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UNESCO in Geldnot

Aya Bach31. Oktober 2012

Vor einem Jahr haben sich die USA aus der Finanzierung der Kulturorganisation der Vereinten Nationen herausgezogen. Die UNESCO kürzt seither Programme - auch Projekte für Bildung und Demokratie.

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Die Fahnen der Mitgliedsländer stehen im Unesco-Hauptquartier in Paris unter dem Schriftzug der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Foto: dpa)
Symbolbild UNESCOBild: picture-alliance/dpa

Es war ein Schock, als die USA im vergangenen Oktober ihre Zahlungen an die UNESCO einstellten. Mehr als ein Fünftel des UNESCO-Budgets, ganze 22 Prozent, fehlten plötzlich in der Kasse. Zunächst 72 Millionen US-Dollar, die Ende des Jahres hätten gezahlt werden sollen. Ein gravierender Einschnitt, auch wenn Saudi-Arabien und Norwegen jeweils 20 Millionen in einen Dringlichkeitsfonds einzahlten. Inzwischen beläuft sich der Fehlbetrag auf rund 144 Millionen.

Von einer "Krise" sprach schon vor einem Jahr UNESCO-Generalsekretärin Irina Bokova - ausgelöst von der Entscheidung der UNESCO, Palästina als Vollmitglied anzuerkennen. Schon im Vorfeld hatten die Amerikaner angedroht, ihre Zahlungen einzufrieren. Doch mit überwältigender Mehrheit wurde der palästinensische Antrag am 31. Oktober 2011 angenommen. Deutschland stimmte damals Seite an Seite mit den Amerikanern dagegen - mit Rücksicht auf Israel, das seine Zahlungen ebenfalls sofort einstellte.

Kontraproduktiv für die USA?

Die UNESCO beschloss flugs einen strikten Sparkurs, der sich möglichst stärker auf die Verwaltung als auf die Programmarbeit auswirken sollte. Doch bis heute sei das ein "schwerer Schlag", ließ Irina Bokova nun wissen - und sogar einer, der für die USA kontraproduktiv sei.

Porträt Irina Bokova im September 2009 (Foto: dpa)
UNESCO-Generaldirektorin Irina BokovaBild: picture-alliance/ dpa

Denn die Organisation, das wird oft übersehen, ist bei weitem nicht nur dafür zuständig, Schätze der Menschheit mit dem Gütesiegel "Weltkulturerbe" zu adeln. Mag das Kulturerbe in der weltweiten Öffentlichkeit auch populärer sein als andere Aktivitäten der UNESCO: Das Kürzel steht für "United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization", zu deutsch: "Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur". Und in der Verfassung hat sich die UNESCO das Ziel gesetzt, "in der ganzen Welt die Achtung vor Recht und Gerechtigkeit, vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu stärken".

Bildung und Demokratie

Bildung ist dabei einer der wichtigsten Schlüssel. Nicht umsonst ist die UNESCO federführend in der weltweiten UN-Dekade der Alphabetisierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Quote der erwachsenen Analphabeten zu halbieren.

Verlassenes Gebäude mit geschlossenen Fenstern: Die Jahan Maleka High School in der Provinz Ghazni, Afghanisan (Foto: DW)
Bildung dringend gesucht: Von den Taliban geschlossene Schule in AfghanistanBild: DW

Doch es geht auch um den Aufbau von Zivilgesellschaften - beispielsweise indem die UNESCO die Ausbildung von Journalisten in Krisenregionen und Umbruchsländern fördert. Nicht zuletzt unterhält sie etwa ein Büro für den Irak und ein Team vor Ort, um dort "Bildung, Wissenschaft, Kultur" sowie "Kommunikation und Information" zu unterstützen. Diese Arbeit, so machte die UNESCO-Chefin bald nach der US-Entscheidung deutlich, sei in Gefahr, ebenso ein Alphabetisierungsprogramm in Afghanistan - Projekte, die bisher auch von der US-amerikanischen Regierung angestrebt wurden.

Tatsächlich haben der amerikanische UNESCO-Botschafter David T. Killion und die Obama-Administration in den vergangenen Monaten sogar einen Anlauf unternommen, wieder in den Kreis der zahlenden UNESCO-Mitglieder zurückzukehren. Doch das unpopuläre Vorhaben wurde schnell wieder auf Eis gelegt.

Ausweichen in Deutschland

Und Deutschland, bislang drittgrößter Beitragszahler nach den USA und Japan? Auf Anfrage hält man sich beim Auswärtigen Amt bedeckt. Eine Sprecherin räumt ein, dass der amerikanische Zahlungsausfall die Arbeit der UNESCO "erschwert", allerdings hätten die "umgehend eingeleiteten Sparmaßnahmen" die Probleme "gemindert". Deutschland, heißt es in einer knappen Stellungnahme weiter, "hat durch die frühzeitige Überweisung der Pflichtbeiträge im laufenden Jahr einen Beitrag geleistet, um die Finanzschwierigkeiten zu mindern". Hinzu kämen zusätzliche Zahlungen Deutschlands für Projekte in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Kultur.

UNESCO-Gebäude von unten fotografiert (Foto: dpa)
Wohin geht die Reise? Das UNESCO-Hauptquartier in ParisBild: picture-alliance/dpa

Dennoch wurden UNESCO-Projekte im Planungsstadium abgeblasen, andere beendet oder eingefroren. "Mir fällt kein Programm ein, das nicht betroffen ist", klagte die Generaldirektorin kürzlich in der "New York Times". Und legte noch einmal nach mit ihrer Kritik an den USA: Deren Möglichkeit, "die muslimische Welt zu erreichen und vom Aufbau der Demokratie in arabischen Staaten zu sprechen", sei mit dem Zahlungsstopp geringer geworden. "Es ist bedauerlich, dass die USA nicht bei uns sind, wenn wir Werte hochhalten, die - so meine ich - für das amerikanische Volk von Bedeutung sind."

Gewichte verschoben

Ein kulturpolitisches Eigentor also? Schon einmal, zwischen 1984 und 2003, musste die UNESCO ohne US-amerikanisches Geld auskommen. Damals - unter Präsident Ronald Reagan - waren die USA gleich ganz aus der Organisation ausgetreten. Doch zur Zeit sieht es ganz danach aus, dass sich die Gewichte innerhalb der UNESCO verschieben. Zu den Ländern, die der klammen Organisation zuletzt zur Seite sprangen, zählen neben Saudi-Arabien und Norwegen Länder wie China, Malaysia, Südkorea, auch Indonesien, Katar und Algerien. Sogar Gabun und Tschad spendeten einen Obolus. Der Westen, bislang kulturpolitisch tonangebend, verliert an Bedeutung. Das Machtgefüge innerhalb der UNESCO ist in Bewegung geraten.

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