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Politik

Gesine Schwan: "Die SPD kann Merkel Paroli bieten"

18. März 2018

Seit 46 Jahren ist Gesine Schwan SPD-Mitglied. Die Politikwissenschaftlerin hat die Höhen und Tiefen der Partei hautnah miterlebt. DW sprach mit ihr über die Zukunft der Sozialdemokraten und die EU-Flüchtlingspolitik.

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Gesprächspartnerin Gesine Schwan für das "Interview"
Bild: DW

Interview mit Gesine Schwan

Seit Jahren scheint die SPD von einer Identitätskrise in die nächste zu stolpern. Während ein Umfragetief das nächste jagt, startet die Partei nun in eine kontroverse Neuauflage der großen Koalition. Auf welchen politischen Kern sollten sich die Sozialdemokraten konzentrieren? Welches Programm kann bei Wählern eine Mehrheit finden? Antworten darauf sucht auch die Grundwertekommission des Parteivorstands. Dessen Vorsitzende ist seit vier Jahren die Berliner Politik-Professorin und ehemalige Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan.

Solidarität als Kern der SPD-Politik

"Solidarität ist ein Kernwert der SPD," befindet Schwan. Darauf müsste sich die Partei berufen angesichts der steigenden Ungleichheit in Deutschland, die durch die Flüchtlingskrise verstärkt sichtbar geworden sei.

"Die Flüchtlinge haben beleuchtet, wie viele Abgehängte es in den westlichen Gesellschaften gibt", so Schwan. "Jetzt kommt es darauf an, konstruktive Lösungen zu finden."

"Wir müssen sowohl Wohnungen bauen für die, die lange keine Wohnung bekomme haben, als auch für die, die jetzt zu uns kommen. Es ist ja verständlich, dass die, die jahrelang auf Sozialwohnungen gewartet haben, sich ärgern, wenn da plötzlich Container [für Flüchtlinge, d. Red.] gebaut werden. Das hat die SPD nicht früh genug, geschweige denn vor den Konservativen, eingesehen, dass unsere Gesellschaft auch zerklüftet ist", analysiert Schwan im DW-Interview.

Geld für EU-Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen

In der EU-Flüchtlingspolitik plädiert Schwan für einen Fonds, "bei dem sich europaweit Kommunen bewerben können, die Flüchtlinge aufnehmen wollen und die dafür belohnt werden, indem sie dieselbe Summe noch mal für die eigene Entwicklung bekommen".

Das könnte ein Mittel sein, in Ländern wie Polen - deren Regierung keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen will -  Kommunen zu unterstützen, die "direkt, klug und intelligent die Flüchtlinge aufnehmen wollen".

Gesine Schwan gilt als Polen-Expertin, hat ihre Dissertation über den polnischen Philosophen Leszek Kolakowski geschrieben und ist Mitglied in der deutsch-polnischen Wissenschaftsstiftung.

Gesine Schwan und Horst Köhler
Gesine Schwan trat 2004 und 2009 als Kandidatin bei der Wahl zum Bundespräsidenten gegen Horst Köhler anBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Die heute 74-Jährige trat 1972 der SPD bei, beeindruckt von der Friedens- und Entspannungspolitik des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Willy Brandt. Seitdem hat sie viele Hochs und Tiefs der Sozialdemokratie miterlebt. Anfang der 1970er war die überzeugte Antikommunistin Schwan eines der Gründungsmitglieder des Seeheimer Kreises, der heute als Sammelbecken für Bundestagsabgeordnete des rechten Parteiflügels gilt.

Heute ist die Politikprofessorin eine der bekanntesten und streitbarsten Denkerinnen der SPD. Der breiten Öffentlichkeit ist sie vor allem bekannt als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt: Horst Köhler unterlag sie 2004 mit nur 15 Stimmen und erneut 2009.

Die Zukunft der SPD

Schwan äußert sich im DW-Interview optimistisch zur Zukunft ihrer Partei. Sie glaube, dass die neuen SPD-Minister Merkel Paroli bieten und sich auch als potentielle Kanzlerkandidaten hervortun könnten. Schließlich habe sich die politische Lage seit 2013 gewandelt. "Damals hatten alle Angst vor der Popularität von Frau Merkel. Auch die Sozialdemokraten haben ihr nicht Paroli geboten", so Schwan. Mittlerweile hätten jedoch alle verstanden, "dass sie ihre Eigenständigkeit zeigen müssen und dass sie dafür werben müssen in der Öffentlichkeit".

Gesine Schwan und Gerhard Schröder
Da hatte die SPD noch gut Lachen: Gesine Schwan 2004 mit Bundeskanzler Gerhard SchröderBild: picture-alliance/AP Photo/C. Stache

Im Interview mit der DW lobt Schwan besonders ihren Parteifreund Heiko Maas für seinen Einstand im Auswärtigen Amt: "Ich bin schon über den ersten Schritt des neuen Außenministers Maas sehr zufrieden: Er hat in Frankreich Präsident Macron deutlich gemacht: Deutschland will Frankreich entgegenkommen und mit Frankreich und den anderen europäischen Ländern zusammen was machen."

Befürworterin von Rot-Rot-Grün

Was wünscht sich Schwan für die Zukunft ihrer Partei? "Dass sie mutig genug ist, sich ein klares Bild von ihren Aufgaben zu machen, und die dann auch umzusetzen."

Im DW-Interview plädiert sie dafür, dass die Sozialdemokraten langfristig eine rot-rot-grüne Koalition mit Linkspartei und den Grünen anstreben sollten - das sei "die [einzige Koalition, d. Red.], die seit Jahren realistisch ist."

"Ich glaube auch, dass diese Option am ehesten für ein solidarisches Europa steht", so Schwan.

 

mbi