1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Studie: Politiker-Beliebtheit stürzt ab

Helena Kaschel
31. Januar 2019

Weltweit wächst die Unzufriedenheit mit führenden Politikern. Das geht aus einer Studie der Gallup International Association hervor. Die Zeichen stünden auf Instabilität, warnt Soziologe Kancho Staychev im DW-Interview.

https://p.dw.com/p/3CTXG
G7-Gipfel in Kanada
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die Gallup International Association (GIA), ein internationaler Verbund von Meinungsforschungsunternehmen, ermittelt jedes Jahr die weltweite Beliebtheit der mächtigsten Staats- und Regierungschefs. Für die diesjährige Studie wurden zwischen Oktober 2018 und Januar 2019 knapp 47.000 Menschen in 45 Ländern befragt.

DW: Herr Stoychev, welches Ergebnis der diesjährigen Studie hat Sie am meisten überrascht?

Kancho Stoychev: Es ist überraschend, dass wir zum ersten Mal einen Abwärtstrend in der Bewertung aller führenden Politiker der Welt beobachten. Das ist noch nie passiert. Üblicherweise bewegen sich die Politiker in der Bewertung mal nach oben, mal nach unten, aber dass sie nun allesamt schlechter abgeschnitten haben als letztes Jahr und die Jahre davor, das ist beispiellos. Es passiert etwas in der Welt.

Es geht nicht nur um die berühmte Lücke zwischen den Eliten und den Massen, zwischen den politischen Führern und den Wählern. Es scheint tieferliegende Gründe zu geben. Die Welt, in der wir leben, befindet sich in einer Transformationsphase.

Auch Werte beliebter Politiker sinken

Nicht nur weltliche Führer bekommen weniger Zuspruch. Auch Papst Franziskus hat Sympathie eingebüßt. Ist dieser Trend vor allem auf innenpolitische Probleme in verschiedenen zurückzuführen oder haben wir es mit einem grundsätzlicheren Verlust von Vertrauen in die Politik zu tun?

Dreikönigsfest - Vatikan, Papst Franziskus
Der grundsätzliche Vertrauensverlust macht auch vor dem Papst nicht haltBild: picture-alliance/dpa/A. Medichini

Eher Letzteres. Ja, die nationalen Probleme spiegeln sich in dem Image des jeweiligen Politikers wider, aber wir reden hier über globale Daten. Natürlich wissen wir, dass die Beliebtheitswerte von Präsident Macron in Frankreich sinken. Aber sie sinken eben auch auf der ganzen Welt. Das gilt ebenso für viele andere Politiker, etwa Frau Merkel, die zwar immer noch die am besten bewertete Politikerin ist - nicht nur in Europa, sondern international - aber die auch massiv an Unterstützung verliert. Es geht nicht nur um innenpolitische Probleme, es geht um die globale Stimmung. Wir haben im vergangenen Jahr eine wachsende Konfrontation auf internationaler Ebene gesehen, die sich in den Bewertungen der Politiker wiederfindet.

Infografik Beliebtheit Regierungschefs 1-6 DE

Meiner Ansicht nach ist das Hauptproblem die Unfähigkeit der Staats- und Regierungschefs, die Probleme zu lösen, mit denen die Welt heute konfrontiert ist. Die Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurde, wirkt instabil. Wir leben weder in einer Situation wie im Kalten Krieg mit zwei großen Lagern, noch haben wir eine Situation wie sie zehn oder 15 Jahre lang bestand, in der es nur eine Supermacht gibt: die USA. Wir leben in einer multipolaren Welt und das große Bild wird zunehmend komplizierter. Besonders kompliziert ist es, aufgrund der Probleme, die wir hier haben, in Europa.

Bulgarien Kuncho Stoychev
Soziologe und GIA-Präsident Kancho Stoychev warnt vor InstabilitätBild: BGNES

Allgemeiner Vertrauensverlust in Europa

Wie beeinflussen innenpolitische Krisen wie das Brexit-Chaos im britischen Parlament oder die Proteste der "Gelbwesten"-Bewegung in Frankreich die Beliebtheit der jeweiligen Politiker im Ausland?

Darauf gibt es keine grundsätzliche Antwort, aber das ist ein interessanter Punkt. Sprechen wir über den Brexit. Es gibt Regionen und Länder, in denen Theresa Mays Beliebtheit steigt. Das zeigt, dass unsere europäische Perspektive auf die Ereignisse - dass der Brexit nicht gerade das Beste für Europa ist - nicht überall auf der Welt geteilt wird. In vielen anderen Regionen sieht man den Brexit positiver oder geht besser als wir mit dem Verlust um. Es ist also sehr kompliziert, weil wir über die globale Wahrnehmung sprechen und nicht nur auf einzelne Länder und Regionen schauen. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in diesem Jahr von der Spitze des Rankings verdrängt. Aus der Studie geht hervor, dass sie zum Beispiel in Afrika, in europäischen Nicht-EU-Staaten und in Kanada beliebter ist als daheim in der Europäischen Union. Ist das ein neues Phänomen?

Belgien, EU-Gipfel - Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich und Bundeskanzlerin Angela Merkel
Kanzlerin Merkel verdrängt ihren guten Freund Präsident Macron von der Spitze des Rankings Bild: Getty Images/E. Dunand

Das ist ein neuer Trend aus dem vergangenen Jahr, der zum Großteil mit Entwicklungen in der EU zu tun hat. Im vergangenen Jahr haben wir etwa Spannungen zwischen den Ländern der sogenannten Visegrád-Gruppe [Anm. d. Red.: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn] sowie in Italien beobachtet. Wir haben ernste Meinungsverschiedenheiten bezüglich bestimmter Probleme und Projekte zwischen Deutschland und den baltischen Staaten erlebt. Das ist keine vollständige Liste der Probleme, aber der allgemeine Verlust von Vertrauen in europäische Politiker spiegelt sich in den Beliebtheitswerten jedes einzelnen europäischen Spitzenpolitikers wider.

Konfrontation der großen Nationen beunruhigt

US-Präsident Donald Trump belegt zum wiederholten den letzten Platz des Rankings. Hat sich die öffentliche Meinung über ihn in bestimmten Regionen geändert?

Infografik Beliebtheit Regierungschefs 7-12 DE

Interessant ist, dass seine Akzeptanz in Russland stetig sinkt. Noch vor einem Jahr stand er in der öffentlichen Meinung in Russland viel besser da. Jetzt haben rund 70 Prozent der Russen eine schlechte Meinung über ihn. Das gleiche Gilt mit Blick auf das Bild, das US-Amerikaner von Russlands Präsident Putin haben: Genau 70 Prozent haben eine schlechte Meinung über ihn. Das ist ein großes Problem. Es bedeutet, dass der Konfrontationskurs zwischen den USA, Russland und China sich auch auf die Wahrnehmung der Massen auswirkt.

Das ist schlecht für die Stabilität in der Welt, weil die Bevölkerungen dieser Supermächte ein negatives Bild von dem Gegner bekommen. Ich halte das für sehr gefährlich, weil es nun nicht mehr nur um Politiker geht, die miteinander Streit haben, sondern dieser Konflikt breitet sich unter den Menschen auf beiden Seiten des Ozeans aus. Die USA und Russland sind große Nationen und diese Einstellung gegenüber den Staatschefs des jeweils anderen Landes ist etwas, das uns alle beunruhigen muss.

Das Gespräch führte Helena Kaschel.

Der Soziologe Kancho Stoychev ist Präsident des Vorstandes der Gallup-International-Association, einem internationalen Verbund von Markt- und Meinungsforschungsunternehmen mit Sitz in Zürich.