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Gefährlicher Alltag in den Palästinensergebieten

Bettina Marx, Tel Aviv30. Dezember 2004

Vor den Präsidentschaftswahlen in den palästinensischen Gebieten am 9. Januar ist der Wunsch nach Frieden im Nahen Osten groß - auf beiden Seiten. Bettina Marx hat eine Familie aus dem Gazastreifen getroffen.

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Demonstration im GazastreifenBild: AP

Muhammad ist sieben Jahre alt. Er ist klein für sein Alter, wie alle Kinder im Gazastreifen, die unter Mangelernährung leiden. Schüchtern zeigt er seine Hand vor. Auf dem Handrücken ist eine gerade erst verheilte Wunde zu sehen. Dort hat ihn der Splitter einer Granate getroffen - im Schulhof, während des Sportunterrichts. "Der Lehrer hat uns in den Hof geschickt, damit wir Sport treiben und als wir gerade damit angefangen hatten, schlug eine Granate ein", erzählt der Junge.

Ängste und Alpträume

Karte Israel mit Gaza-Streifen und Gaza-Stadt Punkt
Bild: AP

Muhammads Schule liegt am Rand des Flüchtlingslagers Chan Junis im südlichen Gazastreifen, direkt neben dem israelischen Siedlungsblock Gush Katif. Immer wieder kommt es hier zu Schießereien und Kämpfen zwischen militanten Palästinensern und israelischen Soldaten. Und immer wieder werden dabei auch Kinder verletzt oder sogar getötet. Wie die siebenjährige Rana Siyam, die von einer Kugel getroffen wurde, als sie mit ihrer Familie beim Essen saß.

Seitdem die Granate in Muhammads Schule eingeschlagen ist, plagen den Jungen Alpträume und Ängste, berichtet sein Vater Osama. "Er ist immer müde, aber in der Nacht kann er nicht schlafen und steht immer wieder auf. Er ist ängstlich und sagt, ich soll in die Schule gehen und seine Unterlagen abholen. Er will nicht mehr zur Schule. Er sagt, wenn ihr nicht wollt, dass wir sterben, dann holt uns aus dieser Schule, Ihr habt uns zur Welt gebracht, damit wir in die Schule gehen und sterben."

Keine Alternative

Die Kinder sind durch die Schießereien vollkommen verängstigt, erzählt auch Muhammads Mutter Hala. "Das ist ein großes Problem. Wir tun unser Bestes, um die Kinder zu beruhigen, um ihnen Hoffnung zu geben, dass es morgen besser wird. Aber das Beste wäre natürlich, wenn die Schule an einem sichereren Ort wäre."

Palästinensische Kinder im Gaza Streifen Israel Palästina Nahost
Palästinensische Kinder im Gazastreifen: Hoffnung auf FriedenBild: AP

Doch wohin sollten Osama und seine Frau Hala mit ihren sechs Kindern gehen? Sie haben kein Geld, um umzuziehen. Und außerdem ist es überall im Gazastreifen gefährlich, sagt Hala. Hala ist erst 29 Jahre alt. Sie ist bildhübsch, klug und sehr selbstbewusst. Und sie versucht, ihren Kindern trotz der Gewalt, die sie umgibt, ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln. "Was wir uns für unsere Kinder wünschen und wovon wir für sie träumen, das ist Sicherheit und eine glückliche Zukunft."

Hoffnung auf den Rückzug

Hala hofft, dass sich die israelischen Truppen wie geplant im kommenden Jahr aus dem Gazastreifen zurückziehen und dass das Leben dann für sie und ihre Familie sicherer wird. Doch beim Rückzug aus Gaza allein darf es nicht bleiben. Das hat Präsidentschaftskandidat Mahmud Abbas unmissverständlich klargemacht. Am 25.12.04 eröffnete er den Wahlkampf mit einer live übertragenen Veranstaltung in Ramallah. Dabei schlug er einen scharfen Ton an: "Der Rückzug aus Gaza und aus einigen Gebieten des Westjordanlands ist nur ein notwendiger Teil des kompletten Rückzugs, über den wir im Anschluss verhandeln werden. Viele sagen, dass sich Israel aus Gaza zurückziehen wird und Gaza dann von der Heimat abgeschnitten wird." So werde es auf keinen Fall passieren, sagte Abbas.