Ewige Jugend
14. Februar 2007Wenn Ronald Klatz einen Vortrag hält, dann zeigt er als erstes gerne ein Bild von muskelbepackten 60-Jährigen in Body-Builder-Pose. "Sie sind unsere besten Beispiele für ideales Altern", sagt er. "Sie haben fortwährend Sport getrieben, Diät gehalten, Nahrungsergänzung, manchmal auch Hormonersatztherapie - also sie sind das Vorbild."
Der Arzt Ronald Klatz ist Mitbegründer und Präsident der Amerikanischen Vereinigung für Anti-Aging-Medizin, in der 15.000 US-amerikanische Ärzte organisiert sind. Sie versprechen ihren Patienten Fitness und Kraft bis in hohe Alter.
Mehr Leistung
Der Ursprung der Anti-Aging-Medizin liegt in den Praktiken von Sportärzten. Als die Amerikanische Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin gegründet wurde, seien die meisten beteiligten Ärzte wegen Ihres Hintergrundes als Ärzte im Leistungssport dabei gewesen, erklärt Klatz. Ob Nahrungsergänzungsmittel, Eingriffe in den Stoffwechsel, Trainingsmethoden oder die Laboranalysen - viele Methoden könne man in jeder Lebensphase einsetzen, ob es sich nun um einen Leistungssportler mit Mitte 20 handelt oder um Senior-Athleten mit 50 oder älter. "Wenn sie für einen Wettkampf trainieren geht es darum, die körperliche Leistung zu maximieren", sagt Klatz. "Und das ist auch der Kern der Anti-Aging-Medizin: Die Maximierung der körperlichen Leistung."
Nach sechs Monaten 20 Jahre jünger
Diese Maximierung der körperlichen Leistung erreichen die Anti-Aging-Mediziner unter anderem mit Medikamenten, die im Sport zu den Dopingmitteln zählen. Hoch im Kurs steht seit einigen Jahren das menschliche Wachstumshormon HGH. Es ist wichtig für das Wachstum von Kindern. Auch bei Erwachsenen steuert es auch noch einige Stoffwechselvorgänge, aber der Spiegel sinkt im Laufe des Lebens kontinuierlich
"Daniel Rudman veröffentlichte 1990 im New England Journal of Medicine einen Bericht über menschliches Wachstumshormon, der vielen Leuten die Augen öffnete", weist Klatz auf eine Schlüsselstudie der Anti-Aging-Medizin hin. Rudman habe nachgeweisen, dass sich bei über 60-Jährigen die Zeichen des biologischen Alterns um 10 bis 20 Jahre zurückdrehen ließen durch nur sechsmonatigen Hormonersatz mit Wachstumshormon.
Jung dank HGH
Die vom Anti-Aging-Mediziner Ronald Klatz zitierte Rudman-Studie zeigte, dass menschliches Wachstumshormon bei zwölf alternden Männern die Muskelmasse anschwellen und das Körperfett hinschmelzen ließ. Die Knochen der Probanden wurden härter, die Haut dicker. Rudman selbst propagierte das Hormon nie für Verjüngungskuren, aber die Anti-Aging Szene lobte es bald als das Jungbrunnenhormon schlechthin.
Ronald Klatz widmete ihm 1998 gar ein ganzes Buch: "Grow young with HGH" - Verjünge dich mit HGH. "Wenn wir älter werden, brauchen wir nicht mehr so viel davon, aber ein HGH-Spiegel nahe Null ist auch nicht gut", erklärt er. Denn das Hormon erhalte die Gesundheit aller Gewebe im Körper. Ersetze man es, bis der Spiegel der eines 45-50jährigen sei, könne man erhebliche gesundheitliche Verbesserungen bei älteren Menschen erreichen.
Hormone ohne Effekt
Genau das bestreiten seriöse Endokrinologen, also Hormonfachärzte wie Professor Christian Strasburger von der Charité in Berlin. Es habe beispielsweise eine Untersuchung gegeben, die verglichen habe, was es den Patienten bringt, einfach ein Krafttraining zu machen und was es den Patienten bringt, wenn sie zusätzlich zum Krafttraining auch noch Wachstumshormon bekämen.
"Dabei wurde festgestellt, dass Krafttraining bei alternden Menschen sehr wohl einen sehr günstigen Effekt auf Leistungsfähigkeit und andere Parameter der Gesundheit hat", sagt Strasburger. "Die zusätzliche Gabe von Wachstumshormon hat aber keinen zusätzlichen Effekt."
Vertretbares Risiko?
Unklar ist deshalb auch, ob Leistungssportler vom HGH Doping wirklich profitieren. Beide, Sportler und Anti-Aging-Patient, riskieren schwere Gesundheitsschäden. In zu hoher Dosierung löst Wachstumshormon Gelenkschmerzen, Wassereinlagerungen im Körper, das Karpaltunnelsyndrom und Vorformen von Diabetes aus. Nach allem, was man weiß, kann das Wachstumshormon außerdem dafür sorgen, dass beschädigte Zellen im Körper nicht mehr beseitigt werden sondern sich stattdessen in Krebszellen verwandeln.
"Bevor man propagiert, Wachstumshormon in der alternden Bevölkerung als so genanntes Jungbrunnenhormon einzusetzen", sagt Christian Strasburger, solle man erst mal nachschauen, ob das überhaupt mit vertretbarem Risiko passieren kann. Eine solche Untersuchung liegt aber bisher nicht vor