1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Fünf Nobelpreisträger suchen den Weltfrieden

Aitor Sáez
21. September 2019

Juan Manuel Santos, Lech Walesa, David Trimble, Jody Williams und Shirin Ebadi analysieren die Gründe, warum es keinen Frieden in der Welt gibt: Waffenhandel, Klimawandel und Vertreibung, um nur drei Beispiele zu nennen.

https://p.dw.com/p/3Py01
Symbolbild Taube mit Ölzweig
Bild: imago/imagebroker

Auf der Welt gibt es weniger Kriege als 2017, aber mehr Länder, die sich in einem Konflikt befinden. Und die bestehenden Kriege haben sich verschärft. Dies ist eine der Schlussfolgerungen aus vielen Studien, die versuchen das Unbegreifliche zu erklären: Warum bringen wir uns gegenseitig um?

Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) verzeichnet für 2018 einen Rückgang der offenen kriegerischen Konflikte von 20 auf 16 im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der "begrenzten Kriege" stieg jedoch im selben Zeitraum von 16 auf 25. Unter "begrenzt" versteht die Studie eine Auseinandersetzung, bei der die kriegführenden Parteien nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt. Die meisten Kriege konzentrieren sich auf eine begrenzte Region: Syrien, Irak, Afghanistan, Libyen, Ägypten, Türkei, Jemen, und Saudi-Arabien.

Waffenhandel befeuert Kriege

In einem Gespräch mit der DW im Rahmen des 17. Gipfels der Nobelpreisträger im mexikanischen Yucatán, sagte die iranische Juristin und Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi, dass "der Grund, warum diese Kriege andauern, der internationale Waffenhandel ist, der enorme Gewinne aus dem Verkauf von Waffen erzielt, und deswegen auch kein Interesse an einer Beendigung hat". Die Hälfte aller in der Welt hergestellten Waffen ginge in den Nahen Osten, fügte Ebadi hinzu.

Shirin Ebadi betonte, dass "die jüngsten Auseinandersetzungen in dieser Region auf die politischen Ambitionen Saudi-Arabiens, des Iran und der Türkei zurückzuführen sind, und nicht so sehr auf den Verlust der westlichen Hegemonie." In den letzten Jahren habe sich der Iran in die Angelegenheiten des Libanon, Syriens, des Irak und des Jemen eingemischt, wo bereits mehr als 90.000 Zivilisten in vier Jahren in einem fast schon vergessenen Konflikt gestorben sind, so Ebadi. Die iranische Nobelpreisträgerin geht davon aus, dass in absehbarer Zukunft, die Zahl der Stellvertreterkriege im Nahen Osten zunehmen wird.

Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi
Shirin Ebadi: "Stellvertreterkriege im Nahen Osten werden zunehmen".Bild: picture-alliance/Zuma/El Universal

Auf die arabische Welt folgt Afrika als eine der vom Krieg am meisten betroffenen Regionen: die Zentralafrikanische Republik, Äthiopien, Nigeria, sowie Kamerun, Tschad und Niger im Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, Somalia, Kenia und schließlich Sudan und Süd-Sudan, mit einem Krieg, der laut der Datenbank des Polynational War Memorial mit mindestens 385.000 Toten, die meisten Opfer im bisherigen Jahrhundert gefordert hat. Für Lateinamerika verzeichnet die Studie des Heidelberger HIIK nur ein einziges Land in einem kriegerischen Zustand - Mexiko wegen der Gewalt der Drogenkartelle.

Klimawandel und nukleare Bedrohung

Abgesehen von Kriegen gibt es noch andere neue und alte destabilisierende Faktoren. Sowohl der ehemalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos als auch die US-amerikanische Aktivistin Jody Williams sind sich einig, dass der Klimawandel und die nukleare Bedrohung die Hauptrisikofaktoren für den Weltfrieden darstellen. "Die Regierungschefs, die sich zum Beispiel dem Schutz des Amazonas widmen sollten, tun dies nicht", kritisierte Santos.

"In Bezug auf die nukleare Bedrohung gibt es eher Rück- als Fortschritte", betonte Ex-Präsident Santos im Gespräch mit der DW, und verwies auf das Ende des Atomabkommens zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten. Jody Williams hob darüber hinaus die Gier als weiteren Faktor für Instabilität hervor, da sie eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich erzeugt.

Oslo Juan Manuel Santos Nobelpreis
Juan Manuel Santos: "Gefahr der nuklearen Bedrohung nimmt zu". Bild: Getty Images/N. Waldron

Geopolitische Spannungen nehmen zu

"In den letzten Jahren sind die Elemente der internationalen Ordnung, die zur politischen Stabilität beitrugen, schwächer geworden, während die diejenigen Akteure die aggressiver auftreten sich gestärkt sehen", sagte der ehemalige Chef der nordirischen Regionalregierung David Trimble. Als Beispiel nannte er die Vereinten Nationen: "Wir dachten, sie würden den globalen Frieden bringen, aber wie wir sehen, sind wir weit davon entfernt".

Der Friedensnobelpreisträger und ehemalige polnische Präsident Lech Walesa argumentierte, dass "das Haupthindernis auf dem Weg zum Frieden die Last der Vergangenheit ist. Das heißt, die Leiden und die Ungerechtigkeit, die sich aus der sozialen Entwicklung in der Vergangenheit ergeben haben". Für Walesa ist dies ein wichtiger Faktor, der zum Aufkommen von Nationalismus und Populismus in Europa beigetragen hat.

Jenseits der Kriege

Unter den Friedensnobelpreisträgern herrschte weitgehend Einigkeit, dass die Demokratie die beste Regierungsform zur Sicherung des Friedens ist. Jedoch habe das Vorbild der westlichen Demokratie aufgrund interner Probleme, an Strahlkraft und damit auch die Fähigkeit verloren, sich konsequent gegen Autoritarismus durchzusetzen.

Zu den verschärften kriegerischen Konflikten in der Welt kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: die Repression gegenüber der eigenen Bevölkerung wie in Myanmar oder humanitäre Katastrophen wie in Venezuela. Obgleich diese Krisen nicht als Kriegszustände eingeordnet werden, haben sie jedoch die höchste Zahl von Vertriebenen in der jüngeren Geschichte hervorgebracht. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) weist auf seiner Website derzeit acht bewaffnete Konflikte aus, beziffert aber die Zahl der aus ihrer Heimat vertriebenen Menschen mit 71 Millionen. Das sind doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren und entspricht der Bevölkerungszahl von Thailand oder der Türkei.