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Geheimdienste "unter die Lupe nehmen"

Marcel Fürstenau15. Januar 2014

In dieser Woche konstituiert sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages. Für die Linke bewirbt sich André Hahn um einen Sitz. Er bringt viel Erfahrung mit und hofft auf mehr Durchschlagskraft des PKG.

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Symbolbild Geheimdienst Überwachung Spionage (Foto: DW)
Bild: picture-alliance/dpa

Aller guten Dinge sind drei, heißt es sprichwörtlich. Die Bundesregierung leistet sich drei Geheimdienste. Ob das gut ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Würde man die Leistungsfähigkeit der Dienste in der jüngeren Vergangenheit mit einer Schulnote bewerten, gäbe es jedenfalls keine zwei. Die Zahl bedeutet im deutschen Bildungswesen "gut". Verdient hätten der für die Auslandsaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine fünf - mangelhaft.

Denn der BND will nichts von den weltumspannenden Abhör-Aktivitäten seines US-amerikanischen Pendants National Security Agency (NSA) mitbekommen haben. Und dem BfV entging die Mordserie des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Einigermaßen still blieb es lediglich um den Militärischen Abschirmdienst (MAD).

Alle drei Geheimdienste sind gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) auskunftspflichtig - mehr oder weniger jedenfalls. Mindestens einmal im Quartal tagt dieser seit 1978 existierende Bundestagsausschuss hinter abhörsicheren Wänden. Am Donnerstag (16.01.2014) wird sich das PKG neu zusammensetzen, dann wählt das Plenum des Bundestages die Mitglieder. Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien sitzen in dem Gremium und haben laut Gesetz einen Anspruch darauf, "umfassend über die allgemeine Tätigkeit und über Vorgänge von besonderer Bedeutung" informiert zu werden. Was darunter zu verstehen ist, interpretiert die jeweilige Regierung.

Der BND mischte im Irak-Krieg mit

Als vor Jahren mit reichlich Verspätung bekannt wurde, dass während des Irak-Kriegs BND-Agenten in Bagdad stationiert waren und den Amerikanern heikle Informationen zugespielt hatten, war die Empörung einiger PKG-Mitglieder groß. Was die von ihnen zu kontrollierenden Geheimdienste für sich behalten hatten, erfuhren die Abgeordneten nämlich aus der Zeitung. Offiziell hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) jegliche Beteiligung am Irak-Krieg stets bestritten.

Der an den Rändern unscharf werdende Schriftzug "Bundesnachichtendienst".
Der BND unterstützte die USA im Irak-Krieg, obwohl Deutschland offiziell Zweifel an der Militär-Mission äußerteBild: picture-alliance/dpa

"Immer dann, wenn es im 'Spiegel' oder in der 'Süddeutschen' stand und ein großer Skandal war, hat die Bundesregierung berichtet", empörte sich Hans-Christian Ströbele von den Grünen 2009. Ströbele gehört zu den dienstältesten PKG-Mitgliedern und ist die treibende Kraft beim Versuch, wenigstens einen kleinen Lichtstrahl ins Dunkel der 2013 bekannt gewordenen NSA-Affäre zu bringen. Der Grünen-Politiker will auch in der gerade begonnenen Legislaturperiode den staatlichen Schnüfflern auf die Finger schauen.

Sitz im Kontrollausschutz gerichtlich erstritten

Zu den PKG-Neulingen wird voraussichtlich André Hahn von der Linken gehören. Er bewirbt sich erstmals um einen Sitz in diesem Ausschuss. Im Bundestag ist es guter Brauch, alle Bewerber fraktionsübergreifend zu wählen. Hahn darf also auch mit Stimmen aus den anderen politischen Lagern rechnen. In Sachsen hat er andere Erfahrungen gemacht. Dort war Hahn 20 Jahre Landtagsabgeordneter und 1996 erster Politiker der Linken (damals PDS) in der Geheimdienst-Kontrollkommission eines deutschen Parlaments.Dieses Recht musste er sich allerdings vor Gericht erstreiten, weil ihm die Regierungpartei CDU den Zugang verweigern wollte. Über mangelnde Kontrollarbeit konnte sich der heute 50-Jährige dann nicht beklagen. Für Schlagzeilen sorgten Verquickungen zwischen Politik und Organisierter Kriminalität ("Sachsen-Sumpf") oder die im Freistaat untergetauchten mutmaßlichen NSU-Mörder. In beiden Fällen hat der sächsische Verfassungsschutz offenkundig auf ganzer Linie versagt. Diesen Eindruck gewann Hahn durch intensives Akten-Studium und die Befragung vieler Zeugen.

