1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

G20: Obama und Putin nähern sich an

Bernd Riegert15. November 2015

Nach dem Terrorschock aus Paris kommt Bewegung auf. Obama und Putin gehen aufeinander zu, um Terroristen in Syrien zu schlagen. Vom G20-Gipfel in Antalya berichtet Bernd Riegert.

https://p.dw.com/p/1H6FK
G-20-Gipfel in Antalya Obama und Putin
Köpfe zusammen stecken, Strategien finden: Präsidenten Obama (li.) und Putin (re.)Bild: picture-alliance/AP Images/Anadolu Agency/C. Oksuz

Den ganzen Tag über liefen nicht die üblichen Bilder von eher langweiligen Sitzungssälen auf den Fernsehern in den Sitzungs- und Pressesälen des G20-Gipfels in Antalya. Überall waren Nachrichtensender aus verschiedenen Ländern in diversen Sprachen aufgeschaltet. Paris, die Terroranschläge und die Ermittlungen waren das einzige Thema, das interessierte. Und auch die 20 Führer der wichtigsten Staaten der Erde kannten nur ein Gesprächsthema: Wie kann man wirkungsvoll gegen den islamistischen Terror vorgehen, der ja nicht nur Frankreich, sondern auch die Türkei, Russland, Tunesien und Libanon in den vergangenen Monaten getroffen hat? Die Gruppe der 20 ist sich eigentlich einig, dass der Krieg in Syrien zurzeit eine der Haupttriebfedern für Terrorismus und Terrorexport ist.

Obama und Putin wollen Waffenstillstand in Syrien

Der amerikanische Präsident Barack Obama versprach, den Kampf gegen den sogenannten "Islamischen Staat", der Teile Syriens und des Iraks beherrscht, "zu verdoppeln". Ein Sprecher Obamas forderte zugleich mehr Anstrengungen von den Verbündeten in der Anti-IS-Koalition, die Luftangriffe in Syrien fliegt. Der russische Präsident Wladimir Putin, der ebenfalls in einer getrennten Kampagne Luftangriffe fliegen lässt, sagte vor Beginn des Gipfels in Antalya, die "Kräfte müssen jetzt zusammengeführt werden." Überraschend haben sich Obama und Putin für etwa eine halbe Stunde getroffen und intensiv miteinander geredet, wie Augenzeugen berichteten. Die beiden Schlüsselfiguren im Syrien-Konflikt haben offenbar die Eiszeit beendet und reden wieder miteinander.

Schon ihre nur sechs Sekunden dauernde Begrüßung am traditionellen Familienfoto fiel wesentlich entspannter aus als ihre letzte Begegnung im September bei der UN-Vollversammlung in New York. Was genau die beiden Präsidenten, die bislang in Syrien gegeneinander gearbeitet haben, besprochen oder beschlossen haben, ist nicht bekannt. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte in Antalya aber, man sei sich einig, dass es eine politische Lösung geben müsse und ein Waffenstillstand in Syrien notwendig sei. Die Vereinten Nationen sollten als Vermittler eingeschaltet werden. Die bisherigen Syrien-Gespräche begrüßten offenbar beide Präsidenten. In Wien war am Samstag die Einsetzung einer Übergangsregierung in Syrien in sechs Monaten vorgeschlagen worden.

G-20-Gipfel in Antalya Obama und Putin
Knappe Begrüßung, die zu mehr führt: Präsident Obama und Präsident Putin reden über Syrien und die UkraineBild: picture-alliance/AP Photo/S. Walsh

Verzwickte Lage im syrischen Bürgerkrieg

Bislang unterstützt Russland genauso wie Iran den syrischen Machthaber Bashir-al-Assad. Die USA, westliche Staaten und Saudi-Arabien fordern seine Ablösung. Der gemeinsame Kampf gegen den "Islamischen Staat" könnte beide Seiten jetzt vielleicht zusammenbringen. "Erst den Terror bekämpfen und sich um Assad später kümmern", könnte die Formel sein, meinte ein EU-Diplomat am Rande des G20-Gipfels. Allerdings spielt da auch noch die Türkei eine Rolle. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Gipfel-Gastgeber, lässt ebenfalls Luftangriffe in Syrien und im Irak fliegen, allerdings auch gegen kurdische Rebellen, die von den Türken als Terroristen angesehen werden. Diese kurdischen Kämpfer werden von den USA aber mit Waffen ausgerüstet, da sie die einzigen Bodentruppen in Syrien sind, die gegen den "IS" vorgehen können.

Merkel: "Wir stehen zusammen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel verspricht sich vom Gipfeltreffen an der türkischen Riviera ein "starkes Signal" gegen den islamistischen Terror. "Wir sind stärker als jede Form des Terrorismus", sagte sie vor Journalisten. Merkel räumte ein, dass Europa seine Außengrenzen besser schützen müsse, um Flüchtlinge aus Syrien zu registrieren und das mögliche Einsickern von Terroristen zu verhindern. In Paris war bekannt geworden, dass mutmaßlich einer der Attentäter als Flüchtling getarnt über Griechenland und Serbien nach Frankreich gereist ist. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, wies Überlegungen konservativer Politiker in Europa, die Flüchtlingsstrategie der EU zu ändern, scharf zurück. "Das gefällt mir nicht", sagte Juncker in Antalya. "Die Flüchtlinge sind nicht schuld an den Anschlägen in Paris." Europa werde ein offener Kontinent bleiben. Die Menschen flöhen genau vor den Terroristen, die man jetzt in Frankreich erleben musste.

G-20-Gipfel in Antalya Bundeskanzlerin Merkel
Gemeinsam voran: Bundeskanzlerin Merkel beschwört Solidarität in AntalyaBild: Getty Images/C. McGrath

EU will ihre Grenzen besser schützen

Der Ratspräsident der EU, Donald Tusk, fasste die Stimmung unter den meisten der G20-Mitglieder so zusammen. "Es muss jetzt gehandelt werden." Die EU will ihre Abwehr gegen Terroristen auch im Innern stärken. Darüber sollen die Innenminister der EU am kommenden Freitag in einer weiteren Sondersitzung in Brüssel beraten. Viele Staaten sind inzwischen dazu über gegangen, Grenzkontrollen wieder einzuführen. Zunächst wurde das damit begründet, Flüchtlinge besser registrieren zu können. Jetzt könnte die Angst vor Terroristen als Begründung für eine Aussetzung der "Schengen"-Regeln zum freien Reiseverkehr genutzt werden.

Über den Luxushotels an der malerischen Küste der Türkei, in denen der G20-Gipfel tagt, schien den ganzen Tag die Sonne. Trotzdem war die Stimmung wegen der jüngsten Anschläge in Paris gedrückt. "Der Himmel hat sich verdunkelt", beschrieb US-Präsident Barack Obama die Lage. Die türkischen Gastgeber strichen alle sonst üblichen musikalischen Darbietungen beim abendlichen Dinner und andere Unterhaltungsangebote. "Aus Respekt vor den Opfern", so ein türkischer Diplomat.