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Generalstreik im Süden Chiles

18. Januar 2011

Zwei Tote, eine schwerverletzte Person und über 200 Festnahmen – das ist die vorläufige Bilanz nach tagelangen Protesten gegen die Gaspreiserhöhung im äußersten Süden Chiles.

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Brennende Autoreifen blockieren die Zufahrtsstraße nach Punta Arenas (Foto: AP)
Brennende Autoreifen blockieren die Zufahrtsstraße nach Punta ArenasBild: picture alliance / dpa

Zum 1. Februar sollten die Gaspreise in der Region Magallanes im äußersten Süden Chiles um 17 Prozent angehoben werden. Das hatte das staatliche Erdölunternehmen ENAP Ende Dezember beschlossen und damit die Wut der Verbraucher provoziert. Die Jahresdurchschnittstemperatur in der Region Magallanes an der Südspitze des Kontinents liegt bei sechs Grad Celsius. Der Preis für Erdgas, das in der Region vor allem zum Heizen und zur Energieerzeugung benötigt wird, wurde bislang stark subventioniert und lag dadurch weit unter dem Durchschnittspreis in anderen Landesteilen Chiles.

Demonstration gegen Gaspreiserhöhungen in Punta Arenas (Foto: AP)
Seit Tagen protestieren Bürger in Punta Arenas gegen Gaspreiserhöhungen im Süden ChilesBild: picture alliance / dpa

Verhandlungen abgebrochen

Bergbau- und Energieminister Laurence Golborne war am Montag (17.01.2011) in die Regionalhauptstadt Punta Arenas gereist um mit dem Bürgerbündnis zu verhandeln, das zu den Protesten gegen die Anhebung des Gaspreises aufgerufen hat. Als jedoch bekannt wurde, dass einzelne Bürgermeister der Region parallel mit Vertretern des Innenministeriums verhandelten, wurden die Gespräche abgebrochen. Laurence Golborne war durch die Rettung der 33 verschütteten Bergleute im Norden Chile im Oktober international bekannt geworden und gilt als einer der beliebtesten Politiker Chiles. Er hatte erst am vergangenen Freitag auch das Energieressort übernommen, nachdem der zuständige Minister Ricardo Raineri wegen umstrittener Äußerungen im Zusammenhang mit der Gaskrise seinen Posten räumen musste.

Golborne hatte angeboten, die Erhöhung des Gaspreises, entsprechend der Inflationsrate von 2010, zunächst auf drei Prozent zu beschränken, und gleichzeitig weitere Vergünstigungen für bedürftige Familien einzuführen, so dass diese die Preiserhöhung “praktisch nicht zu spüren bekommen“ würden, so der Minister. Daraufhin haben einige Unternehmen, vor allem aus der Tourismusbranche, den Streik abgebrochen. Nach wie vor sind jedoch die wichtigsten Zufahrtsstraßen nach Punta Arenas blockiert.

Bergbau- und Energieminister Laurence Golborne (Foto: AP)
Shootingstar der chilenischen Politszene: Bergbau- und Energieminister Laurence GolborneBild: AP

Staat geht massiv gegen Demonstranten vor

Die Bürgerplattform, in der mehrere gewerkschaftliche und soziale Organisationen vertreten sind, sieht jedoch nach wie vor keinen Anlass, den unbefristeten Generalstreik im Süden Chiles abzubrechen. Die Proteste richten sich jetzt vor allem gegen die Anwendung des Gesetzes zur Inneren Sicherheit, das es der Regierung erlaubt, mit militärischer Gewalt gegen Proteste und Straßensperren vorzugehen und Demonstranten wegen Störung der öffentlichen Ordnung vor Gericht zu stellen.

Diese Maßnahme ist nicht nur von der Opposition und der katholischen Kirche scharf verurteilt worden. Auch in den Reihen der Regierungskoalition wird Kritik laut, die der Regierung Versagen bei der Kommunikation und eine mangelnde politische Strategie vorwerfen.

Piñeras Popularität sinkt

Chiles Präsident Sebastián Piñera nach seinem Wahlsieg am 17. Januar 2010 (Foto: AP)
Ein Jahr nach seinem Wahlsieg hat Präsident Piñera viel an Popularität eingebüßtBild: AP

Die Gaskrise kommt Präsident Piñera denkbar ungelegen und hat ihm am Montag den ersten Jahrestag seines Wahlsiegs verhagelt. Die Opposition wirft ihm Wählerbetrug vor. Im Wahlkampf hatte er versprochen, die Kraftstoffpreise im Süden Chiles nicht zu erhöhen. Beobachter sehen die Glaubwürdigkeit von Sebastián Piñera beschädigt. Aktuellen Umfragen zufolge sind zwar noch 44 Prozent der Chilenen mit ihrem Präsidenten zufrieden, doch gleichzeitig ist der Anteil der Unzufriedenen im letzten Halbjahr von 29 auf 34 Prozent gestiegen. Von der erfolgreichen Rettung der Bergleute im vergangenen Oktober hat vor allem Bergbauminister Golborne profitiert, der als Shootingstar der chilenischen Politik Präsident Piñera überflügelt hat. Der Staatschef hingegen muss jetzt die Scherben zusammenkehren, die die ungeschickt vermittelte Gaspreiserhöhung hinterlassen hat. Ein Jahr nach seinem Wahlsieg hat Piñera einiges von seinem politischen Glanz verloren.

Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Sven Töniges