André Hahn im Interview

Auf Bundesebene gibt es noch mehr zu kontrollieren

Ihre Kontrollmöglichkeiten hätten sich die Abgeordneten über Jahre erkämpfen müssen, erzählt Hahn im Gespräch mit der Deutschen Welle. Als parlamentarischer Kontrolleur habe er schließlich weitreichende Informationen über konkrete Aktionen der Geheimdienste erhalten. Dazu hätten Details über observierte Personen ebenso gehört, wie die zugrunde liegenden Motive und die Ergebnisse solcher Maßnahmen. Im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages wird auf Hahn wesentlich mehr Arbeit zukommen als in Sachsen. Dort war er für einen Geheimdienst zuständig, hier sind es drei Dienste. Aber nicht nur deswegen rechnet der promovierte Politikwissenschaftler damit, dass ihm die Kontrolle schwerer fallen wird.

Als einziger Abgeordneter seiner Fraktion mit dem Recht zur Akteneinsicht könne er sich mit niemandem beraten. Es sei aber wichtig, sich mit anderen darüber austauschen zu können, "was dort stattfindet". Dort, im PKG, habe sich in den vergangenen Monaten gezeigt, wie notwendig es sei, die Geheimdienste "mehr unter die Lupe zu nehmen". Hahn spielt auf die NSA-Affäre an, die der damalige Geheimdienst-Koordinator der Bundesregierung, Ronald Pofalla (CDU), im Sommer für "beendet" erklärte.Zu früh, wie sich im Herbst zeigen sollte: Sogar das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde (oder wird?) von der NSA abgehört. Und das versprochene No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA scheint es nun doch nicht zu geben.

Der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Ronald Pofalla. Parlamentarisches Kontrollgremium
Hat den Mund zu voll genommen: Ronald PofallaBild: Getty Images

Staatssekretär für die Geheimdienste

Das designierte PKG-Mitglied André Hahn hat viele Gründe, skeptisch zu sein. Das größte Problem aus seiner Sicht: Man könne nur bewerten, was einem die Geheimdienste sagten. Vor allem müsse es möglich sein, die Öffentlichkeit über die Arbeit der Dienste zu informieren. "Das darf nicht in dem Geheimhaltungsraum bleiben", meint der gebürtige Berliner. Es sei Aufgabe des Kontrollgremiums, Überwachungsaktivitäten à la NSA künftig zu verhindern. Die von den inzwischen aus dem Bundestag geflogenen Liberalen geforderte Einsetzung eines Sachverständigen, der vom PKG mit umfassenden Recherche-Vollmachten ausgestattet wird, beurteilt Hahn skeptisch. Wichtiger sei es, die Rechte der Abgeordneten zu stärken.

Wenig hält der Linke auch von der jüngsten Entscheidung der Bundesregierung: Im Kanzleramt ist künftig ein extra dafür bestellter Staatssekretär für die Geheimdienste zuständig. In der Vergangenheit war das die Aufgabe des Kanzleramtschefs. Was auf den ersten Blick wie eine Stärkung der Geheimdienst-Kontrolle aussieht, hält Hahn eher für eine Abwertung. Denn der Leiter des Kanzleramtes agiert im Range eines Ministers und nimmt regelmäßig an Sitzungen der Regierung teil. Einem Staatssekretär wird diese Ehre nicht zuteil, er hat also faktisch weniger Einfluss. Wenn bei der Geheimdienst-Koordinierung künftig etwas schieflaufen sollte, fände die Regierung zudem schneller ein "Bauernopfer, das seinen Hut nehmen muss", orakelt Hahn.