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Psychologie der Geiseln

Das Gespräch führte Sean Sinico12. April 2007

Ein zweites Ultimatum für die beiden deutschen Geiseln im Irak ist abgelaufen. Was eine solche Entführung psycholgisch bedeutet, erklärt Paul Rees, der Hilfsorganisationen und NGOs in Krisengebieten berät.

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Mitarbeiter des Krisenstabs des Auswärtigen Amts, Quelle: DPA
Mitarbeiter des Krisenstabs des Auswärtigen AmtsBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Rees, die beiden Deutschen sind nun seit Anfang Februar verschleppt. Was passiert psychisch während einer solchen Geiselhaft?

Paul Rees: Das kommt auf die Geiseln an. Wenn sie aggressiv sind, werden sie wahrscheinlich von den Geiselnehmern nicht sonderlich gut behandelt. Geiseln sollten Geiselnehmer nie reizen und immer höflich und zuvorkommend sein. Man muss aber seine Selbstachtung und sein Selbstvertrauen bewahren und immer an Flucht oder Befreiung glauben.

Wir wissen nicht, ob die beiden getrennt festgehalten werden. Inwiefern würde das einen Unterschied machen?

Wenn man sie zusammen festhält, machen das die Geiselnehmer mit einem Grund. Sie wollen dann die Geiseln nicht unbedingt belasten - und damit sich selbst. Wenn man sie trennt und sie nicht miteinander reden können, will man sie wohl gegeneinander ausspielen, etwa um Informationen zu bekommen. Dass sie zusammen im Fernsehen gezeigt wurden, das war natürlich aus emotionalen Gründen. Das sollte Eindruck in Deutschland machen und die Regierung unter Druck setzen.

Wissen Geiseln meistens etwas über ein Ultimatum?

Meist nicht. Manche Geiselnehmer sagen den Geiseln, dass sie getötet werden, wenn man nicht auf ihre Forderungen eingeht - um Druck auszuüben. Wenn ihre Forderrungen tatsächlich nicht erfüllt werden, drohen sie oft damit, was sie den Geiseln alles antun werden. Wenn sie bisher dahin eher nett waren, kann sich das dann nun ändern. Aber je länger eine Entführung dauert, desto mehr Gelegenheit gibt es, miteinander zu reden.

Was kann das für die Geiseln bedeuten?

Das kann positiv sein. Sie können versuchen, mit den Geiselnehmern zu reden. Familie ist meistens ein gutes Thema. Geiselnehmer haben normalerweise die Anweisung, nur mit den Geiseln zu reden, wenn sie Informationen brauchen. Aber wenn das Schweigen einmal gebrochen ist, ist da ein Ansatz. Wenn daraus irgendeine Verbindung entsteht, hilft das der Geisel physisch und psychologisch.

Welche Effekte treten schließlich bei Befreiten auf?

Freigelassen aus irakischer Geiselhaft: Rene Bräunlich und Thomas Nitzschke am 2. Mai 2006 bei ihrer Ankunft in Berlin, Quelle: AP
Freigelassen aus irakischer Geiselhaft: Rene Bräunlich und Thomas Nitzschke am 2. Mai 2006 bei ihrer Ankunft in BerlinBild: AP

Menschen reagieren psychologisch unterschiedlich auf solch ein Trauma. Vor allem kommt es aber auf die Art der Behandlung während der Gefangenschaft an. Manche leiden unter einem posttraumatischen Stresssymptom, vor allem wenn sie sexuell missbraucht oder auf eine andere Art misshandelt wurden. Wenn sie einigermaßen menschlich behandelt wurden, sind die Effekte meist geringer.

Paul Rees ist Direktor der Centurion Risk Assesment Services, eine Firma die sich darauf spezialisiert hat, Journalisten, Hilfsorganisationen und NGOs auf Aufenthalte in Krisengebieten vorzubereiten.