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„Das Ende der Gewissheiten sehe ich als Chance“

17. April 2020

Für wen macht die DW welche journalistischen Angebote? Programmdirektorin Gerda Meuer erläutert im Weltzeit-Interview die wachsenden Anforderungen im Zeichen von Krise, Diversität und Wandel.

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Gerda Meuer, Programmdirektorin der Deutschen Welle (DW)
Bild: DW/P. Böll

Welche Menschen will die DW insbesondere erreichen, was erwarten diese von Deutschlands internationaler Informationsanbieterin und was bedeutet das für die Ausrichtung der journalistischen Angebote? Antworten von Programmdirektorin Gerda Meuer.  

Frage: Die DW will vor allem städtisch geprägte, in ihrer jeweiligen Gesellschaft engagierte Frauen und Männer zwischen 14 und 40 erreichen. Warum diese Fokussierung?  

Gerda Meuer: Wir wollen mit unseren Programmen zur Stärkung der Presse- und Meinungsfreiheit weltweit beitragen. Und das bedeutet in der Folge zweierlei: Zum einen fokussieren wir auf Länder mit geringen Bewegungsspielräumen für die Menschen, zum anderen haben wir es dann automatisch mit einer sehr jungen Zielgruppe zu tun. Denn in afrikanischen, arabischen und auch lateinamerikanischen Gesellschaften leben oftmals überdurchschnittlich viele junge Leute, die informationshungrig sind und für die Zukunft stehen.

Im Kern geht es um Multiplikatoren. Akteure der politischen Meinungsbildung jenseits von Regierungen und staatlichen Machtzentren. Dazu zählen zum Beispiel auch Influencer, Digital Natives, die schon vor dem 18. Lebensjahr an gesellschaftlichen Debatten teilnehmen. Überaus erfolgreiche DW-Formate wie JaafarTalk für den arabischen Raum oder The 77 Percent für Afrika profitieren gerade von dieser Zielgruppe. Das bestätigt uns in unserer Ausrichtung. Im Übrigen sind selbstverständlich alle herzlich willkommen, die die Angebote der DW nutzen. Wir arbeiten jeden Tag sehr hart und sehr erfolgreich daran, mit attraktiven Formaten immer mehr Menschen zu erreichen. 

„Ich will wissen und verstehen, was in meiner Region und in der Welt passiert und wie es mich betrifft.“ Was bedeutet diese in der DW-Strategie formulierte Erwartung des Publikums für die Programmgestaltung?

Sie bedeutet, dass unsere journalistischen Angebote das Interesse des Publikums sehr konsequent im Blick haben müssen. Wir gehen in unseren Redaktionen und in unserer professionellen Marktbeobachtung genau diesen Weg: täglich mehr zu erfahren von den Interessen der Nutzenden, um darauf publizistisch zu reagieren. Wir wollen unsere Entscheidungen datenbasiert treffen. Denn wir machen das Programm ja nicht für uns, sondern für diejenigen, die es nutzen.

Sollten diese von der DW nicht vor allem erfahren, was in Deutschland passiert?

Selbstverständlich erfahren sie in unseren Programmen, was in Deutschland passiert. Aber auch bei Geschichten aus Deutschland gilt – wie bei allen anderen Themen: Was ist relevant für die Zielgruppe? Und wie erzähle ich eine Geschichte so, dass sie einen Mehrwert für die Nutzenden hat? Meine Erfahrung ist, dass sich uns viele zuwenden, weil sie deutsche Perspektiven auf internationale oder regionale Fokusthemen nachfragen. Wie denkt ihr über das, was bei mir passiert? Oder auch: Wie ist bei euch geregelt, was mir gerade am Herzen liegt? Darüber hinaus haben zum Beispiel Reportagen über die dramatische Korruption in bestimmten Ländern in unseren Zielregionen immer auch eine deutsche Perspektive, und zwar schon deshalb, weil wir hier transparent und ausführlich berichterstatten, so wie es in der jeweiligen nationalen Öffentlichkeit gar nicht möglich ist. 

„Entscheidend ist der Austausch mit denen, die unsere Angebote nutzen“

Gerda Meuer, Programmdirektorin der Deutschen Welle (DW)
„Schneller reagieren, mehr ausprobieren, passgenau produzieren“: Gerda MeuerBild: DW/P. Böll

Bei all dem gilt: Entscheidend ist der Austausch mit denen, die unsere Angebote nutzen. Diesen Dialog treiben wir über das Community Management unserer Redaktionen sehr ernsthaft voran. Wie hält es Deutschland mit Flüchtlingen, welche Positionen nehmt ihr beim Thema Klimawandel ein, wie steht es um die gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen, was denkt ihr zu Diversity? Seid ihr lösungsorientiert in eurer Berichterstattung im Sinne des Constructive Journalism – berichtet ihr auch über positive Entwicklungen oder belasst ihr es nur bei den „Bad News“? Das sind immer wieder Impulse, die uns erreichen. Da müssen wir liefern. 

Das größte Kapital eines seriösen Informationsanbieters – zumal eines global präsenten – ist Glaubwürdigkeit. Warum sollten die Menschen gerade der DW vertrauen? 

Sie sollten es nicht nur, sie tun es. Unsere Werte beim Thema Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind außerordentlich hoch. Wir erreichen hier international Spitzenplätze. Darauf können wir stolz sein. Die Leute wissen offensichtlich, dass wir sehr professionell und unvoreingenommen unserem Handwerk nachgehen. Die DW profitiert selbstverständlich auch vom guten Ruf, den Deutschland international genießt. Aber auf diesen starken Werten darf man sich nicht ausruhen. Wir müssen sie mit jedem neuen journalistischen Produkt bestätigen. Mit exklusiven und investigativen Geschichten, die vor Ort recherchiert werden, mit Korrespondentinnen und Korrespondenten, die in der Lingua franca Englisch und den jeweiligen Landessprachen berichterstatten. Mit einem Qualitätsjournalismus, der seine Inhalte verifiziert und seine Quellen transparent macht. 

„Unsere Werte beim Thema Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind hoch“

Medienkonsum, Technik, Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer sind im steten Wandel. Wie stellt die DW sicher, dass sie im Dialog mit dem Publikum bleibt und bei der Wahl ihrer Themen und Formate auf dessen Aufmerksamkeit zählen kann? 

Essenziell ist, dass wir unsere Produktionen vor Ort ausbauen, um so eine noch größere Nähe zu unseren Zielgruppen herzustellen. Wer miteinander spricht, der ist schlauer, relevanter, erfolgreicher. Die DW richtet darüber hinaus sehr konsequent ihre Kräfte auf mediale Ausspielwege aus, über die sie die meisten Menschen in den jeweiligen Zielregionen erreichen kann. Sie reichen von digitalen Plattformen, Video-on-Demand und Audio-on-Demand über reichweitenstarkes Radio bis zu TV. Das verlangt eine hohe Flexibilität. Denn die Märkte sind tatsächlich sehr unterschiedlich. 
Viel ist ja davon die Rede, dass die immer schnellere Veränderung der Medienmärkte Programmverantwortliche weltweit verzweifeln lässt. Aber das Ende der Gewissheiten sehe ich eher als Chance: schneller zu reagieren, mehr auszuprobieren, passgenauer zu produzieren. Bewegung schadet niemandem – nur so kommt man ans Ziel. 

Fragen von Hannah Jasiewitz