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Gefängnisübergabe mit Veto-Recht

Sandra Petersmann10. September 2012

Die USA treten die Verantwortung für das Militärgefängnis in Bagram an die afghanische Regierung ab. Für die Gefangenen ändert sich dadurch jedoch kaum etwas.

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Wachtürme des Gefangenenlagers Bagram in Afghanistan (Foto: afp)
Bild: Getty Images

Die Zeremonie war klein und ohne viel Pomp. Der afghanische Präsident Hamid Karsai und US-General John Allen, der Oberbefehlshaber der internationalen Truppen, waren nicht anwesend. Dabei sind es von Kabul nach Bagram nur rund 40 Kilometer Richtung Norden. Aber das umstrittene Gefängnis sorgt weiter für Streit zwischen den Verbündeten. Für die afghanische Regierung ergriff Enayatullah Nazari das Wort. "Sehr stolz" sei der amtierende Verteidigungsminister auf diese Übergabe: "Ab heute liegt die Verantwortung für alle afghanischen Gefangenen bei unseren eigenen Sicherheitskräften."

Keine Entlassungen ohne Zustimmung der USA

Es gehört zum westlichen Abzugsplan, dass alle Gefängnisse unter afghanische Kontrolle kommen. Je schneller desto besser, fordert Präsident Hamid Karsai. Für ihn ist die Übergabe ein wichtiger Ausdruck der afghanischen Souveränität. Doch Bagram bleibt ein strittiger Sonderfall. Das Gefängnis liegt auf dem Gelände eines der größten NATO-Stützpunkte in Afghanistan. Dort hat weiter die US-Armee das Sagen - und nicht die afghanische Regierung. Entsprechend sieht das Übergabeabkommen eine Art Veto-Recht vor: kein Häftling darf ohne Zustimmung der USA aus Bagram entlassen werden. Die rund 50 ausländischen Gefangenen bleiben weiter ganz unter amerikanischer Kontrolle. Die meisten von ihnen stammen aus Pakistan. "Wir haben wie vereinbart alle afghanische Gefangene in afghanische Hände übergeben", erklärte der für das Gefängnis verantwortliche Oberst Robert Taradash von der US-Armee, "und wir haben sichergestellt, dass alle, die eine Gefahr für unsere Partnerschaft darstellen, nicht auf das Schlachtfeld zurückkehren können."

Gefangene in Bagram bereiten sich auf das Freitagsgebet vor (Foto: dapd)
Rund 3000 Gefangene sollen in Bagram inhaftiert seinBild: dapd

Bagram: das afghanische Guantanamo?

Aufgebrachte Afghanen protestieren gegen Koranverbrennungen durch US-Soldaten (Foto: epa)
Aufgebrachte Afghanen protestieren gegen Koranverbrennungen durch US-SoldatenBild: picture alliance/dpa

Insgesamt sind zur Zeit mehr als 3000 Menschen in Bagram inhaftiert. Die meisten sind sogenannte "administrative Häftlinge". Das heißt im Klartext: sie sind Taliban-Kämpfer, Aufständische, stehen unter Terrorverdacht - und haben keinen Zugang zu einem Rechtsanwalt oder zu einer öffentlichen Anhörung. Der Friedens- und Konfliktforscher Hekmat Karzai, der nicht mit dem Präsidenten verwandt ist, sieht das mit großer Sorge: "Die administrative Haft widerspricht der afghanischen Verfassung. Sie erlaubt den afghanischen und den ausländischen Kräften, jemanden ohne Anklage und Verfahren dauerhaft festzuhalten", erläutert Karzai. "Es wäre wünschenswert, wenn das schnell aufhört."

Der Vergleich mit dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba drängt sich auf. Nach Angaben von internationalen Menschenrechtlern und einer afghanischen Untersuchungskommission sind auch in Bagram Häftlinge gefoltert worden. Das US-Militär bestreitet die Anschuldigungen. Im Februar war das Gefängnis tagelang in den Schlagzeilen, weil US-Soldaten trotz aller Warnungen ihrer afghanischen Kollegen mehrere Koran-Ausgaben verbrannt hatten. Als der Vorfall öffentlich wurde, schwappte eine Welle der Gewalt durch das Land.