1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Debatte um Rucksacktouristen in Berlin

28. März 2011

Berlin ist ein Magnet für junge Backpacker aus aller Welt. Vor allem der Szenebezirk Kreuzberg ist beliebt. So beliebt, dass jetzt eine Debatte losgebrochen ist, wie Einheimische mit dem Touristenstrom umgehen sollen.

https://p.dw.com/p/10j4l
Szene aus Berlin Kreuzberg (Foto: dpa/Alina Novopashina)
Straße als Festsaal: Berlin-KreuzbergBild: dpa
Easyjet-Maschine in Berlin Schönefeld (Foto: dpa/Nestor Bachmann)
Fürs Wochenende nach Berlin: durch Europas Billigfluglinien ist die Welt zu Gast in KreuzbergBild: picture alliance / dpa

Es ist das Lebensgefühl im Szenebezirk Kreuzberg, das die Touristen der Generation Billigflieger an Berlin anzieht: Arabische Schawarma-Stuben, russische Bars, deutsche Designerläden und spanisch-angehauchte Clubs.

Berlin genießt unter Backpackern weltweit das Image, die alternativste und lässigste Metropole Europas und der Ort zu sein, an dem die Welt in Deutschland nicht nur zu Gast ist, sondern ausgiebige Partys feiert. In Großgruppen bevölkern deshalb die Wochenendbackpacker aus Spanien, Italien, England und Frankreich Straßen und Plätze, trinken, lachen, grölen und haben Spaß.

Hostel-Wildwuchs und Partylärm stören Anwohner

480.000 Touristen sollen jeden Tag in Berlin unterwegs sein, ein Großteil davon konzentriert sich auf die derzeit angesagten Bezirke Kreuzberg und Neukölln. Die Folge: Beinahe wöchentlich eröffnet dort eine neue Bar, neue Hostels schießen wie Pilze aus dem Boden. Das erregt inzwischen die Gemüter: Mehr und mehr Anwohner stören die lauten Straßenpartys und Berge von Müll, die nach einer ausgedehnten Partynacht zurückbleiben. Und selbst für steigende Mietpreise wird der Zustrom der Touristen im Bezirk verantwortlich gemacht.

Hostel EastSeven in Berlin (Foto: Hostel EastSeven)
Berlin: Mekka für BackpackerBild: Hostel EastSeven

Eine Gruppe grüner Lokalpolitiker nahm das zum Anlass, berief eine Bürgerversammlung ein. Der provokante Titel der Veranstaltung war "Hilfe, die Touristen kommen". Was nicht abzusehen war: Aus der lokalen Veranstaltung, die Wege zu nachhaltigem Tourismus aufzeigen wollte, wurde eine überregionale Kampfdebatte. Mancher Einwohner ließ seinem Zorn auf die Touristen freien Lauf, wollte nicht länger "wie im Zoo" leben. Andere dagegen zeigten sich besorgt, Berlins Bild in der Welt als toleranter, multikultureller Schmelztiegel könne durch eine fremdenfeindliche Debatte beschädigt werden. Nicole Ludwig, wirtschaftspolitische Sprecherin der örtlichen Grünen, bereut es nicht, all das angestoßen zu haben. Sie kämpfe nicht gegen Touristen, sondern sie kämpfe dafür, die Bedürfnisse der Touristen besser mit denen der Anwohner abzustimmen. "Wenn in 20 Jahren nur noch Hostels, Cocktailbars und Sushi-Läden hier sind, dann kommt auch irgendwann der Tourist nicht mehr", sagt Nicole Ludwig.

2010 erstmals mehr als 20 Millionen Übernachtungen

2010 übersprang die Zahl der Übernachtungen in Berlin erstmals die 20-Millionen-Marke. Schon deshalb brauche die Stadt dringend ein durchdachtes Tourismus-Konzept, dass nicht nur auf Wachstum setze, sagt die grüne Politikerin. Die negativen Folgen des jetzigen Tourismus seien offensichtlich, denn ein Wildwuchs von Hostels zerstöre gewachsene Wirtschaftsstrukturen. Zudem führe eine Umnutzung privater Wohnungen zu Touristen-Apartments dazu, dass bezahlbarer Wohnraum für Anwohner knapp werde und die Mieten steigen. Für Georg Krug ist das grober Unfug. Nach der Wende machte er das erste Hostel in Kreuzberg auf. Jetzt leitet er das Hotel "Die Fabrik".

Oranienstraße in Kreuzberg (Foto: dpa)
Kreuzberg ist Treffpunkt der KulturenBild: dpa

Touristen seien nicht ansatzweise für Mietpreissteigerungen verantwortlich zu machen, wird er angesichts der seiner Ansicht nach nervenden Debatte laut: "Fakt ist einfach, dass sich Kreuzberg von einem Randbezirk zu einem Innenstadtbezirk entwickelt hat und - dieser Tatsache geschuldet - natürlich die Mieten nach oben gehen." Auch von Nicole Ludwigs Idee, die alternative Subkultur Berlins durch die Generation Billigflieger mitfinanzieren zu lassen, hält er herzlich wenig. Die Einführung einer Betten-Steuer oder "CityTax", um Geld in die leeren Szenebezirks-Kassen zu spülen, lehnt er aus tiefstem Herzen ab.

Touristen durch Steuern ausbremsen?

"Warum soll ein Tourist jetzt wieder zur Kasse gebeten werden. Also, ich denke, das ist wieder Aktionismus, letzten Endes werden die Dinge wieder abgeschoben auf den Touristen, der muss dann was dafür zahlen, ich wüsste nicht, woran das liegt."

Bei der Berlin Tourismus Marketing Gesellschaft "VisitBerlin" sieht man die Debatte ebenfalls mit Argwohn. Denn der Tourismus beschäftigt 230.000 Menschen in der Stadt und ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Und Berlins Image als Stadt der Kreativen und Alternativen ist dabei ein wichtiges Verkaufsargument. Eine Debatte um Bettensteuern klingt nach außen aber weder kreativ noch alternativ.

Autor: Richard Fuchs
Redaktion: Hartmut Lüning