.2012) wurden erneut Massenproteste angekündigt. Die Bewegung "Für freie Wahlen", die in den letzten Monaten mehrere große Demonstrationen mit weißen Bändern als Symbol veranstaltet hatte, kündigte für 19.00 Uhr Moskauer Zeit eine Kundgebung am Puschkin-Platz an. Bis zu 10.000 Teilnehmer werden erwartet.

Protestaktion der russischen Opposition für freie Wahlen (Foto: DW)
Protestaktion der russischen Opposition für freie WahlenBild: DW

Diese Aktion habe vor allem symbolische Bedeutung, so die Einschätzung vieler Experten in Moskau. Es werde sich zeigen, ob man auch nach der Wahl friedlich protestieren dürfe. Eine zweite "orangene Revolution" wie 2004 in der Ukraine werde es in Russland nicht geben. Dies haben hochrangige russische Politiker und Beamte wiederholt erklärt. Der stellvertretende Innenminister drohte sogar denjenigen mit Konsequenzen, die "aus einer genehmigten Kundgebung einen ungenehmigten Aufmarsch machen wollen".

Explosive Stimmung

Der künftige Präsident Putin deutete bereits ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten an. Kurz vor der Wahl warf der Premier der Opposition sogar vor, mit Mordplänen die Stimmung im Lande anheizen zu wollen. Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow sprach von keinem guten Zeichen für künftige Kundgebungen. Die friedliche Proteststimmung könnte bei einem Kräftemessen mit den Sicherheitsbehörden kippen, befürchten viele Menschen in Moskau.

Besonders gefährlich könnte es am Montag am Ljubjanka-Platz werden. Dort steht die Zentrale des russischen Geheimdienstes FSB, der Nachfolgeorganisation des sowjetischen KGB. Die Moskauer Behörden haben Demonstrationen an diesem Platz untersagt. Doch eine Gruppe linker Aktivisten und Autonomer will sich an das Verbot nicht halten. Und so bleibt auch nach der Wahl die Stimmung in Moskau explosiv.

Autor: Roman Goncharenko
Redaktion: Markian Ostaptschuk